
Update 6.2., 6.25 Uhr: Nach heftiger internationaler Kritik an den Plänen von US-Präsident Donald Trump zur Zukunft des Gazastreifens versucht die Regierung in Washington, die Wogen zu glätten. Außenminister Marco Rubio, der nationale Sicherheitsberater Mike Waltz und die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, bemühten sich, Trumps Aussagen zur Umsiedlung von zwei Millionen Palästinensern zu entschärfen und die Möglichkeit eines US-Militäreinsatzes zu relativieren.
Der US-Präsident hatte am Vortag bei einer Pressekonferenz an der Seite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verkündet, die USA würden den Gazastreifen „übernehmen“ und in eine wirtschaftlich florierende „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln. Dabei wiederholte er seine frühere Aussage, die rund zwei Millionen Menschen, die dort leben, müssten das Gebiet verlassen. Nach Trumps Willen sollen sie künftig in anderen arabischen Staaten der Region unterkommen.
„Das war nicht als feindseliger Schritt gedacht“, sagte Rubio während eines Besuchs in Guatemala. Er sprach im Gegenteil von einem „sehr großzügigen Angebot“ des Präsidenten. Rubio erklärte, es gehe den USA lediglich darum, das Küstengebiet wieder bewohnbar zu machen. In dieser Zeit könnten die Palästinenser dort aber nicht leben. Unter anderem Israels Nachbarn Ägypten und Jordanien lehnen eine Umsiedlung der Palästinenser aus dem Gazastreifen ab.
Weißes Haus: Keine US-Steuergelder für Wiederaufbau
Die Sprecherin des Weißen Hauses bemühte sich ebenfalls, die Konsequenzen von Trumps ambitioniertem Ansinnen herunterzuspielen. Trumps Plan bedeute „nicht, dass die amerikanischen Steuerzahler diese Bemühungen finanzieren werden“, erklärte Leavitt. „Es bedeutet, dass Donald Trump – der beste Geschäftemacher der Welt – entsprechende Vereinbarungen mit Partnern in der Region treffen wird.“
US-Sicherheitsberater Waltz legte in einem Interview des Fernsehsenders CBS nahe, dass Trumps Plan nicht in Stein gemeißelt sei und rief die Verbündeten in der Region dazu auf, eigene Pläne vorzulegen. „Die Tatsache, dass niemand eine realistische Lösung hat und er einige sehr mutige, frische, neue Ideen auf den Tisch legt, sollte meiner Meinung nach in keiner Weise kritisiert werden“, sagte er. „Es wird die gesamte Region dazu bringen, eigene Lösungen zu finden, wenn ihr Trumps Lösung nicht gefällt.“
Massive Kritik an Trumps Gaza-Plänen
Update 5.2., 13.55 Uhr: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte nach Angaben seines Büros, man werde nach Jahrzehnten des Kampfes und der Opfer die Rechte des palästinensischen Volkes nicht aufgeben. Der Gazastreifen sei „ein integraler Teil des Landes des Staates Palästina, einschließlich des Westjordanlands und Ost-Jerusalems, die seit 1967 besetzt sind“.
Auf eine Zweistaatenlösung pochte Hussein al-Scheich, Generalsekretär des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO. „Alle Aufrufe zur Vertreibung des palästinensischen Volkes aus seinem Heimatland“ weise man zurück. „Wir sind hier geboren, wir haben hier gelebt, und wir werden hier bleiben.“ Saudi-Arabien bekräftigte erneut seine Unterstützung für die Palästinenser.
Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten. Die islamistische Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte, warf Trump Rassismus vor und einen unverhohlenen Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen nationalen Rechte zu verweigern.
Baerbock: „inakzeptabel und völkerrechtswidrig“
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte: „Gaza gehört – ebenso wie die Westbank und Ostjerusalem – den Palästinenserinnen und Palästinensern.“ Eine Vertreibung nannte sie „inakzeptabel und völkerrechtswidrig“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich skeptisch zu Trumps Überlegungen. „Ich höre hier in der Region nur Bedenken“, sagte er bei einem Treffen mit Jordaniens König Abdullah II. in Amman.
Kritisch äußerte sich auch Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft: „Trumps disruptiver Plan für Gaza ignoriert das Völkerrecht.“ Zugleich sagte er aber auch: „Ob die Absicht mehr war, als alle Gewissheiten im Nahen Osten infrage zu stellen, wird sich zeigen.“
Frankreichs Außenministerium teilte mit, der Gazastreifen dürfe nicht unter fremde Kontrolle geraten. Auch Spaniens Außenminister José Manuel Albares sagte: „Gaza gehört den Palästinensern, die dort leben.“ Auch das chinesische Außenministerium lehnte Trumps Pläne als Zwangsumsiedlungen ab.
Kritik an Trumps Gaza-Plan
Update 5.2., 12.50 Uhr: Zustimmung und Skepsis in den eigenen Reihen, heftige Kritik von der Opposition: Die Pläne von Präsident Donald Trump, den Gazastreifen unter Kontrolle der USA zu bringen und die dort lebenden Menschen zwangsweise umzusiedeln, sorgen für viel Aufregung im eigenen Land.
Trumps Außenminister Marco Rubio unterstützte die Vorschläge des Präsidenten. Die USA seien bereit, „Gaza wieder schönzumachen“, schrieb Rubio auf der Plattform X. Das Ziel sei ein dauerhafter Frieden für alle Menschen in der Region.
Aber aus dem Lager der Republikaner wurde auch Skepsis laut. Der republikanische Senator Lindsey Graham nannte den Vorschlag „problematisch“ berichten US-Medien übereinstimmend. Er habe Zweifel daran, dass seine Wähler sich über eine Entsendung von US-Soldaten in den Gazastreifen freuen würden, sagte der derzeitige Vorsitzende des Haushaltsausschusses im US-Senat.
Die palästinensisch-amerikanische Abgeordnete Rashida Tlaib verurteilte ebenfalls Trumps Pläne. „Dieser Präsident ruft offen zu ethnischer Säuberung auf, während er neben einem völkermordenden Kriegsverbrecher sitzt“, schrieb sie auf X. Trump habe keine Probleme, arbeitenden Amerikanern Bundesmittel zu streichen, während Israel weiter finanziell unterstützt werde, ergänzte die Demokratin.
Es sei kein ernsthafter Vorschlag, sagte Dan Shapiro, der unter Präsident Barack Obama US-Botschafter in Israel war. Der Plan sei mit massiven Kosten verbunden und habe keine Unterstützung vonseiten wichtiger Partner in der Region, sagte Shapiro dem „Wall Street Journal“.
This president is openly calling for ethnic cleansing while sitting next to a genocidal war criminal. He’s perfectly fine cutting off working Americans from federal funds while the funding to the Israeli government continues flowing. https://t.co/Pw86wA8kOF
— Congresswoman Rashida Tlaib (@RepRashida) February 4, 2025
US-Senator zu Trumps Plänen: „Ethnische Säuberung“
Update 5.2., 8.20 Uhr: Der demokratische Senator Chris Van Hollen wertet den Plan von US-Präsident Donald Trump, den Gazastreifen unter Kontrolle der USA zu bringen und die dort lebenden Menschen zwangsweise umzusiedeln, als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs.
„Ich denke, wir müssen wiederholen, was der Präsident der Vereinigten Staaten gerade gesagt hat“, sagte Van Hollen beim US-Sender MSNBC kurz nach der denkwürdigen Pressekonferenz Trumps an der Seite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. „Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben – so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung.“
Van Hollen bezeichnete Trumps Plan als „in vielerlei Hinsicht verabscheuungswürdig“ und warnte, dass der Republikaner mit seinen Aussagen die Sicherheit von US-Soldaten und Botschaftspersonal in der Region massiv gefährde. „Das ist die wohl gefährlichste und giftigste Mischung von Ideen, die man aktuell zusammenbringen könnte. Und deshalb wird es ein Moment großer Gefahr für Amerikaner sein“, erklärte der Senator. Trump eskaliere die ohnehin angespannte Lage im Nahen Osten: „Was der Präsident hier tut, ist im Grunde, ein Streichholz in eine bereits äußerst volatile Region zu werfen.“
Trump will Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen
Erstmeldung: US-Präsident Donald Trump schockt mit einem neuen Vorstoß zum Nahost-Konflikt. Der 78-Jährige will, dass die Vereinigten Staaten die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen und das vom Krieg zerstörte palästinensische Küstengebiet wirtschaftlich entwickeln. „Die USA werden den Gazastreifen übernehmen“, sagte Trump nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu im Weißen Haus in Washington. „Wir werden ihn besitzen“, betonte er – und schloss nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne im Zweifel auch US-Truppen dorthin zu schicken. Aus dem Gazastreifen könne so eine „Riviera des Nahen Ostens“ werden.
Die rund zwei Millionen Palästinenser, für die der Gazastreifen ihre Heimat ist, sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben. Diesen Vorschlag vertritt der Republikaner bereits seit einer Weile und stößt damit auf viel Kritik. Dass er dies nun zu einer Geschäftsidee weiterdreht, dürfte große Proteste auslösen. Ebenso wie die Drohung, im Zweifel auch das Militär einzuschalten. Auf die Frage, ob er US-Truppen in den Küstenstreifen entsenden würde, um das Sicherheitsvakuum zu füllen, sagte Trump: „Wenn es notwendig ist, werden wir das tun.“
Das Trümmerfeld Gaza
Der Gazastreifen ist ein 365 Quadratkilometer großes Gebiet am Mittelmeer zwischen Israel und Ägypten. Das abgeriegelte Küstengebiet, in dem schon vorher äußerst schwierige Lebensbedingungen für die Zivilbevölkerung herrschten, wurde im Krieg zwischen Israel und der Hamas in ein Trümmerfeld verwandelt. Auslöser des Krieges war ein verheerendes Massaker der Hamas, bei dem am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 nach Gaza verschleppt wurden. Israels Armee reagierte mit Angriffen auf die Terrorgruppe, die den Gazastreifen in Schutt und Asche legten.
Nach UN-Angaben wurden dort während des Krieges rund zwei Drittel aller Gebäude zerstört oder beschädigt. 90 Prozent der rund 2,1 Millionen Menschen im Gazastreifen wurden zu Binnenflüchtlingen. Nach palästinensischen Angaben, die von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft werden, wurden mehr als 47.000 Menschen getötet.
Trumps Bau-Visionen
Nun schwärmt der US-Präsident und ehemalige Immobilienunternehmer Trump öffentlich, dass ausgerechnet dieses Gebiet immenses Potenzial für Wirtschafts- und Immobilienentwicklung habe. „Ich denke, das Potenzial des Gazastreifens ist unglaublich“, sagte er. Dort könnten künftig Menschen aus aller Welt leben. Das Ganze könne einfach „phänomenal“ und „großartig“ werden – und auch „für die Palästinenser wunderbar“.
Man werde sich darum kümmern, „alle gefährlichen nicht explodierten Bomben und andere Waffen auf dem Gelände zu beseitigen“ und es „einebnen“, um es dann wieder aufzubauen, führte Trump aus. Auf diese Weise sollten „eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet“ geschaffen werden.
Die Idee einer Total-Zwangsumsiedlung
Trump spricht sich schon länger dafür aus, den Gazastreifen komplett zu räumen und die dort lebenden Palästinenser in arabische Länder „umzusiedeln“: etwa nach Ägypten oder Jordanien. Die Umsiedlung von Menschen gegen ihren Willen wird als Zwangsumsiedlung oder Vertreibung bezeichnet.

Trump bemüht sich, es so darzustellen, als sorge er sich allein um das Wohlbefinden der Palästinenser. Er beschreibt das Küstengebiet als schlicht unbewohnbar. Alles dort sei zerstört. „Es ist unsicher, es ist unhygienisch. Es ist kein Ort, an dem Menschen leben wollen.“ Alles gleiche einem „Abrissgebiet“, sagte er. „Diese Gaza-Sache hat nie funktioniert.“ Der Gazastreifen sei nach gut 15 Monaten Krieg ein „elendes Loch“.
„Sie müssen uns erst umbringen“
Die Idee einer Zwangsumsiedlung der Palästinenser sorgte bereits vor der denkwürdigen Pressekonferenz für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoß ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten. Die islamistische Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte, warf Trump „Rassismus“ vor und einen unverhohlenen Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen nationalen Rechte zu verweigern.
Vor allem aber die Menschen im Gazastreifen reagierten wütend auf Trumps Ansinnen, sie von dort zu vertreiben. Abdel Aziz Hana, ein Palästinenser aus Gaza, sagte: „15 Monate lang habe ich die Bombardierungen und Zerstörungen in Gaza-Stadt ertragen.“ Er habe Dutzende Verwandte und geliebte Menschen verloren, weil sie den Gazastreifen nicht hätten verlassen dürfen, erzählte der 49-jährige Vater von sieben Kindern, der in einem Zelt neben den Trümmern seines Hauses lebt. „Also wie kann so ein dummer Mann denken, dass wir unser Land verlassen werden?“
Ein anderer Einwohner namens Abu Mahmoud sagte, wenn Trump glaube, dass die Palästinenser ihr Land verließen, dann habe er Wahnvorstellungen. „Sie müssen uns erst umbringen“, sagte er, „weder unsere Füße noch unsere Herzen werden Gaza verlassen, selbst wenn wir darin getötet werden“. Die Wut dieser Männer war schon groß, bevor Trump seine Idee weitertrieb und Gaza öffentlich quasi als Badeort der Zukunft anpries. Nun dürfte sie noch wachsen.
Schwiegersohn mit finanziellen Interessen?
Trumps Vorstoß erinnert an eine Äußerung seines Schwiegersohnes Jared Kushner, der das Küstengebiet des Gazastreifens vor einem Jahr als „sehr wertvoll“ bezeichnete. Der Ehemann Ivanka Trumps schlug vor, palästinensische Zivilisten vorübergehend umzusiedeln, um dort „aufzuräumen“. Kushner war während Trumps erster Amtszeit dessen Nahost-Berater und knüpfte enge Bünde zu wichtigen Akteuren in der Region. Kritiker weisen darauf hin, dass Kushner, der in der Immobilienbranche tätig ist, wirtschaftliche Ambitionen im Nahen Osten hat – und zugleich weiter eine einflussreiche Stimme in Trumps Umfeld ist.
Netanjahu begeistert von Trumps „frischen Ideen“
Unterstützung für seine Gaza-Pläne bekommt Trump vom israelischen Ministerpräsidenten. „Er sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war“, sagte Netanjahu bei dem gemeinsamen Auftritt mit Trump. „Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte.“ Netanjahu schwärmte generell über Trumps Abkehr von „konventionellen Denkweisen“ und dessen „frische Ideen“.
Für Netanjahu, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international stark in die Kritik geriet, ist Trumps Rückkehr ein Segen. Der Republikaner empfing ihn als ersten ausländischen Gast seit seinem Amtsantritt. Eine solche Einladung direkt zu Beginn der Amtszeit ist eine starke Geste der Unterstützung für den rechten Ministerpräsidenten, der auf nationaler und internationaler Ebene in den vergangenen Monaten sehr in Bedrängnis geraten ist.
Trumps Pro-Israel-Politik
Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels. Trumps Vorgänger Joe Biden hatte zwar trotz der zunehmenden Kritik am Vorgehen in Gaza zu Israel gehalten, gegenüber Netanjahus Regierung aber deutlich schärfere Töne angeschlagen. Das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu war angespannt und der demokratische US-Präsident ging zeitweise auffallend auf Distanz zu dem Israeli. Trump dagegen ist als enger Verbündeter Netanjahus bekannt.
Bereits in seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) hatte Trump eine Reihe einseitig proisraelischer Entscheidungen getroffen und damit die Palästinenser gegen sich aufgebracht. Seine Positionierung in der Nahost-Politik war bislang also recht vorhersehbar. Doch Trumps neuen Vorstoß haben wohl selbst seine größten Kritiker nicht kommen sehen.
dpa