Netanjahu wirft Chefankläger Antisemitismus vor Auswärtiges Amt reagiert auf Haftbefehl-Antrag

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH).
Der Chefankläger wirft Israel unter anderem das Aushungern von Zivilisten im Gaza-Krieg vor. Die Richter sollen Haftbefehle gegen Israels Premier und auch gegen die Hamas-Führung ausstellen. © Peter Dejong/AP/dpa
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Update 21.5., 16.36 Uhr: Mit außergewöhnlich scharfer Kritik hat Israel auf einen Antrag des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf Haftbefehle reagiert. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte Karim Khan einen „der großen Antisemiten der Moderne“.

Khan hatte zuvor Haftbefehle gegen Netanjahu und Verteidigungsminister Joav sowie drei Anführer der palästinensischen Terrororganisation Hamas wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt. Unterstützung bekam Israel von seinem wichtigsten Verbündeten, den USA. Andere wie etwa Frankreich stärkten dem Strafgerichtshof den Rücken.

Weder die USA noch Israel erkennen den Strafgerichtshof an. Die palästinensischen Gebiete aber sind Vertragsstaat. Daher darf Khan auch ermitteln. Ob die Haftbefehle tatsächlich erlassen werden, müssen nun die Richter entscheiden. Wenn sie die Tatvorwürfe als bestätigt ansehen, kann das Hauptverfahren gegen die Beschuldigten eingeleitet werden.

Auswärtiges Amt äußert sich zu beantragtem Haftbefehl

Khans gleichzeitiges Vorgehen gegen die Hamas und Israel hat nach Einschätzung des Auswärtigen Amts jedoch ein falsches Bild entstehen lassen. „Durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und die beiden israelischen Amtsträger auf der anderen Seite ist der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden“, sagte ein Außenamtssprecher am Pfingstmontag in Berlin.

Verteidigungsminister Galant sagte am Dienstag, Khan ziehe eine „abscheuliche Parallele“ zwischen Israel und der Hamas. Israel kämpfe gegen eine brutale Terrororganisation, die Gräuel an israelischen Kindern, Frauen und Männern begangen habe und die jetzt ihr eigenes Volk als Schutzschild missbrauche.

Netanjahu sagte, Khan gieße mit seiner Entscheidung „hartherzig Öl in die Feuer des Antisemitismus, die auf der ganzen Welt wüten“. Er verglich Khan sogar mit den NS-Scharfrichtern und warf ihm „Blutverleumdung“ vor – dieser auch als Ritualmordlegende bekannte Begriff bezieht sich auf antisemitische falsche Anschuldigungen gegen Juden seit dem Mittelalter.

Die USA nahmen ihren Verbündeten demonstrativ gegen die Vorwürfe in Schutz. „Entgegen den Anschuldigungen des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel handelt es sich nicht um Völkermord“, sagte US-Präsident Joe Biden am Montag im Rosengarten des Weißen Hauses anlässlich einer Feier für die Errungenschaften amerikanischer Juden in den die USA. „Wir weisen das zurück. Wir stehen an der Seite Israels.“ Es gebe keine Gleichwertigkeit zwischen Israel und der – von den USA als Terrororganisation eingestuften – islamistischen Hamas.

Ausgangsmeldung 20.5., 13.40 Uhr: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und gegen den Anführer der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, beantragt. Das teilte der Gerichtshof in Den Haag mit.

Chefankläger Karim Khan verfolgt Verbrechen während des Gaza-Krieges. Weitere Haftbefehle will Khan laut Mitteilung des IStGH gegen Israels Verteidigungsminister Joav Galant sowie gegen Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif und gegen den Hamas-Auslandschef Ismail Hanija erreichen.

Den Hamas-Führern wirft der Ankläger der Mitteilung zufolge unter anderem „Ausrottung“ sowie Mord, Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Premierminister Netanjahu und Verteidigungsminister Galant wird unter anderem vorgeworfen, für das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung sowie für willkürliche Tötungen und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten verantwortlich zu sein. Ob die beantragten internationalen Haftbefehle erlassen werden, müssen nun die Richter der IStGH entscheiden.

Heftiger Widerstand aus Israel gegen beantragten Haftbefehl

Die israelische Regierung hatte kürzlich bereits Befürchtungen geäußert über mögliche strafrechtliche Verfolgung. Netanjahu schrieb bei X, Israel werde unter seiner Führung „niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben“. Der Regierungschef hatte vor einem „gefährlichen Präzedenzfall“ gewarnt, „der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen“.

„Während die Mörder und Vergewaltiger der Hamas Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen unsere Brüder und Schwestern begehen, erwähnt der Chefankläger im gleichen Atemzug unseren Ministerpräsidenten und Verteidigungsminister, neben den verabscheuungswürdigen Nazi-Monstern der Hamas – eine historische Schande, die für immer in Erinnerung bleiben wird“, sagte Katz nach Angaben seines Büros.

Er habe die sofortige Einrichtung eines Lagezentrums im Außenministerium angeordnet, in dem Spezialisten gegen die Entscheidung kämpfen sollten, deren Hauptziel es sei, „dem Staat Israel die Hände zu binden und ihm das Recht auf Selbstverteidigung zu verwehren“.

Er wolle mit den Außenministern führender Staaten sprechen, damit diese sich gegen die Entscheidung des Chefanklägers wenden „und mitteilen, dass sie auch im Fall von Haftbefehlen diese nicht gegen die Anführer des Staates Israel umsetzen werden“.

Gericht kann keine Haftbefehle vollstrecken

Das Gericht hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle auch zu vollstrecken. Doch ist im Falle einer Vollstreckung die Bewegungsfreiheit der Gesuchten stark eingeschränkt ist. Denn eine Folge der Haftbefehle wäre, dass alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet sind, die Gesuchten festzunehmen und dem Gericht zu übergeben, sobald sie sich in ihrem Land befinden.

Die islamistische Terrororganisation Hamas hat den Antrag kritisiert. „Seine Entscheidung vergleicht das Opfer mit einem Henker und ermutigt die (israelische) Besatzung, den genozidalen Krieg fortzusetzen“, hieß es in einer Stellungnahme der Hamas, die von dem Hamas-nahen TV-Sender Al-Aksa verbreitet wurde.

Bei den Attacken der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Der Terroranschlag war Auslöser für die militärische Offensive Israels im Gazastreifen, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35.500 Menschen getötet worden sind.

dpa

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