
Die Nerven liegen blank an vielen Grundschulen – bei Schulleitungen und Eltern gleichermaßen. Denn weil die Gesundheitsämter mit den einzelnen PCR-Tests überfordert waren, gilt seit vergangener Woche: Bei einem positiven Lolli-Pooltest werden die einzelnen Schüler am nächsten Tag in der Schule per Schnelltest getestet.
„So langsam reicht es“, hatten auch Schwerter Schulleiter gesagt. Julia von Halen, Leiterin der Heideschule, hatte auf Anfrage unserer Redaktion davon gesprochen, dass viele Kollegen nach der Schul-Mail vom Dienstag (25.1.) inzwischen frustriert seien. Der hohe Aufwand sei kaum noch zu stemmen.
Eine knappe Woche später zeigt sich, welche Probleme das neue Testverfahren offenbart. Die Schulleitungen können zum einen nicht alle Eltern rechtzeitig informieren, wenn sie erst nachts um zwei Uhr vom Gesundheitsamt die Rückmeldung über einen positiven Klassen-Pooltest bekommen.
Zudem hatten sich in unserer Redaktion Eltern gemeldet. Nach einem positiven Klassen-Pooltest an einer Schwerter Grundschule war klar gewesen: Eines der Kinder ist infiziert. Daraufhin waren die einzelnen Schüler in der Grundschule mit Schnelltests gecheckt worden. Mit dem Ergebnis: alle negativ.
Warum werden Eltern nicht informiert?
Obwohl also klar war, dass mindestens ein Kind vermutlich erkrankt ist, lief der Unterricht weiter – und die Eltern wurden von der Schule nicht über die negativen Schnelltestergebnisse informiert. Das hätten sie sich allerdings gewünscht, um den Test zu Hause oder im Testzentrum noch einmal zu wiederholen.
Auf Anfrage erklärt das Schulministerium zu der Situation: „Erziehungsberechtigte dürfen nur über das Ergebnis des Antigen-Schnelltests des eigenen Kindes informiert werden, da es sich insgesamt um hochsensitive individuelle Gesundheitsdaten handelt.“
„Sicherstes Schultestsystem aller Bundesländer“
Mit dem angepassten Lolli-PCR-Testverfahren verfüge Nordrhein-Westfalen über „eines der sichersten Schultestsysteme aller Bundesländer“. Es kombiniere die Vorteile zweier Testsysteme: hochsensitive PCR-Tests mit zeitnaher Ergebnisfeststellung durch Antigen-Schnelltests. „Mit den Antigen-Schnelltests können die individuell von der Infektion betroffenen Kinder identifiziert und anschließend isoliert werden.“
Doch wenn sich kein betroffenes Kind findet? „Wenn keines der im Pool befindlichen Kinder einen positiven Antigen-Schnelltest aufweist, dürfen alle Kinder weiterhin am Präsenzunterricht teilnehmen“, heißt es aus dem Ministerium.
Ist der „hochsensitive“ Lolli-Test zu gut?
Denn die PCR-Methode würde bereits sehr geringe Viruslasten finden, „ohne dass die Getesteten ansteckend sind“. Deshalb dürften auch genesene Kinder für acht Wochen nach ihrer Rückkehr aus der Isolierung nicht am Lolli-Testverfahren teilnehmen – weil für eine längere Zeit noch Viruspartikel nachgewiesen werden. In Einzelfällen könne „der hochsensitive PCR-Test dann immer noch zu einem positiven Pool- und Einzeltest führen“.

Bedeutet das dann, die hohe Sensitivität der Lolli-Tests ist zu viel des Guten? Und was ist mit dem Infektionsrisiko für Mitschüler und Lehrer? Dazu antwortet die Pressestelle: „Das Infektionsrisiko (…) ist in einem solchen Fall gleichzusetzen mit dem niedrigen Infektionsrisiko an den weiterführenden Schulen, an denen die Schülerinnen und Schüler erfolgreich nur mit Antigen-Schnelltests getestet werden.“
Schwerter Dezernent sieht Risiko
Das sieht man in Schwerte anders. Der für die Schulverwaltung zuständige Dezernent Tim Frommeyer sagt auf Anfrage unserer Redaktion: „Bei allem Verständnis für mangelnde Labor-Kapazitäten. Bundes- und Landespolitik müssen sich darüber im Klaren sein, dass mit der Entscheidung, Testungen im Kita- und Schulbereich nicht zu priorisieren, regelmäßig ganze Familien einer Corona-Infektion ausgesetzt werden.“
Auch Bürgermeister Dimitrios Axourgos kann die Sorgen nachvollziehen. „Ich habe größten Respekt davor, wie in unseren Schulen und Kindertagesstätten der Corona-Pandemie begegnet wird.“ Man wisse, dass die Verordnungen des Landes Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern gleichermaßen alles abverlangten. „Wir verstehen ihre Sorgen und die der Eltern. Ich hoffe sehr, dass alle Infektionen milde Verläufe haben und wir in hoffentlich nicht mehr allzu weiter Zukunft wieder zur Normalität zurückkehren können.“
Kreis-Gesundheitsamt ist überfordert
Das Schulministerium betont in der Stellungnahme immer wieder das „niedrige Infektionsrisiko“. Wie „niedrig“ es am Ende ist – und wie erfolgreich die Antigen-Schnelltests sind – das wird sich zeigen. Fakt ist, dass das Kreis-Gesundheitsamt Unna inzwischen mit der Nachverfolgung der Fälle überfordert ist, weil es „einfach zu viele“ seien, wie die Pressesprecherin erklärt.
Fakt ist auch, dass das Land Nordrhein-Westfalen zeitgleich Lockerungen im Bereich der Veranstaltungen beschlossen hat. Bis zu 10.000 Fußballfans dürfen ab sofort wieder in die Stadien.