
Die Abrechnungsaffäre im Kreis Unna hat dazu geführt, dass das Amtsgericht gegen zwei Mitglieder des Selmer Stadtrats Anklage erhoben hat. Es handelt sich um Dr. Hubert Seier (UWG), dem gewerbsmäßiger Betrug in 17 Fällen vorgeworfen wird, und Werner Sell (fraktionslos), dem die Staatsanwaltschaft einfachen Betrug in zehn Fällen zur Last legt. In der Sache geht es darum, dass die beiden die ihnen prinzipiell zustehenden Entschädigungen für ausgefallenen Verdienst in der Zeit ihrer Mandatsausübung (Kreistag und Stadtrat) zu Unrecht doppelt geltend gemacht haben.
Hubert Seier hatte zuletzt am Mittwoch (20. März) im Gespräch mit der Redaktion betont, dass die Ermittlungen keinen Einfluss auf sein politisches Mandat als Mitglied des Rates und dortiger Fraktionsvorsitzender der UWG haben sollen: „Ich mache weiter.“ Er sehe „keine Notwendigkeit“, sein Amt ruhen zu lassen oder niederzulegen, solange noch kein Urteil gegen ihn gefällt sei.
Anders sieht das die FDP-Fraktion im Selmer Rat. Sie „ist der Auffassung, dass der Rat sich in der nächsten Sitzung noch einmal mit dem möglichen
Fehlverhalten einiger Ratsmitglieder befassen sollte“, teilt deren Fraktionsvorsitzender Klaus Schmidtmann jetzt mit. Einen entsprechenden Antrag hat die FDP für die nächste Ratssitzung am 25. April eingereicht. Die Forderung: Angesichts der vorliegenden Anklagen gegen Hubert Seier und Werner Sell soll der Rat die beiden Ratsmitglieder auffordern, dass diese ihre Mandate ruhen lassen, bis es eine rechtskräftige Entscheidung gibt.

Vertrauen für FDP erschüttert
Das Ansinnen ist nicht ganz neu, wie der Antrag weiter ausführt. „Diverse Fraktionen haben die Betroffenen bereits in einer früheren Ratssitzung gebeten, ihre Mandate bis zur Aufklärung der Vorwürfe vorläufig ruhen zu lassen. Die Mitglieder des Rates seien von den Bürgern der Stadt im Vertrauen gewählt worden, die Geschicke der Stadt redlich und zum Besten aller Einwohner zu führen.
Dieses Vertrauen werde infolge der Vorwürfe der unrechtmäßigen Bereicherung einzelner Mitglieder auch im Hinblick auf den Rat insgesamt zutiefst erschüttert“, fasst die FDP in dem Schreiben zusammen.
Im Falle des Ratsmitglieds Dr. Hubert Seier komme hinzu, dass er als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses mit der Prüfung der rechtmäßigen Handhabung der Ausgaben befasst ist. Neben Seier und Sell wird in der Abrechnungsaffäre auch gegen das Selmer Ratsmitglied Marion Küpper (Grüne) ermittelt, hier ist das Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen.
„Die Angelegenheit hat mit der Anklageerhebung und in der Causa Werner Sell mit der Zulassung der Anklage zum Schöffengericht einen höheren strafrechtlichen
Verfahrensstand erreicht“, führt die FDP in ihrem Antrag aus. Deshalb halte sie es für nicht hinnehmbar, dass die strafrechtlich Angeklagten ihrem Ehrenamt „weiter nachgehen, als wäre nichts geschehen.“ Der Stadtrat dürfte in seiner nächsten Sitzung über den Antrag befinden. Mit der gewünschten Aufforderung würde der Stadtrat vor allem ein deutliches Zeichen setzen, dass sie mit der weiteren Teilnahme der Angeklagten an den politischen Sitzungen nicht einverstanden sind.