Mobbing im Netz Eine halbe Million Schüler hat deswegen schon über Suizid nachgedacht

Ein Junge sitzt am Fenster und schaut auf sein Handy.
Ein Junge sitzt am Fenster und schaut auf sein Handy. © picture alliance/dpa
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Beschimpfungen, Beleidigungen, Ausgrenzung, Gerüchte und die Verbreitung peinlicher Fotos: Das sind nur einige Beispiele dafür, wie Kinder und Jugendliche im Netz gemobbt werden. Nach einer aktuellen Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing haben rund zwei Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland damit bereits Erfahrung machen müssen. Mit 18,5 Prozent sind das knapp 2 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Befragung im Jahr 2022.

Hinzu kommt die hohe Zahl von 500.000 Schülerinnen und Schüler, die aufgrund des Mobbings schon einmal darüber nachgedacht haben, sich das Leben zu nehmen. Die Gewalt an Schulen sei stark gestiegen, sagt der Vorsitzende des Bündnisses, Uwe Leest. „Da müssen wir ganz genau draufschauen, damit uns das nicht entgleist.“

Die Mehrheit der Kinder kennt ihren Mobber

Für die fünfte sogenannte Cyberlifestudie hat das Bündnis zwischen April und Juni dieses Jahres 4213 Schülerinnen und Schüler im Alter von sieben bis 20 Jahren, 1061 Eltern und 637 Lehrerinnen und Lehrer befragt. Eine zentrale Erkenntnis dabei: Cybermobbing findet in den meisten Fällen im schulischen Raum statt. Die meisten der Kinder kennen die mobbende Person, 77 Prozent der Kinder gehen mit den Tätern sogar in eine Klasse.

Dabei geht es längst nicht um harmlose Kommentare: Ein Großteil (57 Prozent) der gemobbten Schülerinnen und Schüler gab an, sich durch das Mobbing verletzt zu fühlen. Bei 13 Prozent führte es sogar so weit, dass die Betroffenen angaben, zu Alkohol, Tabletten oder anderen Drogen gegriffen zu haben. Suizidgefährdet sind laut der Studie 26 Prozent der bereits gemobbten Schülerinnen und Schüler. „Eine sehr erschreckende Zahl, die in den letzten Jahren leider weiter gestiegen ist“, sagt Leest. Bei der Erhebung 2022 waren es 24 Prozent.

Von den befragten Eltern gab rund ein Viertel an, dass das Cybermobbing im Umfeld ihres Kindes in den letzten zwölf Monaten zugenommen habe. Knapp die Hälfte begründet dies mit einer höheren Internetnutzung, den sozialen Medien oder Smartphones. Jeweils 42 Prozent sagen, dass die Hemmschwelle für Mobbing gesunken sei und es allgemein eine höhere Gewaltbereitschaft oder Tendenz der Verrohung gäbe. Viele Eltern tauschen sich zudem mit Freunden und Bekannten über das Thema aus. Aber: Nur 49 Prozent fühlen sich gut informiert über die strafrechtliche Verfolgung, die Tätern droht.

Auch Lehrer werden immer häufiger Opfer von Cybermobbing

Laut den Autoren der Studie findet sich Cybermobbing in allen Schulformen wieder. 84 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten mit Fällen in Berührung gekommen zu sein, ein Anstieg um 17 Prozentpunkte. Es beginnt dabei immer häufiger bereits in der Grundschule. Nur 45 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer kennen noch keinen Cybermobbingfall an ihrer Grundschule – vor zwei Jahren lag dieser Wert bei 70 Prozent.

Viele Lehrkräfte sehen sich den Herausforderungen häufig nicht mehr gewachsen. 65 Prozent von ihnen sagen aus, dass sie befürchten, die vor ihnen liegenden Aufgaben bezüglicher neuer Medien immer schwieriger bewältigen zu können. Dabei geht es allerdings nicht ausschließlich um Cybermobbing, sondern auch um sexuelle Gewalt im Netz und den Einsatz neuer Medien in der Schule.

Hoffen auf ein mögliches Cybermobbing-Gesetz

65 Prozent der Lehrkräfte sind der Meinung, dass der Staat viel mehr gegen Mobbing und Cybermobbing unternehmen müsste. Viele erhoffen sich damit einen besseren Schutz für die Opfer und dass klare und einheitliche gesetzliche Regelungen geschaffen werden können.

Auch die Macher der Studie sprechen sich für ein Cybermobbing-Gesetz aus. Sie fordern zudem eine verstärkte Präventionsarbeit an Schulen. Diese müsse schon in der Grundschule, spätestens in der dritten oder vierten Klasse, beginnen. „Das, was wir im schulischen Bereich gegen Mobbing tun, ist bei Weitem nicht ausreichend“, so der Bündnisvorsitzende Leest. „Wir müssen stärker hinschauen und das Thema Prävention als eine Kernaufgabe nehmen.“

Zum Thema
Haben Sie Suizidgedanken? Dann wenden Sie sich bitte an folgende Rufnummern:

Telefonhotline (kostenfrei, 24 h), auch Auskunft über lokale Hilfsdienste:

(0800) 111 0 111 (ev.)

(0800) 111 0 222 (rk.)

(0800) 111 0 333 (für Kinder/Jugendliche)

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