Messerangriff auf EM-Party in Sachsen-Anhalt Polizei erschießt Täter, Motiv weiter unklar

Polizisten stehen an einem Einsatzort, der möglichwerweise im Zusammenhang mit der Attacke in Wolmirstedt steht.
Polizisten haben bei einem Einsatz in Wolmirstedt nördlich von Magdeburg am Freitagabend einen Mann erschossen. © picture alliance/dpa
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Update 16.6., 18.45 Uhr: Die Polizei hat zwei Messer gefunden, die als Tatwaffen in Betracht kommen. Jeweils eins sei unweit der zwei Tatorte gefunden worden. Zu dem Motiv des 27-Jährigen konnten die Beamten auch zwei Tage nach der Tat keine genauen Angaben machen. Hinweise auf einen religiösen oder terroristischen Hintergrund gebe es nicht, erklärten die Beamten auf einer Pressekonferenz in Magdeburg.

Bei einem ersten Notruf kurz nach 21 Uhr berichtete eine Frau der Polizei von dem Mann, der schwarz gekleidet durch die Innenstadt von Wolmirstedt laufe und sich auffällig verhalte. Die rund 12.000 Einwohner zählende Kleinstadt liegt nördlich von Magdeburg. Der Mann schrie demnach vorbeifahrende Autos und Personen an und hatte ein Messer dabei. Es sollte noch geklärt werden, ob er möglicherweise Alkohol getrunken oder Drogen genommen hatte. Die Party war nach Einschätzung der Polizei ein Zufalls-Tatort. Der 27-Jährige sei vermutlich durch die Partystimmung angelockt worden.

Kurz nach dem Anpfiff drang der Mann laut Polizei in das Privatgrundstück eines Einfamilienhauses ein und attackierte mehrere der 16 Partygäste. Nach Angaben der Polizei schwebt keiner der drei Verletzten in Lebensgefahr, zwei der Opfer seien bereits aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Pressekonferenz in Wolmirstedt
Auch zwei Tage nach dem Angriff eines 27-Jährigen auf einer private EM-Party in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt ist das Motiv des Täters weiter unklar.© Thomas Schulz/dpa

Drama während EM-Spiel in Wolmirstedt

Vorherige Berichterstattung 16.6., 14 Uhr: Im Fall des Angriffs auf einer privaten EM-Party in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt suchen Polizei und Staatsanwaltschaft weiter nach dem Motiv des Täters. Es sei wichtig, das Motiv des Mannes „weiter aufzuhellen“, sagte Staatsanwalt Frank Baumgarten.

Dabei werde unter anderem eine umfangreiche Befragung von Zeugen helfen. „Damit wird die Polizei erstmal ordentlich zu tun haben.“

Alarmierte Beamte hatten den Angaben zufolge auf den Mann geschossen, als dieser am vergangenen Freitagabend auch die Polizisten attackierte. Er starb später im Krankenhaus. Vor dem Angriff auf der Privatparty soll er einen 23 Jahre alten Mann getötet haben. Heute Nachmittag will die Polizei auf einer Pressekonferenz in Magdeburg nähere Details zu dem Fall bekanntgeben.

Das Drama hatte sich am vergangenen Freitagabend während des EM-Eröffnungsspiels zwischen Deutschland und Schottland abgespielt. Der 27-Jährige drang den Angaben zufolge auf ein Privatgrundstück in einer Einfamilienhaussiedlung ein und attackierte mehrere Menschen auf einer Gartenparty – laut Polizei mit einem „messerähnlichen Gegenstand“.

Sie hatten sich im Hof getroffen, unter anderem, um das EM-Eröffnungsspiel zu sehen. Der Angreifer verletzte eine 50-Jährige und einen 75-Jähriger schwer, ein 56 Jahre alter Mann wurde leicht verletzt. Wie viele Gäste auf der Party waren, war zunächst unklar. Die Tat ereignete sich laut Polizei kurz nach dem Anpfiff des Fußballspiels gegen 21 Uhr.

Täter soll vor Angriff auf EM-Party Mann erstochen haben

Vor dem Angriff auf der Gartenparty soll der aus Afghanistan stammende Mann nach Polizeiangaben in einem nicht weit entfernten Mehrfamilienhaus in einer Plattenbausiedlung einen 23-Jährigen angegriffen und verletzt haben. Das Opfer, ebenfalls afghanischer Staatsangehöriger, starb nach Angaben der Polizei noch am Abend an seinen Verletzungen.

Das Motiv war auch einige Stunden nach der Tat noch völlig unklar. Laut „Bild“ waren die beiden Männer in Streit geraten. Hinweise auf einen religiösen Hintergrund gab es nicht, hatte die Polizei am Samstag erklärt. Medienberichten zufolge soll es sich bei der Tatwaffe um ein Messer handeln.

Nach dem tödlichen Angriff soll sich der 27-Jährige laut Polizei „ziellos“ durch Wolmirstedt bewegt haben. Wie die „Magdeburger Volksstimme“ schreibt, hatte der Angreifer auch in einer Kleingartenanlage Menschen mit einem Messer bedroht.

Nachbarn halten Schüsse zunächst für Böller

Die dramatischen Minuten bekommt auch die Nachbarschaft in der als ruhig geltenden Einfamilienhaussiedlung mit. „Der Schock sitzt bei uns noch ziemlich tief“, sagt ein Ehepaar. Am Abend habe das Paar selbst Fußball geschaut, als sie zwei Schüsse hörten. „Das zweite Tor war gerade gefallen, wir dachten, dass jemand vor Freude einen Böller losgelassen hat“, sagte der Mann. Als sie aus dem Fenster schauten, hätten sie den Rettungsdienst gesehen und einen Mann, der in der Nähe der Auffahrt gelegen habe.

Auch in der nicht weit entfernten Plattenbausiedlung zeigen sich Anwohner am Samstagmorgen bestürzt. Eine Frau aus einem Nachbarblock diskutiert mit Bekannten über das Geschehen, als sie den Müll wegbringt. Ihre Anteilnahme ist groß, nicht nur, weil sie hier wohnt. Ihr Enkel sei als Polizist bei dem Einsatz dabei gewesen, sagt die Frau. „Ich kriege eine Gänsehaut nach der anderen.“ Eine andere Frau sagt, „ganz schrecklich“ sei das.

Schusswaffengebrauch: Staatsanwaltschaft übernimmt Ermittlungen

Gegen die Polizisten, die auf ihn geschossen hatten, sei – wie in Fällen von polizeilichem Schusswaffengebrauch üblich – ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Anwohnerinnen und Anwohner waren Zeugen der Geschehnisse geworden. Nach Angaben einer Polizeisprecherin werden Betroffene auch psychologisch betreut.

Mit der in solchen Fällen üblichen Aufarbeitung des Schusswaffengebrauchs werde sich die Staatsanwaltschaft Magdeburg beschäftigen, wenn die voraussichtlich noch einige Tage andauernden polizeilichen Ermittlungen beendet sind, sagte Baumgarten. Darauf werde der Fokus liegen. Nach derzeitigem Stand sehe er keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schüsse zweier Beamte auf den Angreifer unrechtmäßig abgegeben wurden.

Wie es den Verletzten nach der Tat ging, ist weiter unklar. Auch machte die Polizei am Sonntag vorerst keine weiteren Angaben zu dem Fall – etwa, ob es neue Hinweise zum Motiv des Täters gibt. Für den Nachmittag ist in Magdeburg eine Pressekonferenz geplant.

Bestürzung bei Innenministerin

Auch Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang reagierte bestürzt. „Ich bin zutiefst entsetzt über den unberechenbaren und schrecklichen Angriff. Meine Gedanken sind bei den Opfern und allen Beteiligten, die nicht nur körperliche, sondern auch psychische Schäden davontragen“, sagte die CDU-Politikerin. Die Innenministerin verwies darauf, dass die Polizeipräsenz im Land nach dem Vorfall erhöht wurde. Zudem liefen „umfangreiche und konzentrierte“ Ermittlungen.

dpa

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