
Aus der Titeltraum: Die deutschen Fußballerinnen haben trotz einer großen Energieleistung gegen Weltmeister Spanien das EM-Finale knapp verpasst. Das Team von Bundestrainer Christian Wück wehrte sich lange hartnäckig gegen den Titelfavoriten, musste aber in der 113. Minute das entscheidende Tor zum 0:1 (0:0, 0:0) nach Verlängerung hinnehmen: Weltfußballerin Aitana Bonmati traf und drehte jubelnd ab.
Vor 22.432 Zuschauern im ausverkauften Züricher Letzigrund-Stadion – darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – jubelten die überlegenen Spanierinnen nach einem Abnutzungskampf. Das Team um Starspielerin Bonmati kann nun zwei Jahre nach dem WM-Triumph von Australien erstmals Europameister werden.
Im Endspiel geht es am Sonntag (18.00 Uhr) in Basel gegen Titelverteidiger England. Für die deutsche Auswahl gibt es keine Revanche für die Endspiel-Niederlage 2022 in Wembley gegen die „Lionesses“.

Fußball-Idole Netzer und Hrubesch auf der Tribüne
Über 10.000 Fans feierten die Nationalspielerinnen vier Tage nach dem grandiosen Sieg gegen Frankreich im Elfmeterschießen schon vor dem Anpfiff. Ex-Bundestrainer Horst Hrubesch und Fußball-Legende Günter Netzer waren ebenfalls gekommen und plauderten im Stadionaufgang.
„Wenn sie heute gewinnen, werden sie Europameister“, sagte Netzer über das deutsche Team. Auf der Tribüne saß auch Ann-Katrin Bergers 92 Jahre alter Opa Herbert. Dabei hatte dieser laut der Torhüterin eigentlich gesagt, er komme nur noch zum Finale.

Däbritz ersetzt Nüsken im Mittelfeld
Wück musste seine Elf zum wiederholten Male bei dieser EM mächtig umbauen. Mittelfeldlenkerin Sjoeke Nüsken fehlte wegen ihrer zweiten Gelben Karte. Sarai Linder plagt eine Kapselverletzung und ihre Defensiv-Kollegin Kathrin Hendrich ist nach ihrem viel beachteten Zopfziehen für ein Spiel gesperrt.
So lief der achtmalige Titelgewinner mit Carlotta Wamser als Giulia-Gwinn-Vertreterin auf der rechten Abwehrseite auf, während die etatmäßige Kapitänin mit Knieschiene und als moralische Unterstützung erneut auf der Bank saß. Sara Däbritz, die letzte Verbliebene von den Europameisterinnen 2013, ersetzte Nüsken. Erstmals in der Startformation stand auch Sophia Kleinherne als Innenverteidigerin.
Bundestrainer wollte Spanien „mürbe“ machen
„Wir haben in Janina Minge eine defensive Sechs, die sich in die Abwehr fallen lassen kann. Wir wollen Spanien schon teilweise den Ball überlassen, wir wollen sie aber auch mürbe machen“, erklärte Wück vorab in der ARD. „Für Sarah Däbritz hat ihre Ruhe am Ball gesprochen.“

In allen acht Spielen gegen Spanien zuvor war das DFB-Team ungeschlagen geblieben. In großartiger Erinnerung blieb den deutschen Fans das Bronze-Spiel mit Hrubesch als Trainer bei Olympia 2024 – als Berger tief in der Nachspielzeit einen Elfmeter von Alexia Putellas parierte und den 1:0-Sieg rettete.
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— DFB-Frauen (@DFB_Frauen) July 23, 2025
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Bühl verpasst die große Chance zur Führung
Dass all das im EM-Halbfinale 2025 keine Rolle mehr spielt, machten die Spanierinnen schnell klar. Das Team von Trainerin Montse Tomé ließ den Ball wie gewohnt laufen, die Deutschen hetzten hinterher. Noch bevor sich der Turnierfavorit die erste Chance erspielte, war nach einem weiten Abschlag Bergers plötzlich Klara Bühl durch. Ihr Flachschuss zischte am rechten Pfosten vorbei (8.).
Nach gut 20 Minuten hallten „Ann-Katrin Berger“-Rufe durch die Arena: Die Torfrau lenkte einen Schuss von Ester Gonzalez über die Latte. Ansonsten arbeiteten die deutschen Angreiferinnen, vor allem die in alle Richtungen ausschwärmende Jule Brand, eifrig nach hinten.
DFB-Team rettet sich gerade noch ohne Gegentor in die Kabine
Spanien und Bonmatí eroberten aber immer öfter den gegnerischen Strafraum. Nach einem Eckball köpfte Kapitänin Irene Paredes an den Pfosten – Berger wäre machtlos gewesen (41.). Kurz darauf hielt die Torfrau vom US-Club Gotham FC einen Schuss ihrer Vereinskollegin Esther González. Gerade noch so rettete sich das Wück-Team ohne Gegentor in die Pause.

Nach wenigen Minuten im zweiten Durchgang musste sich Berger der heranstürmenden Ona Batlle entgegenwerfen und ging erst mal zu Boden. Als Bonmatí es mit einem Schlenzer versuchte, brachte gerade noch Kleinherne ein Bein dazwischen.
Bühls Freistoß landet fast im Tor
Spaniens Führungstreffer lag in der Luft, doch erneut hatte Bühl die Chance zur Führung. Torfrau Cata Coll wehrte ihren Ball gerade noch mit den Füßen ab (63.). Wück brachte in Linda Dallmann noch eine offensive Mittelfeldakteurin, an den Offensivszenen der Deutschen blieb jedoch Bühl beteiligt. Bei einem Freistoß der Bayern-Stürmerin aus 21 Metern fehlten nur Zentimeter (85.) – da zuckten die Spanierinnen mächtig zusammen.
In der Nachspielzeit hätte Bühl erneut beinahe getroffen, aber auch den Nachschuss vergab Wamser. Zudem musste Kleinherne verletzt raus. Nach einem missglückten Befreiungsschlag der eingewechselten Sydney Lohmann zeigte Bonmati ihre ganze Klasse und narrte Berger mit einem Schuss aus spitzem Winkel ins kurze Eck.
Berger genarrt, Bühl im Pech: DFB-Team in der Einzelkritik
Ann-Katrin Berger: Strahlte wie gewohnt Ruhe und Sicherheit aus, parierte unter anderem zweimal stark gegen EM-Toptorjägerin González. Bekam beim Gegentor die kurze Ecke nicht mehr zu – ein kleiner, aber entscheidender Fehler.
Carlotta Wamser: Zurück nach Rotsperre, lieferte sie sich auf rechts immer wieder packende Duelle mit Pina, die ihr in Hälfte eins einen frechen Beinschuss verpasste. Hielt mit ihrer Geschwindigkeit aber oft gut dagegen. Hatte in der Nachspielzeit das 1:0 auf dem Fuß, Torhüterin Coll parierte stark.
Sophia Kleinherne: Erster Startelf-Einsatz für die Neu-Wolfsburgerin, die als rechte Innenverteidigerin eine solide Partie ablieferte. Sprang nach der Pause grätschend in einen Bonmatí-Schuss, der womöglich gepasst hätte. Zu Beginn der Verlängerung verletzt ausgewechselt.
Rebecca Knaak: In den Sprintduellen, etwa kurz vor der Pause gegen González, gewohnt unterlegen. Insgesamt aber mit gutem Auge. Haute sich rein und rettete einige Male stark. Grätschte vorm Gegentor aber ins Leere.
Franziska Kett: Die 20-Jährige zahlte in ihrem sechsten Länderspiel viel Lehrgeld. Legte González mit ihrem linken Knie nach 21 Minuten fast das frühe 0:1 auf, verlor auf der linken Abwehrseite einige Duelle. Nicht so stark wie noch gegen Frankreich.
Janina Minge: Die Kapitänin stopfte auf der Sechs viele Lücken, fand aber selten Zugriff auf ihre wendigen Gegenspielerinnen. Im Aufbau mit einigen Fehlpässen. Übernahm nach Kleinhernes Auswechslung deren Position in der Viererkette.
Elisa Senß: Kam selten in die von ihr geliebten Zweikämpfe, weil die Spanierinnen schneller passten, als Senß zupacken konnte. Läuferisch voll auf der Höhe.
Sara Däbritz: Bei dieser EM erstmals von Beginn an eingesetzt. Kassierte in ihrem 111. Länderspiel schon nach 17 Minuten Gelb, musste danach vorsichtiger agieren. Defensiv fleißig, offensiv blass. Für die letzte verbliebene Spielerin der siegreichen EM-Elf von 2013 war nach 64 Minuten Schluss.
Jule Brand: Quirlig, trickreich, stark im Antritt und wie schon gegen Frankreich mit hohem Laufpensum – wenn nach vorn etwas ging, dann fast immer mit Brands Beteiligung. War allerdings oft defensiv gebunden.
Klara Bühl: Der Bayern-Star war oft im Pech. Vergab in der 8. Minute die erste Top-Chance des Spiels, verrannte sich danach gern mal in der spanischen Abwehr. Setzte in der 85. Minute einen Freistoß knapp am Tor vorbei. Und in der Nachspielzeit wischte Coll ihren abgefälschten Schuss weg.
Giovanna Hoffmann: Lauf- und einsatzfreudig, hatte aber einen schwierigen Stand. Oft mit langen Bällen gefüttert, erhielt die Stoßstürmerin wenig Unterstützung. Senste nach knapp einer halben Stunde über den Ball – ihre beste Chance war auch ihre einzige.
Linda Dallmann: Ersetzte Däbritz nach etwas über einer Stunde Spielzeit, sollte als gelernte Spielmacherin die Offensive beleben. War allerdings fast nur gegen den Ball gefordert. Keine dankbare Aufgabe für die Bayern-Spielerin.
Selina Cerci: Rückte ab der 86. Minute für Hoffmann in die Sturmspitze. Nahezu beschäftigungslos angesichts des spanischen Dauerdrucks in der Verlängerung.
Sydney Lohmann: Kam für Kleinherne in der 97. Minute, besetzte die Sechser-Position von Minge und hatte am Ball ein, zwei gute Ideen, die für Entlastung sorgten. Klärte unmittelbar vor dem Gegentor den Ball aber nicht entschlossen genug.
Lea Schüller: Kam in der 114. Minute für ihr 80. Länderspiel und sollte mithelfen, ihr Team nach Bonmatís Tor irgendwie ins Elfmeterschießen zu retten. Hielt aus der Distanz wuchtig drauf, Coll rettete.
dpa