Russische Invasion Krieg in der Ukraine: Video zeigt Kriegsverbrechen, Russland setzt Luftangriffe fort

Ukrainische Flüchtlinge schlafen in einer provisorischen Unterkunft am Hauptbahnhof von Lwiw.
Ukrainische Flüchtlinge schlafen in einer provisorischen Unterkunft am Hauptbahnhof von Lwiw. © Dominika Zarzycka/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert wegen der Kriegsgräuel von Butscha noch härtere Sanktionen des Westens gegen Russland. Diese müssten der Schwere der „Kriegsverbrechen“ angemessen sein, sagte Selenskyj.

Die US-Regierung befürchtet die Entdeckung weiterer Untaten und plant bereits weitere Strafmaßnahmen gegen Moskau, darunter ein Investitionsverbot. Europa erwägt einen Importstopp für Kohle und damit erstmals ein Teilembargo gegen russische Energie.

Nach dem Rückzug russischer Truppen aus dem Gebiet nordwestlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew hatten Aufnahmen von Leichen auf den Straßen des Vororts Butscha international für Entsetzen gesorgt. Die Ukraine macht russische Truppen für die Gräueltaten verantwortlich. Moskau bestreitet die Vorwürfe und spricht von einer Inszenierung, allerdings ohne Beweise oder Belege.

Ukrainische Soldaten in Borodjanka singen ein patriotisches Lied.
Ukrainische Soldaten in Borodjanka singen ein patriotisches Lied.© Vadim Ghirda/AP/dpa

Zeitung veröffentlicht Videoaufnahme

Die „New York Times“ veröffentlichte in der Nacht von ihr verifizierte Videoaufnahmen, die tödliche Schüsse russischer Soldaten auf einen Zivilisten in Butscha belegen sollen. Das ukrainische Video stamme von Ende Februar – kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Die Militärverwaltung von Hostomel – eines Nachbarorts von Butscha – erklärte laut lokalen Medien, dort würden nach der russischen Besatzung rund 400 Bewohner vermisst. Mehrere Bewohner von Hostomel seien auch in Butscha gefunden worden.

Aus Sicht der US-Regierung sind die Gräueltaten von Butscha womöglich nur „die Spitze des Eisbergs“. In Gebieten in der Ukraine, zu denen es noch keinen Zugang gebe, hätten russische Truppen „wahrscheinlich auch Gräueltaten begangen“, sagte Regierungssprecherin Jen Psaki.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Staatsoberhaupt Selenskyj Unterstützung für die Aufklärung der Gräueltaten zu, unter anderem in Form einer Sonderzahlung an den Internationalen Strafgerichtshof.

Russische Armee setzt Luftangriffe fort

Die russischen Truppen haben nach eigenen Angaben ihre Luftangriffe auf Ziele in der Ukraine fortgesetzt. Dabei seien ein Flugabwehrraketensystem vom Typ Osa, fünf Munitions- und Treibstofflager sowie elf Militärstützpunkte der ukrainischen Armee zerstört worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Insgesamt habe die russische Armee 24 militärische Ziele im Nachbarland getroffen. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Allerdings bestätigte die Ukraine Raketeneinschläge in den Gebieten Lwiw, Winnyzja und Dnipro. Im ostukrainischen Gebiet Dnipro soll dabei ein Treibstofflager getroffen worden sein.

Die ostukrainische Großstadt Charkiw ist nach Behördenangaben in der Nacht wieder Ziel zahlreicher Attacken der russischen Streitkräfte gewesen. Es habe 27 Angriffe mit verschiedenen Waffen gegeben, schrieb der Gouverneur des gleichnamigen Gebiets, Oleh Synjehubow, im Nachrichtendienst Telegram. Die zweitgrößte Stadt des Landes steht seit Kriegsbeginn am 24. Februar fast ununterbrochen unter Beschuss.

London: Humanitäre Lage in Mariupol verschlechtert sich

Die humanitäre Situation für die Menschen in der von russischen Truppen eingeschlossenen ukrainischen Stadt Mariupol verschlechtert sich britischen Angaben zufolge. In der schwer umkämpften Hafenstadt am Asowschen Meer hielten sich noch immer 160.000 Einwohner auf, hieß es in einer Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter. Die meisten davon hätten weder Licht und Kommunikationsmittel oder Medikamente, Heizung oder Wasser. Die Verantwortung dafür sieht London bei Moskau: „Russische Kräfte haben den Zugang für humanitäre Hilfe verhindert. Wahrscheinlich, um die Verteidiger zur Aufgabe zu bringen“, so die Mitteilung weiter. Heftige Kämpfe und Luftschläge würden unterdessen andauern.

Menschen radeln in Borodjanka an einem zerstörten Wohnhaus vorbei.
Menschen radeln in Borodjanka an einem zerstörten Wohnhaus vorbei.© Vadim Ghirda/AP/dpa

Lawrow: Sabotage der Verhandlungen mit Russland

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte die Ukraine vor einer Sabotage der Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew für eine Ende der Kämpfe. Russland werde sich nicht auf ein „Katz-und-Maus-Spiel“ einlassen wie in den vergangenen Jahren bei dem Friedensplan für die Ostukraine, sagte Lawrow in einem von seinem Ministerium verbreiteten Video. Er meinte zudem, die Lage in Butscha werde benutzt, um von den Verhandlungen abzulenken.

USA: Werden alle Investitionen in Russland verbieten

Der Westen bereitet wegen der Kriegsgräuel neue Strafmaßnahmen gegen Moskau vor. US-Regierungssprecherin Psaki sprach nicht nur von einem Verbot aller neuen Investitionen in Russland. Zudem sollen bestehende Sanktionen gegen russische Banken und staatliche Unternehmen verschärft und weitere Personen aus der russischen Führung und deren Familienmitglieder mit Strafmaßnahmen belegt werden. Die Sanktionen würden in enger Abstimmung mit den Partnern in Europa und den übrigen Staaten der G7-Gruppe eingeführt. Die EU-Kommission hatte gestern erstmals auch einen Importstopp für russische Kohle vorgeschlagen.

Klingbeil: Weitere Waffenlieferungen an Ukraine prüfen

SPD-Chef Lars Klingbeil kündigte an, die Bundesregierung werde auch weitere Waffenlieferungen an die Ukraine prüfen. „Wir haben gerade in diesen Tagen gesehen, was Putin für ein furchtbarer Kriegsverbrecher ist, das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben“, sagte Klingbeil in der Sendung „RTL Direkt“ gestern Abend. Es müsse in großem Tempo geprüft werden, was noch geliefert werden könne.

Das wird heute wichtig

Der Bundestag debattiert über die Gräueltaten von Butscha. Davor wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vom Parlament befragt.

Abends kommen die Außenminister der 30 Nato-Staaten in Brüssel zusammen. Es geht unter anderem um eine Verstärkung der Nato-Ostflanke. Dafür warb bereits der US-Generalstabschef Mark Milley im US-Kongress. Russland lehnt dies kategorisch ab.

dpa

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