Cappenberg in Aufruhr Petition gegen Bauprojekt sammelt rasch Unterschriften

Drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils drei Vollgeschossen sollen auf dem Gelände vor Haus Kreutzkamp (siehe Foto) entstehen. Auf dem Handy sind die geplanten Baukörper zu sehen, die vom Cappenberger Damm den Blick auf das historische Gebäude versperren werden.
Drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils drei Vollgeschossen sollen auf dem Gelände vor Haus Kreutzkamp (siehe Foto) entstehen. Auf dem Handy sind die geplanten Baukörper zu sehen, die vom Cappenberger Damm den Blick auf das historische Gebäude versperren werden. © Sylvia vom Hofe
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Die Stadtverwaltung gibt sich einsilbig. Der Eigentümer schweigt komplett. Und in der jüngsten Ausschusssitzung hat sich nur ein Politiker laut zu Wort gemeldet: Auffallend ruhig ist es bislang, ein brisantes Bauvorhaben an zentraler Stelle in Cappenberg. Es geht um das Grundstück von Haus Kreutzkamp, dem jahrhundertealten Treffpunkt im Herzen des Ortes. Wo heute noch eine weitläufige Freifläche ist, sollen drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils drei Vollgeschossen entstehen. Der Eigentümer wartet täglich auf die Baugenehmigung der Stadt Selm: etwas, das die Ortsunion Cappenberg nicht zulassen will. Sie hat eine Online-Petition gestartet. Das Echo ist enorm.

Innerhalb von zwei Tagen haben bereits 414 Menschen (Stand Freitag, 9. Mai, 16 Uhr) unterschrieben. In Cappenberg, dem geschichtsträchtigen Ort zwischen Selm Lünen und Werne, wohnen etwas mehr als 1800 Menschen. Jeder Vierte hat damit innerhalb von 48 Stunden bereits unterschrieben. Das sind mehr als 100 mehr als die CDU bei der Bundestagswahl Stimmen bekommen hat in Cappenberg. Es geht nicht um Parteipolitik, sondern um ein überparteiliches Anliegen: den Kampf um den Erhalt des dörflichen Charakters Cappenbergs, wie es die Ortsunion formuliert.

„Cappenberg ist ein Ort mit einem einzigartigen dörflichen Charakter, den wir unbedingt erhalten müssen“, heißt es auf der Seite der Online-Petition. Der stehe aber durch das Bauvorhaben auf dem Spiel. „Diese Art der Bebauung würde den Charakter des Dorfes dramatisch verändern.“ Dass die Chancen nicht gut stehen, das Projekt zu stoppen, wissen die Initiatoren. Die Bauvoranfrage, die das Unternehmen Ebrecht Immobilien gestellt hat, hat die Stadtverwaltung Selm bereits im Oktober 2024 positiv beschieden. Die endgültige Baugenehmigung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Stephanie Vieter, die Vorsitzende der Ortsunion Cappenberg, und die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Petition wollen aber nichts unversucht lassen

Forderungen für Entwicklung 2019 formuliert

„Wir möchten den Menschen vor Ort eine Stimme geben“, sagt Stephanie Vieter. Ein Angebot, das die Cappenbergerinnen und Cappenberger zahlreich nutzen: in der Petition und in den sozialen Medien. In der politischen Auseinandersetzung war bislang dafür kaum Platz. Zuletzt hatte der Cappenberger CDU-Ratsherr Christoph Kappenberg die bevorstehende Bebauung im Ausschuss thematisiert. Die Stadtverwaltung hatte das umstrittene Vorhaben, das Prof. Florian Ebrecht ein Jahr zuvor erstmals öffentlich vorgestellt hatte, selbst nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Wohl auch, weil sie keinen Zustimmungsbedarf der Politik sieht.

Bei dem zentralen Grundstück zwischen Borker Straße und Cappenberger Damm handelt es sich laut Flächennutzungsplan um eine Wohnbaufläche. Die besondere Bedeutung des Hauses Kreutzkamp, in dem schon der Freiherr vom Stein gerne feierte, war immer wieder Thema. Als die Stadt 2019 das Ortsteilentwicklungskonzept für Cappenberg aufstellen ließ, überlegten die beauftragten Städtebauplaner mit Bürgerinnen und Bürgern, wie sich die Kreuzung vor Haus Kreutzkamp umgestalten ließe, um mehr Aufenthaltsqualität zu schaffen. Darin gingen die Meinungen auseinander. Bei der Beurteilung einer weiteren Bebauung waren sich die Teilnehmenden aber einig.

Das zeigten die damals gesammelten Statements: „Das Dorf nicht mit Wohnbebauung zuklatschen!“ „Die Attraktivität des ,alten Dorfes‘ besteht durch Freiflächen.“ Und: „Entwicklung Kreuzungsbereich: Waldrodung ist abzulehnen, Bebauung mit mehrgeschossigen Klötzen dito.“ Diese Forderungen blieben aber ohne Folge.

Mieter für „beeindruckendes Gebäude“ gesucht

Wie schon damals bei der Aufstellung des Ortsteilentwicklungskonzept geht es auch heute bei der Petition der Ortsunion nicht darum, Bebauung grundsätzlich zu verhindern. „Wir wissen um die Bedeutung von zusätzlichem Wohnraum – auch in Cappenberg“, sagt Stephanie Vieter. Sie müsse aber „mit Augenmaß erfolgen“ und sich „in die bestehende Struktur“ einfügen. Beides sehen Vieter und ihre Mitstreiter bei den Ebrecht-Plänen nicht gegeben.

Florian Ebrecht, der eine Professur für Immobilienmanagement innehat, wird das naturgemäß anders sehen. Der Erbe des Cappenberger Anwesens, das sein Großvater, der Lüner Coca-Cola-Fabrikant Karl Ebrecht, gekauft hatte, hat auf entsprechende Anfragen zu seinem Bauprojekt und zu der Kritik aus der Bürgerschaft daran aber bislang nicht geantwortet. Dass er sich der besonderen Bedeutung der Immobilie Kreutzkamp durchaus bewusst ist, zeigt eine Anzeige im Onlineportal Immobilienscout 24.

Von einem „beeindruckenden Gebäude“ und einem „Juwel im Herzen des historischen Stadtkerns von Selm-Cappenberg“ ist da die Rede. Der Eigentümer sucht dafür Mieter (2530 Euro Monatsmiete für 420 Quadratmeter), etwa „kreative Gewerbetreibende“. Aber auch ein Dorfgemeinschaftshaus ist dort denkbar: die von vielen Cappenberginnen und Cappenbergern favorisierte Lösung. Sie hatten eigens dafür Ende 2024 einen Förderverein gegründet, um die Räume, die ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert stammen, zu nutzen: ein Plan, den sie weiter auch im Austausch mit Ebrecht verfolgen. Die Neubaupläne direkt vor dem historischen Treffpunkt sollen bei diesen Gesprächen allerdings nie zur Debatte gestanden haben.

Am 22. Mai tagt der Stadtrat Selm

Was tun mit den vielen Unterschriften gegen das Vorhaben, rund um das „beeindruckende Gebäude“ die drei Mehrfamilienhäuser mitsamt Parkplätzen zu errichten? „Wir hoffen, dass die Stadt bis zur nächsten Ratssitzung am 22. Mai keine Fakten schafft und die Baugenehmigung erteilt“, sagt Christoph Kappenberg. Dann könnten Politik und Verwaltung das Thema gemeinsam diskutieren. Und der besorgten Bürgerschaft eine Stimme geben. Ob das noch etwas ändern kann? Christoph Kappenberg zuckt mit den Schultern: „Es ist auf jeden Fall besser als nichts zu tun.“

Dieser dicke, alte Baum musste schon weichen für das Bauvorhaben. Die Freifläche am Haus Kreutzkamp soll bebaut werden. Dafür soll auch ein Teil des Gebäudes, das ehemalige Hotel, abgerissen werden, wie es der Investor im April 2024 mitgeteilt hatte. Wenn sich keine Nutzung für die Gaststätte finden sollte, steht  auch sie zur Disposition. Dafür gibt es aber inzwischen Interessenten.
Dieser dicke, alte Baum musste schon weichen für das Bauvorhaben. Die Freifläche am Haus Kreutzkamp soll bebaut werden. Dafür soll auch ein Teil des Gebäudes, das ehemalige Hotel, abgerissen werden, wie es der Investor im April 2024 mitgeteilt hatte. Wenn sich keine Nutzung für die Gaststätte finden sollte, steht auch sie zur Disposition. Dafür gibt es aber inzwischen Interessenten.© Sylvia vom Hofe
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