
Sein Fiepen war schon leiser geworden. Und die Lage verzweifelter. Dass das kleine Entenküken mit dem schwarz-gelben Flaum noch auf Rettung würde hoffen dürfen, schien ihm und seiner braun gefiederten Mutter am Samstagvormittag (17. 5.) eher unwahrscheinlich – sofern Enten überhaupt solche Überlegungen anstellen können. Wenn doch und sie tatsächlich so verzweifelt waren, wie diese dramatische Situation ihnen nahe legen musste, dann hatten die beiden Vögel nicht mit der Tierliebe der Wernerinnen und Werner gerechnet. Und mit der Einsatzbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr Werne.
Vielleicht kam dem kleinen Unglücksvogel auch entgegen, dass sich sein Unfall direkt vor dem Krankenhaus St. Christophorus ereignet hat. Nicht, dass die Ärzteschaft und die Pflegekräfte jetzt auch tierische Patienten aufnehmen würden. Aber an einem Samstag, an dem viele ihre Angehörigen und Freunde im Krankenhaus besuchen, blieb die missliche Lage des gefiederten Kindes irgendwo unter der Straßenoberfläche nicht zu lange unbemerkt.
Als der Notruf die Feuerwehr erreichte, war es genau 10.39 Uhr. Im Nu war die Meldegruppe vom Löschzug 1 Stadtmitte in Bewegung. Kaum waren die Feuerwehrleute vor Ort auf dem Parkplatz des Krankenhauses, da eilten sie auch schon zu dem Gully, aus dem es fiepte.
Mit Seil und Gasmessgerät
Die Einsatzkräfte öffneten den Schacht. Mit Seil und einem sogenannten Mehrgasmessgerät ausgestattet, also einem elektronisches Messgerät, das gleichzeitig mehrere verschiedene Gase in der Luft überwachen kann, stieg ein Feuerwehrmann in die dunkle Tiefe. So berichtet Feuerwehrsprecher Tobias Tenk. In einem seitlichen Zulauf hatte sich das einsame Küken versteckt. Als Tenks Kollege wieder heraufstieg ans Tageslicht, hielt er das verschreckte Tier sicher in der Hand.
Das Küken war unverletzt. Die Feuerwehrleute haben es nach der glücklichen Rettung am Teich neben dem Krankenhaus ausgesetzt – in der Hoffnung, dass das Küken dort schnell von seinen Geschwistern und der besorgten Entenmutter in Empfang genommen werden kann. Nach einer Stunde war der ungewöhnliche Feuerwehreinsatz beendet.
Hochsaison für Entennachwuchs
Entenküken sind Nestflüchter, das heißt: Sie verlassen das Nest schon innerhalb von 6 bis 12 Stunden nach dem Schlüpfen und können sofort laufen und schwimmen. Sie können sich zwar selbstständig von Insekten und Wasserlarven ernähren, sind aber noch darauf angewiesen, dass ihre Mutter sie in den ersten Wochen beschützt und auf Gefahren aufmerksam macht – auch etwa auf tückische Löcher in den Gullydeckeln. Die sorgen für eine kontrollierte Belüftung des Kanalsystems, wären aber der kleinen Ente fast zum Verhängnis geworden.
Stockenten-Familien sind zurzeit oft zu beobachten in Werne – nicht nur am Krankenhaus, sondern auch am Stadtsee. Entenküken schlüpfen nach einer Brutzeit von etwa 27 bis 30 Tagen zwischen März und Juni.

