
Der Bundestag befindet sich nach dem gescheiterten ersten Wahlgang bei der Wahl zum Bundeskanzler im Chaos. Auch die internationalen Medien reagieren überrascht und schockiert. Ein Überblick über die Pressestimmen.
„Vergrößert die Herausforderungen“
Die US-Agentur Associated Press verweist auf die historische Dimension des heutigen Tages: „Seit Kriegsende hat noch nie ein Kanzlerkandidat nicht im ersten Wahlgang gewonnen. Merz benötigte in geheimer Wahl eine Mehrheit von 316 der 630 Stimmen. Er erhielt nur 310 Stimmen – weit weniger als die 328 Sitze, über die seine Koalition verfügt“, schreibt AP. Die Agentur bemerkt außerdem: „Merz‘ Scheitern bei der Wahl vergrößert die Herausforderungen, die vor ihm liegen. Wer auch immer zum Kanzler gewählt wird, wird sich Fragen über die Zukunft der rechtsextremen, einwanderungsfeindlichen Partei Alternative für Deutschland, auch bekannt als AfD, stellen müssen.“
„Rückschlag wahrscheinlich nur vorübergehend“
Die „New York Times“ merkt an: „Der Rückschlag war wahrscheinlich nur vorübergehend: Die Partei von Herrn Merz, ihre Schwesterpartei, die Christlich-Soziale Union, und ihr Koalitionspartner, die Mitte-Links-Sozialdemokraten, haben immer noch genug Stimmen, um einen Kanzler zu wählen und eine Regierung zu bilden. Merz muss nun Druck auf die sechs Nichtwähler seiner Koalition ausüben, damit sie ihn in einem zweiten Wahlgang unterstützen.“
„Das Ergebnis stürzt Deutschland in ein weiteres politisches Chaos“
Der US-Sender CNN schreibt: „Es wird erwartet, dass er letztendlich einen Weg zur Macht finden wird, aber das Ergebnis stürzt Deutschland in ein weiteres politisches Chaos. Die Wahl im Februar leitete eine wochenlange Phase des Politisierens und Verhandelns ein, in der das Establishment des Landes durch die Angriffe der aufständischen rechtsextremen AfD-Partei und der sich immer stärker einmischenden Trump-Administration aufgerieben wurde. Die Deutschen hatten erwartet, dass die Parlamentsabstimmung vom Dienstag diese Unsicherheit beseitigen würde. Stattdessen riss sie neue Probleme auf.“
„Ein solches Scheitern ist beispiellos“
Die italienische Zeitung „Corriere della Sera“ aus Mailand schreibt: „Ein solches Scheitern ist beispiellos: Deutschland befindet sich in einer noch nie dagewesenen Situation, aus der Merz stark geschwächt hervorgeht. Es sollte ein Triumph werden – im Bundestag standen sogar ausländische Delegationen bereit, um den neuen Kanzler zu beglückwünschen – und stattdessen ist es ein Tag des Chaos, der Deutschland erstaunt und seine europäischen Verbündeten verwirrt und besorgt zurücklässt.“
„Zu viele erste Male“
Die tschechische Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ aus Prag kommentiert: „Es gibt für alles ein erstes Mal, aber in Deutschland gibt es in letzter Zeit irgendwie zu viele erste Male. Bei den Wahlen in diesem Jahr kam die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) auf den zweiten Platz und liegt nun einigen Umfragen zufolge sogar in den Präferenzen vorn. Die deutsche Wirtschaft befindet sich möglicherweise das dritte Jahr in Folge in der Rezession. Und nun hat das deutsche Parlament keinen Bundeskanzler gewählt, was seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr vorgekommen ist.“