
Wenn einem etwas nicht passt, kann man Leute anbrüllen. Um auf einen ärgerlichen Missstand hinzuweisen, haut mancher auf den Tisch. Aber kommt man damit weiter? Es gibt auch einen anderen Weg. Um Menschen Barrieren aus dem Weg zu räumen, setzt Christian Baran meist ein Lächeln und freundliche Worte ein. So öffnet er in Unna manche Tür, und beharrlich sieht er zu, dass sie offen bleibt. Für sein jahrelanges Engagement für Menschen mit Behinderung hat der Unnaer nun das Bundesverdienstkreuz bekommen.
Verdienstkreuz am Bande für Christian Baran
Der Vorsitzende des Unnaer Behindertenbeirats hat an diesem Freitag (24.03.) in einer kleinen Feierstunde auf Haus Opherdicke das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten, wie es offiziell heißt. Baran ist bekannt dafür, an vielen Stellen unermüdlich dafür zu arbeiten, dass Behinderte bessere Bedingungen haben. Ob es Stolperkanten in der Fußgängerzone sind, Treppen vor Gebäuden, das Fehlen von Toiletten oder schwer nutzbare ÖPNV-Angebote: Baran zeigt darauf und lässt nicht locker, bis sich etwas bewegt.
Chancengleichheit in der Schule gelernt
Woher dieser Antrieb überhaupt kommt, erklärte der Unnaer mit einem kurzen Einblick in seine Lebensgeschichte. Als Schüler sei ihm die Schülerzeitung an seiner Peter-Weiss-Gesamtschule so langweilig erschienen, dass er im Redaktionsteam mitmachte. Er sprach talentierte Mitstreiter an und gewann Werbekunden, schon stieg die Auflage. „Du musst dich einbringen und etwas vorschlagen, dann hast du Erfolg“, war die Lehre, die er daraus zog. In der gleichen Lebensphase sei die Lehrerin Ursula Weißert prägend gewesen; sie habe stets gelehrt, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben müssten. Baran, heute 46, hat das nie vergessen.

„Deutschland ist ein tolles Land“
Noch als junger Mensch wurde der Unnaer krank: Multiple Sklerose (MS). Vor allem zu Beginn sei es ihm oft schlecht gegangen, erinnerte er sich. Gleichzeitig habe er gespürt, wie wertvoll das soziale Netz ist, das ihn auffing. Er habe nie die Gelegenheit bekommen, selbst in das Sozialsystem einzuzahlen. „Aber wenn ich den Kühlschrank aufmache, geht Licht an. Und es ist Essen drin. Deutschland ist ein tolles Land, und es lohnt sich, dafür etwas zu tun.“ Noch während der schlimmen Phasen seiner Krankheit habe er sich geschworen, „etwas zurückzugeben“, sobald es ihm besser ginge.
Mit eigenen Erfahrungen anderen helfen
Barans erster Rollstuhl passte nicht: falsche Beratung. Also gründete er den Rollstuhlclub, „damit andere nicht auf so etwas reinfallen“. Wegen baulicher Barrieren konnte er sein Abitur nicht nachholen. Deswegen kämpft er für den Abbau solcher Behinderungen, die Menschen in den Weg gelegt werden. Eine MS-Sprechstunde im Krankenhaus richtete Baran ein, damit andere mit der Diagnose „nicht in das gleiche Loch fallen wie ich damals“.
Nicht Empörung, sondern Lösungsweg
Christian Baran sei die treibende Kraft für einen barrierefreien Zugang zum Ratssaal gewesen, sagte Unnas Bürgermeister Dirk Wigant bei der Ordensverleihung. Er erinnerte daran, dass Baran sich auch für mehr Barrierefreiheit auf dem Weihnachtsmarkt einsetzt. Er suche häufig den „kurzen Dienstweg“, habe ihm erst kürzlich über einen defekten Aufzug berichtet. „Du hast dich aber nicht beschwert oder empört gezeigt, sondern direkt einen Lösungsweg mitgebracht“, so Wigant.

Unzählige Ehrenämter
Christian Baran wurde 2008 Mitglied einer MS-Selbsthilfegruppe. Schnell wurde er deren Vorsitzender. Betroffen von einer Krankheit, die nicht heilbar ist und das Leben erheblich einschränkt, weitete Christian Baran sein ehrenamtliches Engagement immer weiter aus. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Unnaer Behindertenbeirats, er engagierte sich im Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Verkehrsplanung. Baran ist Sprecher der Selbsthilfegruppen im Kreis Unna, bringt sich im Selbsthilfenetzwerk des Unnaer Krankenhauses ein, im Kreis-Fachbeirat Inklusion, in der Inklusionsagentur in Lünen und beim VKU-Inklusionsprojekt „Jederbus“. Baran ist ausgebildeter Lotse für Menschen mit Behinderungen und leitet MS-Treffen.
Durch sein hohes Engagement gelte er „als profiliertester Interessenvertreter behinderter Menschen im Kreis Unna“, so Landrat Mario Löhr in der Laudatio. Durch Barans Einsatz seien viele politische und administrative Entscheidungen im Kreis und in der Stadt Unna zugunsten der Menschen mit Behinderungen beeinflusst worden.
Landrat: „Bleiben sie beharrlich“
„Wandel braucht manchmal Vorkämpfer“, sagte der Landrat. „Inklusion in den Köpfen der Menschen zu verankern heißt auch, Barrieren in diesen Köpfen abzubauen.“ Dafür brauche es Ausdauer, Beharrlichkeit und ein Stück weit auch Unnachgiebigkeit. „Sie legen Ihren Finger in die Wunde der Gesellschaft. Und das ist auch gut so“, sagte Löhr. Leider könne die Gesellschaft nicht von heute auf morgen inklusiv werden. Der Weg dorthin sei steinig und mit Rückschlägen verbunden. „Umso wichtiger ist, dass Sie den politischen Entscheidungsträgern immer wieder in Erinnerung rufen, was in der UN-Behindertenrechtskonvention verbrieft ist“, sagte der Landrat zu Baran. „Bleiben Sie beharrlich!“












