
Update 13.13., 17 Uhr: Nach dem Sturz der alten Regierung haben Menschen in ganz Syrien einen Neubeginn gefeiert. Allein an der Umajaden-Moschee in der Hauptstadt Damaskus versammelten sich nach dem heutigen Freitagsgebet Zehntausende Landesbewohner, wie Augenzeugen berichteten. Laut dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira strömten Syrerinnen und Syrer aus vielen Landesteilen für die Feierlichkeiten in die Hauptstadt.
Der Anführer der Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), Ahmed al-Scharaa, zuvor bekannt unter seinem Kampfnamen als Abu Mohammed al-Dschulani, hatte die Menschen zuvor zum friedvollen Feiern auf großen öffentlichen Plätzen aufgerufen. Eine von HTS angeführte Rebellenallianz hatte am Sonntag den seit 24 Jahren autoritär regierenden Machthaber Baschar al-Assad gestürzt. Assad floh nach Russland, wo ihm Asyl gewährt wurde.
Türkei geht gegen kurdische Milizen vor
Die Türkei will den Druck auf kurdische Milizen in Syrien erhöhen. Seine Regierung werde präventive Schritte gegen alle in Syrien aktiven „Terrororganisationen“ unternehmen, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan laut einer offiziellen Mitteilung nach einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Ankara. Die Türkei bekämpft in Syrien die Kurdenmiliz YPG, die für die USA ein zentraler Partner im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) ist. Ankara betrachtet die YPG jedoch als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Die Türkei wird nach dem Machtwechsel in Syrien als einflussreichster ausländischer Akteur gehandelt. „Ankara verfügt über die stärksten Kommunikationskanäle und arbeitet seit langem mit der islamistischen Gruppe zusammen, die derzeit in Damaskus das Sagen hat“, schrieb die Analystin Gönül Tol in einem Beitrag für Foreign Affairs mit Blick auf die HTS.

Ex-Direktor von Folter-Gefängnis angeklagt
Der frühere Leiter eines berüchtigten Gefängnisses der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde in den USA wegen Foltervorwürfen angeklagt. Dem 72-Jährigen werde zur Last gelegt, seinen Untergebenen befohlen zu haben, politischen und anderen Gefangenen schwere körperliche und seelische Leiden zuzufügen, teilte das US-Justizministerium mit. Manchmal sei er auch persönlich an Folterungen beteiligt gewesen. Medienberichten zufolge war er im Juli dieses Jahres am Flughafen von Los Angeles festgenommen worden.
Der Mann soll unter Assad von etwa 2005 bis 2008 das Zentralgefängnis von Damaskus geleitet haben, das auch als Adra-Gefängnis bekannt ist. In einem „Bestrafungstrakt“ seien auf seine Anweisung hin Häftlinge geschlagen worden, während sie mit ausgestreckten Armen an der Decke hingen. Gefangene seien zudem mit einem als „fliegender Teppich“ bekannten Gerät gefoltert worden, das ihre Körper verdreht und zu unerträglichen Schmerzen bis hin zu Wirbelbrüchen geführt habe.
Russland verliert Einfluss
Russland bereitet laut einer internen Analyse der Bundeswehr den vollständigen Abzug seiner Truppen aus Syrien vor. Der russische Mittelmeerverband habe den Hafen von Tartus bereits verlassen, heißt es in einem Vermerk des Verteidigungsministeriums, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach beziehen sich Sicherheitsgarantien der neuen syrischen Machthaber nach dem Sturz von Baschar al-Assad wohl lediglich auf den geordneten Abzug russischer Streitkräfte und nicht auf eine dauerhafte Präsenz.
Der Militärflughafen Latakia, den Russland bislang ebenso wie den Hafen Tartus als Drehkreuz für die Versorgung seiner Kräfte in Libyen nutzt, stehe ebenfalls zur Disposition. Ein Verlust dieses Stützpunkts könnte die Lufttransporte nach Libyen beeinträchtigen, da längere Flugstrecken weniger Materialkapazität bedeuten. Ohne Zwischenlandungen wären schwere Transporte nur bei weiter bestehenden türkischen Überflugrechten möglich, die innerhalb der Nato jedoch kritisch gesehen werden, heißt es in dem Bericht.
Ex-Offiziere beteiligt an staatlicher Folter
Update 10.12., 9.30 Uhr: Die Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) will die an staatlicher Folter beteiligten Ex-Offiziere in Syrien namentlich in einer Liste nennen und sie als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen. „Wir werden jedem Belohnungen anbieten, der Informationen über ranghohe Offiziere von Armee und Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellt, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren“, teilte HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa mit, der zuvor mit seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dschulani auftrat. In einer ersten Liste sollten die Namen der ranghöchsten beteiligten Ex-Offiziere veröffentlicht werden.
Eine Rebellenallianz unter Führung der HTS hatte am Wochenende die Macht in Syrien übernommen und eine jahrzehntelange Herrschaft der Assad-Familie beendet.
Weiter hieß es in der Erklärung: „Wir werden nicht zögern, die Kriminellen, Mörder, Sicherheits- und Armee-Offiziere zur Rechenschaft zu ziehen, die an der Folter des syrischen Volks beteiligt waren. Wir werden Kriegsverbrecher verfolgen und Länder, in die sie geflohen sind, um deren Überstellung bitten.“
Aktivisten: Israel greift Syriens Militäranlagen massiv an
Update 10.12., 9.30 Uhr: Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad fliegt Israel laut Aktivisten seine bisher schwersten Angriffe in Syrien. Innerhalb weniger als zwölf Stunden habe Israel mehr als 100 Ziele im Land angegriffen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Es seien die „schwersten Angriffe (Israels) in der Geschichte Syriens“, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur. Die Organisation mit Sitz in Großbritannien stützt sich auf Informanten in Syrien.
Mit den Angriffen will Israel offenbar wichtige militärische Anlagen und Fähigkeiten der Assad-Regierung zerstören. Die Luftangriffe hätten Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftflotten getroffen, hieß es. Auch die syrische Luftabwehr sei mit den Angriffen in Damaskus, Homs, Hama, Latakia und Daraa außer Betrieb gesetzt worden.
Debatte um Syrien-Flüchtlinge spaltet Politik
Update 9.12., 16.55 Uhr: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hält es für unseriös, dass manche Politiker in Deutschland wenige Stunden nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad schon über eine womöglich anstehende Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus Deutschland in ihre Heimat spekulieren. „Das Ende der brutalen Gewaltherrschaft des syrischen Diktators Assad ist eine große Erleichterung für viele Menschen, die unter Folter, Mord und Terror gelitten haben“, sagte die Ministerin am Rande eines Besuchs in London.
Viele syrische Flüchtlinge in Deutschland hätten nun endlich wieder eine Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Heimat und den Wiederaufbau ihres Landes. „Aktuell ist die Lage in Syrien aber sehr unübersichtlich. Deshalb sind konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar, und es wäre unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren“, sagte Faeser.
Auch die weitere Bewertung des Schutzstatus der in Deutschland lebenden anerkannten syrischen Flüchtlinge hänge von der weiteren Entwicklung ab. Das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte zuvor einen vorübergehenden Entscheidungsstopp für aktuell noch laufende Asylverfahren syrischer Staatsbürger verhängt. Wenn die Lage klarer sei, werde das Amt seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen, sagte Faeser.
CDU-Politiker Spahn will 1000 Euro an Rückkehrer zahlen
Update 9.12., 14.34 Uhr: CDU-Politiker Jens Spahn fordert in der ntv-Sendung Frühstart, dass die Bundesregierung syrischen Flüchtlingen dabei helfen sollte, in ihr Heimatland zurückzukehren.
„Ich würde in einem ersten Schritt mal sagen, wir machen ein Angebot. Wie wäre es, wenn die Bundesregierung sagt: Jeder, der zurückwill nach Syrien, für den chartern wir Maschinen, der bekommt ein Startgeld von 1000 Euro“, sagte Spahn. „Und zum Zweiten würde ich mir wünschen, dass Deutschland zusammen mit Österreich, der Türkei und Jordanien – das sind die vier Länder, die die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen haben – jetzt schnell in Kontakt tritt, dass man plant, vielleicht fürs Frühjahr eine Wiederaufbau- und Rückkehrkonferenz“, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsparteien im Bundestag weiter.
EU-Kommission empfiehlt derzeit keine Rückkehr nach Syrien
Update 9.12., 14.29 Uhr: Die EU-Kommission hat vor allzu großen Hoffnungen auf schnelle und unproblematische Rückkehrmöglichkeiten für Flüchtlinge nach Syrien gewarnt, wie die Tagesschau berichtet. Die Bedingungen für eine sichere und würdevolle Rückkehr nach Syrien seien nach derzeitiger Einschätzung momentan nicht gegeben, so ein Sprecher in Brüssel. Mit dieser Linie sei man sich einig mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR).
Die aktuelle Lage sei von großer Hoffnung, aber auch von großer Unsicherheit geprägt. Es werde an jedem Einzelnen und an jeder Familie sein, zu entscheiden, was sie tun möchte. Der Sprecher machte damit auch deutlich, dass es aus Sicht der Kommission bis auf weiteres keine Abschiebungen geben sollte.
Berlin: Mann mit syrischer Fahne zusammengeschlagen
Update 9.12., 14.15 Uhr: Ein junger Mann mit einer syrischen Fahne um die Schultern ist nach Angaben der Polizei in Berlin von einer Gruppe von Männern angegriffen und zusammengeschlagen worden. Der 26-jährige Mann sei nach eigener Aussage von den fünf Tätern am späten Sonntagabend in Treptow bewusstlos geschlagen worden, teilte die Polizei am Montag mit. Ein Passant habe die Polizei alarmiert. Mit Platzwunden im Gesicht und Blutergüssen wurde der Mann in ein Krankenhaus gebracht.
Der 26-Jährige kam nach eigenen Angaben gegen 23.40 Uhr von einer Bushaltestelle an der Köpenicker Landstraße. In Höhe des Dammwegs soll dann ein Auto angehalten haben. Fünf Männer, die nach Angaben des Opfers libanesisches Arabisch sprachen, hätten auf ihn eingeschlagen und getreten, bis er das Bewusstsein verlor.
Nach dem Zusammenbruch des Regimes in Syrien hatten am Sonntag auch in Berlin auf den Straßen viele Syrer gemeinsam demonstriert und den Sieg der Aufständischen gefeiert.
Deutschland stoppt Entscheidung über Asylanträge von Syrern
Update 9.12., 12.23 Uhr: Wegen der Lage in Syrien hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge laut einem Spiegel-Bericht an diesem Montag einen sofortigen Entscheidungsstopp für Asylanträge von Syrerinnen und Syrern erlassen. Die Lage in Syrien sei unübersichtlich, wie es dort politisch weitergehe, sei zu schwer abzusehen, erklärte ein Sprecher dem Spiegel. Aus diesem Grund könne man zurzeit keine seriösen Einschätzungen vornehmen. Jede Entscheidung stünde sonst „auf tönernen Füßen“.
Betroffen seien laut dem Spiegel 47.270 Asylanträge von Syrern, die noch nicht entschieden sind, darunter rund 46.000 Erstanträge. Für bestehende Entscheidungen habe die neue Lage in Syrien dagegen derzeit keine Auswirkungen.
Russland behält Militärbasen vorerst in Syrien
Update 9.12., 11.58 Uhr: Russland will nach der Entmachtung von Baschar al-Assad seine Militärbasen in Syrien vorerst behalten und mit der künftigen Führung deren Verbleib besprechen. „Wir sehen eine Periode der Transformation, der extremen Instabilität, also wird es natürlich Zeit brauchen, und dann wird es ein ernsthaftes Gespräch mit denen brauchen, die an die Macht kommen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Er äußerte sich zu einer Frage, ob Russland seine Präsenz dort behalten wolle. Russland unterhält in Syrien unter anderem eine Luftwaffen- und eine Marinebasis.
Es sei nun wichtig, die Frage der Sicherheit des russischen Militärs in Syrien zu klären, sagte Peskow. Die russischen Soldaten ergriffen selbst alle Vorsichtsmaßnahmen. Details nannte der Kremlsprecher nicht.
Kreml: Putin traf selbst Entscheidung über Asyl für Assad
Update 9.12., 11.50 Uhr: Kremlchef Wladimir Putin, der sich immer wieder mit Assad traf, habe die Entscheidung getroffen, die Familie in Russland aufzunehmen, sagte Peskow. Ein offizielles Treffen mit dem entmachteten Politiker sei bisher nicht geplant. Er machte auch keine Angaben dazu, wo genau sich die Assads aufhalten. Russland hat immer wieder gefallenen autoritären Staatsmännern Asyl gewährt.
Natürlich sei es wichtig, den Dialog mit allen Ländern der Region aufrechtzuerhalten, sagte Peskow. „Wir sind fest entschlossen, dies zu tun.“ Auch mit der Türkei stehe Russland zu Syrien im Dialog.
Großbritannien prüft HTS-Verbot
Update 9.12., 10.30 Uhr: Großbritannien könnte laut der Tagesschau ein bestehendes Verbot der syrischen Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) überdenken, wie Minister Pat McFadden ankündigt. „Wir werden das in Betracht ziehen. Es wird teilweise davon abhängen, wie sich diese Gruppe nun verhält“, sagte McFadden im Sender Sky News.
Die HTS hat den Sturz von Präsident Baschar al-Assad angeführt und scheint die neue starke Kraft in Syrien zu werden. Der ehemalige Ableger von Al-Kaida in Syrien ist in Großbritannien als Terrororganisation eingestuft.
Neue Flagge über syrischer Botschaft in Moskau
Update 9.12., 10.20 Uhr: Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass und die Nachrichtenagentur Reuter berichten, dass die syrische Botschaft in Moskau die Flagge der syrischen Opposition gehisst hat. Die Flagge der Rebellen besteht aus drei horizontalen Streifen in Grün, Weiß und Schwarz und drei roten Sternen.
Auch der syrische Fußballverband hat laut der Nachrichtenagentur Reuters auf Anweisung der Rebellen die Farbe der Trikots und des Logos der Nationalmannschaft von Rot auf Grün geändert, wie die Tagesschau berichtet.
Syrien vor ungewisser Zukunft
Update 9.12., 8.20 Uhr: Nach dem blitzartigen Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad steht das Land vor einer ungewissen Zukunft. Die Flucht Assads und seiner Familie nach Russland bietet die Chance für einen Neubeginn nach Jahrzehnten Diktatur und fast 14 Jahren Bürgerkrieg mit Hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen. Vieles hängt davon ab, ob sich die verschiedenen Rebellengruppen auf eine Verteilung der Macht einigen können – oder ob ein Machtvakuum zu neuer Gewalt führt und Syrien mit seinen ethnischen und religiösen Minderheiten im Chaos versinkt. Was in dem Land nach Assads Sturz folgt, könnte neue Konflikte in der Region auslösen.
Geir Pedersen, der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Syrien, mahnte, „Blutvergießen zu vermeiden“. Er rief zum Dialog und zur Vorbereitung einer Übergangsregierung in dem Land auf, in dem bewaffnete Kräfte und ausländische Mächte seit langem um Einfluss ringen. Der UN-Sicherheitsrat in New York will auf Antrag Russlands heute hinter verschlossenen Türen über die Lage in Syrien beraten. Die Beratungen sollen am Abend deutscher Zeit stattfinden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Diplomatenkreisen erfuhr.

Rebellen unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hatten in der Nacht zum Sonntag die Kontrolle über die syrische Hauptstadt Damaskus übernommen und damit das Ende der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Herrschaft Assads eingeläutet. Seit Beginn der Großoffensive der Rebellen starben nach Angaben von Aktivisten 910 Menschen. Darunter seien 138 Zivilisten, auch mehrere Kinder, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Russland gewährte derweil Assad und seiner Familie laut Kreml-Angaben aus humanitären Gründen Asyl.
„Wir sehen eine große Veränderung in der Region. Die Türkei ist stärker geworden, Russland ist schwächer geworden, der Iran ist schwach geworden“, zitierte das „Wall Street Journal“ einen syrischen Oppositionspolitiker. „Aber es sind die Syrer, die jetzt eine große Rolle spielen werden, nicht wie früher“, sagte er.
Die Türkei rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, einen geordneten Übergang in Syrien zu unterstützen. Ankara trage maßgeblich die Verantwortung dafür, dass dieser Prozess zu mehr Stabilität und zu einer Rückkehr der Flüchtlinge führt, sagte Charles Lister, Direktor des Syrien-Programms am Middle East Institute, der Zeitung. Es müsse darum gehen, ein neues Syrien zu schaffen und zu verhindern, dass es zu einem neuen Bürgerkrieg kommt.
Syrien müsse sicher und stabil bleiben, zudem müssten Konflikte vermieden werden, die „zu Chaos führen“, sagte Jordaniens König Abullah II nach Angaben des Hofes. Er respektiere den „Willen und die Entscheidungen des syrischen Volks“. In Jordanien, das an Syrien grenzt, leben viele syrische Flüchtlinge. Ägyptens Außenministerium forderte einen umfassenden politischen Prozess, um eine „neue Phase innerer Harmonie“ und eines Friedens zu schaffen.
Das saudische Außenministerium teilte mit, das Königreich stehe den Syrern und deren Entscheidungen „in dieser entscheidenden Phase der syrischen Geschichte“ zur Seite. Die Einheit und der Zusammenhalt Syriens müsse geschützt werden, hieß es. Das Außenministerium in Katar rief dazu auf, „nationale Einrichtungen und die staatliche Einheit“ zu bewahren, um ein Abdriften des Landes ins Chaos zu verhindern. Auch Katar stehe „unerschütterlich“ hinter dem syrischen Volk und dessen Entscheidungen.

Die israelische Luftwaffe flog laut Aktivisten nach dem Sturz Assads Angriffe im Raum der syrischen Hauptstadt Damaskus. Das Militär habe in der Nähe des Militärflughafens angegriffen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch im Osten Syriens habe es Angriffe gegeben. Demnach wurden Waffenlager des syrischen Militärs und proiranischer Milizen getroffen. Zuvor hatte Israels Luftwaffe nach Medienberichten eine Chemiewaffenfabrik angegriffen aus Sorge, die Waffen könnten in die Hände von Rebellen fallen. Die israelische Armee äußerte sich dazu nicht.
Der Iran betonte derweil, der Sturz Assads werde den Widerstand gegen Israel nicht stoppen. „Der Machtwechsel in Syrien könnte den weiteren Kurs der Widerstandsfront gegen das zionistische Regime (Israel) kurzfristig beeinträchtigen, aber definitiv nicht aufhalten“, sagte Außenminister Abbas Araghtschi. Der Widerstand gegen Israel sei „eine ideologische Mission und kein klassischer Krieg“ und gehe daher weiter, sagte er dem Staatssender Irib.
Der plötzliche Sturz des von Russland unterstützten syrischen Machthabers Assad erschüttert nach Ansicht des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) auch die Glaubwürdigkeit von Kremlchef Wladimir Putin bei dessen Verbündeten. Putin habe autoritäre Machthaber in verschiedenen Ländern vor Protesten gegen ihre Herrschaft geschützt, um sein Ziel einer multipolaren Weltordnung mithilfe ausländischer Partner zu befördern und die Vormachtstellung der USA zu untergraben, schreibt das Institut in einer aktuellen Lageeinschätzung.
„Russlands Unfähigkeit oder bewusster Verzicht darauf, Assads Regime trotz des schnellen Vorrückens der Oppositionskräfte im ganzen Land zu stärken, wird auch Russlands Glaubwürdigkeit als verlässlicher und effektiver Sicherheitspartner in der ganzen Welt beschädigen“, heißt es in der Analyse.
Joe Biden äußert sich zu Assad-Sturz
Update 8.12., 21.48 Uhr: Der scheidende US-Präsidenten Joe Biden sieht den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad auch als Folge seiner eigenen Außenpolitik. „Die wichtigsten Unterstützer von Assad waren der Iran, die Hisbollah und Russland“, sagte Biden bei einer Ansprache im Weißen Haus. Zuletzt sei deren Unterstützung aber zusammengebrochen, „denn alle drei sind heute viel schwächer, als sie es bei meinem Amtsantritt waren“.
Der Sturz Assads sei ein „fundamentaler Akt von Gerechtigkeit“, sagte der Demokrat weiter. Weder Russland noch der Iran oder die Hisbollah hätten das „abscheuliche Regime“ in Syrien am Ende noch verteidigen können. Dies sei eine direkte Folge der Schläge, die die Ukraine und Israel mit großer Unterstützung der USA gegen sie ausgeteilt hätten.
Biden: US-Soldaten bleiben nach Assad-Sturz in Syrien
Update 8.12., 20.32 Uhr: Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad bleiben amerikanische Soldaten bis auf Weiteres in dem Land. Das kündigte US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus an und versprach, die USA ließen nicht zu, dass die Terrormiliz IS das Machtvakuum in Syrien nutzen könne, um den eigenen Einfluss wieder auszubauen. Die USA haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums noch rund 900 Soldaten in Syrien stationiert – zum Kampf gegen die Terrormiliz IS in der Region.
Biden betonte, erst in den vergangenen Stunden hätten US-Streitkräfte Präzisionsangriffe auf IS-Ziele in Syrien durchgeführt. „Wir werden wachsam bleiben“, versicherte der scheidende Präsident. Das gelte auch mit Blick auf die Rebellengruppen, die Assad gestürzt hätten. Diese hätten zum Teil „ihre eigene düstere Geschichte von Terrorismus und Menschenrechtsverletzungen“.
Russische Staatsagentur: Assad und Familie in Moskau
Update 8.12., 19.04 Uhr: Der entmachtete syrische Präsident Baschar al-Assad und seine Familie sind nach einem Bericht der russischen Staatsagentur Tass in Moskau eingetroffen. „Russland hat ihnen aus humanitären Gründen Asyl gewährt“, zitierte die Agentur einen Vertreter des Kreml. Details waren zunächst nicht bekannt. Russland gewährt immer wieder gestürzten Präsidenten und Machthabern Zuflucht.
Zuvor hatte das russische Außenministerium mitgeteilt, dass Assad seinen Posten in Syrien aufgegeben und das Land verlassen habe, um eine friedliche Machtübergabe zu ermöglichen. „Russland hat sich an diesen Verhandlungen nicht beteiligt. Zugleich appellieren wir nachdrücklich an alle beteiligten Parteien, auf Gewaltanwendung zu verzichten und alle Fragen der Staatsführung mit politischen Mitteln zu lösen.“
Angaben zum genauen Aufenthaltsort Assad, der stets engste Kontakte zu Kremlchef Wladimir Putin pflegte, gab es zunächst nicht. Moskau sei auch in Kontakt mit den Gruppierungen in Syrien, seinen russischen Militärstützpunkten in dem Land drohe derzeit keine Gefahr, hieß es in Moskau.
15.000 Menschen feiern Assad-Sturz in NRW
Update 8.12., 17.14 Uhr: In Nordrhein-Westfalen haben nach Polizeiangaben mehr als 15.000 Menschen in mehreren Städten demonstriert und den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gefeiert. Die Veranstaltungen verliefen demnach friedlich.
Am meisten Menschen gingen in Essen auf die Straße. Die Polizei zählte 11.000 Personen. Angemeldet worden waren nur 300. Rund um den Jakob-Funke-Platz in der Innenstadt sei es zu erheblichen Verkehrseinschränkungen gekommen, hieß es. Die Teilnehmer der Demo hätten gefeiert, gesungen und getanzt, wie ein dpa-Reporter berichtete. Vor Ort gewesen seien auch sehr viele Jüngere.

Millionen Flüchtlinge haben Hoffnung
Update 8.12., 16.50 Uhr: Millionen Flüchtlinge gibt der Sturz Assads Hoffnung, wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Insgesamt wurden fast 14 Millionen Menschen vertrieben, davon sind 7,2 Millionen im eigenen Land auf der Flucht. Die Türkei, Jordanien, der Libanon, Ägypten und der Irak haben die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Rund 700.000 Syrer leben als Flüchtlinge oder Asylbewerber in Deutschland.
An der türkisch-syrischen Grenze würden viele Familien versuchen, in ihr Heimatland zurückzukehren, wie ARD-Korrespondentin Katharina Willinger berichtet. „Das ging heute tagsüber nicht, denn die Sondergenehmigungen, die man braucht, die haben die meisten nicht.“ Grenzbeamte hätten der Korrespondentin allerdings gesagt, dass morgen der Grenzübergang geöffnet werden könnte.

Israel: Abkommen mit Syrien über Truppenentflechtung beendet
Update 8.12., 16.30 Uhr: Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat das militärische Entflechtungsabkommen von 1974 mit Syrien für faktisch beendet erklärt. Hintergrund ist der Sturz von Machthaber Baschar al-Assad. Die im Anschluss an den Jom-Kippur-Krieg 1973 geschlossene Vereinbarung sei in der Nacht zu Sonntag zusammengebrochen, nachdem die syrische Armee ihre Stellungen aufgegeben habe, sagte Netanjahu.
„Wir haben der israelischen Armee den Befehl erteilt, diese Stellungen zu übernehmen, um sicherzustellen, dass sich keine feindlichen Kräfte direkt an der Grenze Israels festsetzen“, fügte der Regierungschef hinzu. Dies sei eine vorübergehende Maßnahme, bis eine geeignete Lösung gefunden werde.
Mit dem Abkommen von 1974 wurde unter anderem eine Pufferzone entlang der Grenze eingerichtet, die seither von Blauhelmen der Undof-Mission kontrolliert wird.
Nach Assad-Sturz: Menschen feiern in mehreren NRW-Städten
Update 8.12., 15.26 Uhr: In Nordrhein-Westfalen haben nach Polizei-Angaben mehr als 2000 Menschen in mehreren Städten demonstriert und den Sturz des bisherigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad gefeiert. Die Veranstaltungen verliefen demnach friedlich.
In der Wuppertaler Innenstadt kamen mehr als 800 Menschen bei einer angemeldeten Versammlung zusammen. Die Stimmung war ausgelassen, wie ein dpa-Reporter berichtete. Es waren Sprechchöre zu hören. Menschen umarmten sich, schwenkten syrische Landesfahnen und verteilten Süßigkeiten. Außerdem gab es Autokorsos und Hupkonzerte. Dabei kam es der Polizei zufolge teilweise zu Verkehrsbehinderungen.
Bereits am Samstag hatten 1200 Menschen in Dortmund protestiert. Die Demonstration in der Innenstadt verlief emotional, aber friedlich, wie ein Sprecher der Polizei sagte. Auch in Recklinghausen haben rund 1000 Syrer auf dem Rathausplatz gefeiert.
Auch am Hofgarten in Bonn versammelten sich viele Menschen. An der Kundgebung unter dem Motto „Befreiung vom Diktator aus Syrien“ nahmen laut Polizei rund 350 Personen teil. Veranstaltungen finden am Wochenende auch in Essen, Hamm und anderen Städten statt.

Iran hofft weiterhin auf gute Beziehungen mit Syrien
Update 8.12., 14.57 Uhr: Der Iran hofft nach dem Machtwechsel in Damaskus auf weiterhin gute Beziehungen mit Syrien. „Die bilateralen Beziehungen mit Syrien haben eine lange Geschichte, und wir hoffen, dass dies mit Weisheit und Weitsicht auch fortgesetzt wird“, schrieb das Außenministerium in einer Presseerklärung.
Der Iran wird demnach die Entscheidung des syrischen Volkes über seine politische Zukunft respektieren. Teheran hoffe vor allem auf ein schnelles Ende der militärischen Spannungen und einen baldigen Dialog aller politischen Fraktionen des Landes, so das Außenministerium laut Nachrichtenagentur Isna.
Unbestätigten Berichten zufolge steht Teheran bereits im Kontakt mit der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) um einen friedlichen Abzug der iranischen Revolutionsgarden aus Syrien zu ermöglichen. Ob die HTS dieser Forderung nachkommen wird, ist fraglich.

Menschen in NRW feiern Sturz des Assad-Regimes
Update 8.12., 14.12 Uhr: Laut Medienberichten versammeln sich heute in ganz Deutschland Menschen, um den Sturz des Assad-Regimes zu feiern – auch in vielen NRW-Städten. Laut dem WDR werden allein in Wuppertal bis zu 1.000 Menschen erwartet. Weitere Demonstrationen seien in Bonn, Münster, Essen, Aachen, Köln, Hamm und Siegen geplant. In Bochum soll es laut dem WDR einen Autokorso geben. In Dortmund haben am Samstag rund 1000 Menschen das Ende des Assad-Regimes gefeiert. Die Demonstration von Exil-Syrern begann um 14 Uhr an der Nordseite des Dortmunder Hauptbahnhofs.

Scholz begrüßt das Ende der Assad-Herrschaft
Update 8.12., 14.10 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bewertet das Ende der Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad in Syrien positiv. Assad habe sein Volk auf brutale Weise unterdrückt und unzählige Menschen auf dem Gewissen. Er habe zahlreiche Menschen zur Flucht aus Syrien getrieben, von denen viele nach Deutschland gekommen seien, sagte der Kanzler am Sonntag. „Das syrische Volk hat entsetzliches Leid erfahren. Das Ende der Assad-Herrschaft über Syrien ist daher eine gute Nachricht.“
Nun sei es wichtig, dass in Syrien schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt würden. Alle Minderheiten müssten jetzt und in Zukunft Schutz genießen. Eine politische Lösung des Konflikts in Syrien sei weiter möglich. Die Bundesregierung werde die zukünftig Regierenden daran messen, „ob sie allen Syrern ein Leben in Würde und Selbstbestimmung möglich machen, Syriens Souveränität gegen bösartige Einmischung Dritter verteidigen und mit ihren Nachbarn in Frieden leben“.

Scholz äußert sich positiv
Update 8.12., 13.00 Uhr: Frankreich hat das Ende der Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad in Syrien begrüßt. Nach 13 Jahren extrem gewalttätiger Unterdrückung des eigenen Volkes hinterlasse er ein Land, das in großen Teilen von seiner Bevölkerung entleert sei – sei es, weil sie ins Exil gegangen ist, vom Regime und seinen Verbündeten massakriert, gefoltert und mit chemischen Waffen bombardiert wurde, erklärte das Außenministerium. Die Syrier hätten zu sehr gelitten, hieß es in der Mitteilung weiter.
Gleichzeitig fordert das Ministerium einen friedlichen politischen Übergang, der den Erhalt staatlicher Institutionen sowie die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität Syriens respektiert sowie die Vielfalt des syrischen Volkes. Des Weiteren ruft Frankreich alle Syrer zur Einheit, zur Versöhnung und zur Ablehnung aller Formen des Extremismus auf.
Der frühere syrische Machthaber Baschar al-Assad hat nach Angaben des russischen Außenministeriums seinen Posten und auch das Land verlassen. Das Ministerium in Moskau machte aber keine Angaben zu Assads Aufenthaltsort. Russland sei auch in Kontakt mit den Gruppierungen in Syrien, seinen Militärstützpunkten drohe derzeit keine Gefahr, hieß es.
Frankreich begrüßt Sturz des syrischen Regimes
Syriens bisheriger Ministerpräsident Mohammed al-Dschalali hat nach eigener Darstellung keinen Kontakt mehr zum geflohenen Machthaber Baschar al-Assad. Er habe keine Informationen darüber, wo Assad oder dessen Familie sich aufhalte oder wann Assad Damaskus verlassen habe, sagte Al-Schalali dem Nachrichtensender Al-Arabija. Zuletzt habe er direkten Kontakt mit Assad am Samstagabend gehabt, ehe die Aufständischen am frühen Morgen den Sturz seiner Regierung verkündeten.
Die nächsten Schritte in Syrien habe er mit dem Staatschef nicht mehr besprechen können, sagte Al-Dschalali. „Es war uns nicht möglich, die Frage des Dialogs zu besprechen.“ Zum schnellen Vormarsch der Rebellen-Allianz auf Damaskus habe Assad am Abend lediglich gesagt: „Morgen werden wir sehen.“
Al-Dschalali habe aus eigenen „Prinzipien“ entschlossen, in Syrien zu bleiben. Auch die meisten Minister der Assad-Regierung seien noch in der Stadt.
Die emiratische Zeitung „The National“ veröffentlichte ein Video, das zeigen soll, wie Al-Dschalali von bewaffneten Männern widerstandslos aus einem Haus eskortiert und zu einem schwarzen Fahrzeug gebracht wird.

Update 8.12., 7.31 Uhr: Nach ihrem schnellen Vormarsch in Syrien sind die Aufständischen in der Hauptstadt Damaskus in den Präsidentenpalast eingedrungen. Augenzeugen berichteten der Deutschen Presse-Agentur, die bewaffneten Kämpfer hätten das Palastgelände betreten und „Gott ist groß“ gerufen.
In sozialen Medien war auf einem Video zu sehen, wie einige bewaffnete Männer an einem Einfahrtstor in die Luft schießen, an dem mutmaßlich das Palastgelände beginnt. Der Nachrichtensender Al-Arabija zeigte Aufnahmen der Rebellen, die Palasträume und Gärten erkunden und Fotos machen.
Update 8.12., 7.24 Uhr: Die Rebellen in Syrien haben eigenen Angaben zufolge die Kontrolle über die Hauptstadt Damaskus übernommen und damit das Ende der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Herrschaft von Machthaber Baschar al-Assad eingeläutet. Assad verließ die Hauptstadt am frühen Morgen mit unbekanntem Ziel, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf syrische Offiziere in Damaskus erfuhr. Die Aufständischen drangen derweil in Damaskus ein und verkündeten die Befreiung der Stadt von Assad. Das Rebellenbündnis kündigte an, die Macht friedlich übernehmen zu wollen.
Am 27. November war der Bürgerkrieg in Syrien mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) plötzlich wieder aufgeflammt. Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Aufständischen die Kontrolle über viele Orte, darunter Aleppo und Hama, weitgehend kampflos. Erst am Samstag hatten die Rebellen die strategisch wichtige Stadt Homs eingenommen. Verschiedene andere Rebellengruppen rückten zugleich von Süden aus Richtung Damaskus vor. Die Rebellen eint das Ziel, Assad stürzen zu wollen.
Assad flieht
Nach der Flucht von Assad verkündete die Rebellen-Allianz dann auch den Sturz seiner Regierung. „Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen“, teilten die Aufständischen in sozialen Medien mit. „Wir verkünden, dass die Hauptstadt Damaskus (von ihm) befreit wurde.“ Der 8. Dezember markiere „das Ende dieser dunklen Ära“ der Unterdrückung unter Assad und seinem Vater Hafis al-Assad, die das Land mehr als 50 Jahren regierten.
„Dies ist der Moment, auf den die Vertriebenen und die Häftlinge lang gewartet haben, der Moment der Heimkehr und der Moment von Freiheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Leids.“ Gerichtet an die Millionen Flüchtlinge, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden, erklärten die Aufständischen: „An die Vertriebenen weltweit, ein freies Syrien erwartet euch.“
Rebellen: „Das Ende dieser dunklen Ära“
Während sich die Regierungstruppen nach eigenen Angaben „neu positionieren“, verzeichnen die Aufständischen auch im Süden des Landes und an der Grenze zu Israel weitere Gebietsgewinne. Syriens Staatschef Baschar al-Assad gerät damit immer weiter unter Druck.
Assads Amtssitz in Damaskus sah sich bereits gezwungen, Gerüchte zu dementieren, der Präsident sei geflohen. „Wir bestätigen, dass der syrische Präsident seine Arbeit sowie seine nationalen und konstitutionellen Aufgaben von der Hauptstadt Damaskus weiterführt“, so die Mitteilung. Auch kurzfristige Auslandsbesuche gebe es nicht, hieß es weiter.
Vergangene Woche flammte der Bürgerkrieg in Syrien mit einer Rebellen-Offensive unter der Führung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) plötzlich wieder auf. In kürzester Zeit nahm die Gruppe viele Gebiete im Nordwesten des Landes teils kampflos ein. Ziel der Aufständischen ist es, die Regierung zu stürzen. Später schlossen sich andere Gruppen etwa im Süden des Landes an. Sie stehen nun vor Damaskus, während die HTS-Einheiten von Norden auf die strategisch wichtige Stadt Homs vorrücken.
Ministerpräsident will kooperieren
Syriens Ministerpräsident Mohammed al-Dschalali blieb eigener Darstellung zufolge im Land und will bei einem Machtwechsel kooperieren. „Wir sind bereit, (die Macht) an die gewählte Führung zu übergeben“, sagte Al-Dschalali in einer Videobotschaft, die er laut eigener Aussage in seinem Zuhause aufzeichnete. Über diese Führung müsse das Volk entscheiden. „Wir sind bereit, sogar mit der Opposition zusammenzuarbeiten.“
Die Bürger rief er bei den laufenden Entwicklungen auf, zu kooperieren und kein öffentliches Eigentum zu beschädigen. Syrien könne ein „normaler Staat“ sein mit freundschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn. Er selbst habe kein Interesse an irgendeinem politischen Amt oder anderen Privilegien. „Wir glauben, dass Syrien allen Syrern gehört.“
Im Zentrum von Damaskus brach nach Assads Flucht Jubel aus. Anwohner klatschten dort auf der Straße und einige waren beim Gebet zu beobachten, wie Augenzeugen berichteten. In sozialen Netzwerken machten Videos von Anwohnern die Runde, die auf einen Panzer klettern und feierliche Gesänge anstimmen. Auch in der Metropole Istanbul in der benachbarten Türkei, wo mehr als drei Millionen Syrer leben, gab es Videos zufolge in der Nacht Jubel und Gesänge. Einige zündeten dort Feuerwerk.
Der führende Oppositionelle Hadi al-Bahra erklärte, Damaskus sei ohne Assad frei. Er gratulierte dem syrischen Volk und den Gefangenen, die nun freikämen.
Konflikt begann schon 2011
Erstmeldung 8.12., 5.00 Uhr: Der Konflikt hatte 2011 mit Protesten gegen die Regierung Assads begonnen. Sicherheitskräfte gingen dagegen mit harter Hand vor. Die Gewaltspirale mündete in einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung, in dem Russland, der Iran, die Türkei und die USA eigene Interessen verfolgen. Rund 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Nach UN-Schätzungen kamen bisher mehr als 300.000 Zivilisten ums Leben. Eine politische Lösung ist seit Jahren nicht in Sicht.
Soldaten der syrischen Regierung haben nach Angaben von Aktivisten Posten in der Nähe der Hauptstadt Damaskus verlassen. Die Regierungstruppen hätten sich aus dem Ort Artuz, etwa 15 Kilometer südwestlich von Damaskus, zurückgezogen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Das Militär äußerte sich zunächst nicht.
Lokale Oppositionskräfte, die sich der Rebellen-Offensive angeschlossen haben, hätten mehrere Dörfer in der Umgebung umstellt, hieß es weiter. Eines ihrer Ziele sei, Gefangene aus einem Militärgefängnis nördlich von Damaskus zu befreien. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen von Informanten vor Ort.
Daraa unter Kontrolle der Opposition
Zuvor hatte sich das syrische Militär bereits aus Daraa und Suweida im Südwesten des Landes zurückgezogen. Die syrische Staatsagentur Sana berichtete unter Berufung auf das Militär, die Regierungstruppen würden sich neu positionieren, nachdem „terroristische Elemente“ Kontrollpunkte der Armee angegriffen hätten.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle steht die Provinz Daraa mittlerweile vollständig unter der Kontrolle von lokalen Oppositionskräften. Sie hätten auch die angrenzende Provinz Suweida fast vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. In der Stadt Daraa brachen im März 2011 die ersten syrischen Proteste aus.
Syrische Aufständische sind nach eigenen Angaben bereits in der strategisch wichtigen Stadt Homs im Einsatz. In einer Mitteilung der islamistischen Gruppe HTS hieß es, Kräfte, die hinter den feindlichen Linien stationiert seien, hätten mit „Spezialoperationen“ im Stadtgebiet begonnen. Gleichzeitig gebe es einen massiven Angriff von mehreren Seiten.
Bewaffnete Unruhen in Homs
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass es in Homs zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt. Bisher war aber unklar, ob die Rebellen-Allianz genügend Kämpfer hat, um Homs mit seinen etwa 1,4 Millionen Einwohnern einzunehmen.
Mehr als 1000 Soldaten der syrischen Armee flüchteten unterdessen in den Irak. Die staatliche irakische Nachrichtenagentur INA berichtete unter Berufung auf eine nicht näher genannte Sicherheitsquelle, dass die Soldaten die Einreise über den Grenzübergang Al-Kaim beantragt hätten. Sie seien aufgenommen und versorgt worden.
Der katarische Nachrichtensender Al-Dschasira zitierte unterdessen einen Sprecher der irakischen Regierung, wonach bereits 2.000 Soldaten der syrischen Armee mit voller Ausrüstung in den Irak gekommen seien.
Iran dementiert Evakuierung von Diplomaten
Der Iran wies unterdessen Berichte als falsch zurück, wonach Diplomaten bereits aus Syrien abgezogen worden seien. Die Botschaft in Damaskus werde ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen, sagte Außenamtssprecher Ismail Baghai laut Internetportal Iran Nuances.
Die „New York Times“ hatte berichtet, dass iranische Diplomaten und Militärberater Syrien verlassen hätten. Der Außenamtssprecher hatte in der Vorwoche gesagt, dass die iranischen Diplomaten und Militärs in Syrien blieben und Staatschef Assad bis zum Ende unterstützten.
Die Aussagen Baghais stießen in Teheran auf Skepsis. Demnach gehen Beobachter davon aus, dass eine Evakuierung der Diplomaten bereits abgeschlossen sei, um sie vorsorglich in Sicherheit zu bringen.
Israel schickt mehr Soldaten an Grenze
Die israelische Armee verstärkte angesichts des Vormarsches syrischer Rebellen auch in unmittelbarer Nähe der Grenze zu Israel seine Truppen auf den Golanhöhen. „Entsprechend der Lagebeurteilung beruft die IDF zusätzliche Kräfte für Verteidigungsaufgaben in der Region der Golanhöhen an der israelisch-syrischen Grenze ein“, teilte die Armee auf Telegram mit. Angaben zum Umfang der Verstärkungen machte die Armee auch auf Anfrage hin zunächst nicht. Es war bereits die zweite Ankündigung dieser Art binnen 24 Stunden.
Israel reagierte damit auf den Rückzug des syrischen Militärs aus Daraa und Suweida im Südwesten Syriens. Die beiden Städte liegen nur wenige Kilometer östlich der Golanhöhen, die Israel im Sechstagekrieg 1967 erobert und 1981 annektiert hat. Vielen Staaten erkennen das nicht an.
dpa/bani