
Einfach mal durch die Ausstellung im Museum in Werne zu flanieren, ist für Marius Gellert nicht möglich. Der 38-Jährige sitzt im Rollstuhl, ist zudem sehbehindert. Daher ist er nicht nur auf barrierefreie Zuwegungen angewiesen, er benötigt auch akustische Unterstützung. Im Museum bräuchte er daher einen Audioguide oder Hinweistafeln in Brailleschrift (Blindenschrift). Was in Großstädten und Touristen-Hotspots schon gang und gäbe ist, muss in Werne erst noch kommen. Das werde es auch, betont Museumsleiter Flemming Feß.
Vor einiger Zeit hat er zusammen mit Marius Gellert einen Rundumblick im Museum gemacht und neuralgische Stellen identifiziert. Als Erstes fiel auf, dass es einige Stufen gibt. Als Zweites dann, dass die Toiletten „absolut nicht barrierefrei“ sind. Die Kabine ist zu schmal für einen Rollstuhl, die Toilette ist zu niedrig und auch nicht mit Haltegriffen an den Seiten ausgestattet. Hier solle und müsse kurzfristig Abhilfe geschaffen werden.

Mobile Rampe
Das Problem mit wenigen Stufen innen und außen löst das Museum mithilfe einer mobilen Rampe. Die ist aber aktuell in Reparatur, sodass Marius Gellert nur ins Foyer kommt. Denn sein Rollstuhl ist sehr schwer, lässt sich nicht einfach ein oder zwei Stufen hochziehen oder hinunterschieben. Ganz zu schweigen davon, dass der 38-Jährige das allein bewältigt. Auch mit abgeschraubten Kippstützen schafft er die hohe Treppe am Hintereingang Roggenmarkt nicht.
Im Treppenhaus steht ein Rollstuhllift zur Verfügung, darüber sind alle Etagen des Museums zugänglich. Aber wenn die Rampe nicht zur Verfügung steht, nutzt der eben auch nichts. Feß findet: „Herrn Gellerts Anliegen ist richtig und wichtig. Wir bemühen uns bestmöglich darum, besser zu werden, denn wir wissen, dass noch Verbesserungspotenzial da ist.“
Das Museum sei bestenfalls barrierearm. Allerdings steht das Gebäude unter Denkmalschutz, da sei nicht so ohne Weiteres ein komplett barrierefreier Umbau möglich. Ein Besuch für Rollstuhlfahrer sei zwar möglich, weil alle Räume zugänglich sind, aber eben nicht uneingeschränkt. An mancher Stelle müsse der Mensch im Rollstuhl wohl um Hilfe bitten. „Es ist klar, dass das keine gleichwertige Teilhabe ist“, so Feß.

Dankbar für Hinweise
Derzeit liegen keine Pläne vor, im Museum größere Umbauten vorzunehmen. Das sei erst mal wegen der klammen Haushaltslage nicht möglich, zum anderen, so bestätigt es Bürgerdialogmanagerin Dr. Linn-Julia Temmann auf Nachfrage, müsste das Museum umziehen, um zu 100 Prozent barrierefrei zu sein. Das sei nicht vorgesehen. „Wir müssen immer schauen, dass wir bestmöglich agieren können“, fügt der Museumsleiter hinzu. Deshalb sei es gut, dass Marius Gellert sich an die Stadt wendet, und das auch ziemlich energisch, denn nur durch offenen Dialog können Missstände gefunden und entfernt werden.
„Wir haben im Gespräch gemerkt, dass wir bei der Barrierefreiheit noch nicht da sind, wo wir sein wollen. Wir versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten, immer besser zu werden“, sagt Temmann. Wo es möglich sei, werde barrierefrei umgebaut, Neubauten werden ohnehin im öffentlichen Raum per Gesetz barrierefrei geplant.
Aber bei Bestandsgebäuden sehe das halt anders aus. „Wir sind dankbar, wenn wir darauf hingewiesen werden, wo Verbesserungsbedarf besteht. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass Herr Gellert so engagiert ist“, so Temmann. Einige Hinweise wurden bereits an die Fachabteilungen wie das Gebäudemanagement der Stadt weitergegeben. Dort werden sie einer Prüfung unterzogen.

Stetige Fortschritte
Wernes Bürgermeister Lothar Christ pflichtet der Einschätzung Temmanns und Feß‘ bei: „Im Museum haben wir leider keine gute Barrierefreiheit und prüfen, was sich verbessern lässt.“ Er erklärt, wie wichtig es für die Stadt sei, „stetig Fortschritte im Bereich der Barrierefreiheit zu erzielen. Das ist uns in der Vergangenheit vor allem durch Neubauten (Solebad, Schulen) gelungen. Denn dann planen und bauen wir von vornherein barrierefrei und beziehen auch den Behindertenbeirat mit ein.“
Ein weiteres gutes Beispiel sei der Einbau von Bodenleitsystemen auf Gehwegen. Die taktilen Elemente helfen sehbehinderten Menschen, sich sicherer und einfacher zu fortzubewegen.
Gellert selbst ist froh, dass er gehört wird. Seiner Meinung nach sitzen aber zu wenige Betroffene in den Entscheidungsgremien der Stadt. Würde ein Rollstuhlfahrer im Stadtrat stimmberechtigt sein, könnten die Belange der Community besser vertreten werden. „Wir haben lange genug darauf gewartet, dass auf uns geachtet wird“, sagt er.
Gellert wird sich weiter stark machen für eine hundertprozentige Teilhabe. Aktuell arbeite er an einer Homepage von Rollstuhlfahrern für Rollstuhlfahrer. Darüber sollen beispielsweise alle behindertengerechten Toiletten in Werne inklusive Wegweiser zu finden sein. Gastronomen können melden, wenn ihr Lokal barrierefrei ist. Auch sollen hier grundlegende Fragen beantwortet werden. Noch ist die Seite aber nicht online.