
Update 4.12., 13.45 Uhr: Mit über 500 Bundespolizisten sind Ermittler einem von Kurden aus dem Irak betriebenen Schleusernetzwerk zu Leibe gerückt, das irreguläre Migranten in einfachen Schlauchbooten über den Ärmelkanal schickt. Die Schleuser sollen sich die für die gefährliche Überfahrt genutzten Boote beziehungsweise Bauteile dafür in Deutschland teilweise illegal beschafft haben. Deshalb geht es wohl nicht nur um Schleusung, sondern auch um andere Delikte wie Raub und Diebstahl. Aktenkundig wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch Fälle, in denen Migranten von Mitgliedern des Netzwerks mit Waffen bedroht wurden.
Haftbefehle aus Frankreich
Ausgangspunkt der Großrazzia waren laut Bundespolizei französische Ermittlungen. Die Haftbefehle stammen demnach von einem Gericht in Lille. Die Bundespolizei in NRW sei gebeten, hier mehr als zehn europäische Haftbefehle zu vollstrecken – „soweit wir die Leute antreffen“, sagte die Sprecherin. Dabei gehe es sowohl um Drahtzieher als auch einfache Mitglieder des Netzwerks.
Einsatz gegen irakisch-kurdisches Netzwerk
Erstmeldung 4.12., 8.30 Uhr: Hunderte Einsatzkräfte der Bundespolizei sollen seit Mittwochmorgen in Essen, Gelsenkirchen und Bochum mehrere Wohnungen und Geflüchteten-Unterkünfte gestürmt haben, wie ein Sprecher der Bundespolizei gegenüber der WAZ bestätigte. Es handele sich dabei um einen Einsatz gegen ein irakisch-kurdisches Schleuser-Netzwerk, das Migranten nach Europa schmuggelt. Die gesuchten Tatverdächtigen sollen Migranten aus dem Mittleren Osten und Ostafrika „in kleinen minderwertigen Schlauchbooten“ von Frankreich nach Großbritannien geschleust haben, wie eine Sprecherin der Bundespolizei der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf sagte. Daher führe Frankreich die Ermittlungen.
Die Bundespolizei in NRW sei gebeten, hier mehr als zehn europäische Haftbefehle zu vollstrecken – „soweit wir die Leute antreffen“. Dabei gehe es sowohl um Drahtzieher als auch einfache Mitglieder des Netzwerks.
Die Einsatzkräfte der Spezialeinheit GSG9 sollen der Bild-Zeitung zufolge zeitgleich auch in Baden-Württemberg und Frankreich mehrere Wohnungen, Lagerhallen und Geflüchteten-Unterkünfte durchsucht haben.
Keine Angaben zu konkreten Einsatzorten
Der Großeinsatz wird demnach von den europäischen Behörden Europol und Eurojust koordiniert. In NRW sind nach Angaben der Bundespolizei in Sankt Augustin auch mehr als 20 französische Ermittler sowie drei Europol-Experten dabei.
Zu konkreten Einsatzorten wollte die Bundespolizei keine Angaben machen. Nähere Informationen seien für Donnerstag geplant, sagte die Sprecherin. Bekannt wurde aber, dass unter anderem Gelsenkirchen zu den Einsatzorten gehört haben soll. Dort sollen nach Informationen der WAZ die Polizeibeamten im Stadtteil Bulmke-Hüllen ein Mehrfamilienhaus im Visier gehabt haben. In einer Geflüchteten-Unterkunft in Altenessen-Süd soll es ebenfalls Durchsungen gegeben haben.
Immer wieder Tote im Ärmelkanal
Erst im Februar hatte es in vier Bundesländern einen großen Polizeieinsatz gegen ein irakisch-kurdisches Schleusernetzwerk gegeben. Schwerpunkt war wiederum NRW mit allein hier rund 700 beteiligten Beamten. Nach damaligen Angaben von Europol waren mehr als 15 Haftbefehle vollstreckt worden.
Seit Jahren überqueren Migranten in großer Zahl von Nordfrankreich aus den Ärmelkanal, um Großbritannien zu erreichen. Der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge kamen auf diesem Weg in diesem Jahr bisher mehr als 33.000 Menschen an.
Schleuser pferchen die Menschen auf überfüllte Schlauchboote, die bei der Überfahrt häufig sinken. In diesem Jahr kamen dabei nach Polizeiangaben bereits mindestens 72 Migranten ums Leben, wie die Zeitung „Le Parisien“ im vergangenen Monat berichtet hatte.
Neue Regierung in London will Grenzschutz ausbauen
Großbritanniens frühere konservative Regierung hatte Menschen von der Überfahrt abhalten wollen, indem sie Migranten drohte, sie ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nach Ruanda abzuschieben. Gerichte und Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Plan scharf.
Die neue britische Regierung von Premierminister Keir Starmer will dagegen den Grenzschutz ausbauen und stärker gegen Schleuserbanden vorgehen.
dpa/fbue