
Bundesweit „gesichert rechtsextremistisch“: So hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD am Freitag (2. 5.) bezeichnet: eine Neubewertung, die auch in Lünen Diskussionen auslöste. Drei Tage später hat die Partei Klage eingereicht.
Die Folge: Der Nachrichtendienst hat eine sogenannte Stillhaltezusage abgegeben. Das bedeutet: Er macht zwar keine inhaltlichen Abstriche, wird bis zur gerichtlichen Entscheidung die Einschätzung aber nicht wiederholen. Die politische Debatte läuft indes weiter – auch in Lünen. Wie stehen die im Stadtrat vertretenen Parteien zur AfD, die offiziell wieder nur als Verdachtsfall gilt? Nach der Neueinschätzung des Verfassungsschutzes und vor seiner Stillhaltezusage hatte die Redaktion alle Fraktionen befragt.
SPD: Keine Zusammenarbeit mit der AfD
„Das Urteil bestätigt, was wir als SPD schon lange sagen: Die AfD ist keine normale Partei, sondern eine Gefahr für unsere Demokratie“, sagt Martina Meier, Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Die am 2. Mai gemachte Neubewertung des Verfassungsschutzes stärke demokratische Kräfte, sei aber kein Selbstläufer: „Bei überzeugten AfD-Wählerinnen und -Wählern löst es oft Trotz aus.“ Die SPD in Lünen setze auf politische Aufklärung, klare Abgrenzung und sozialen Dialog: „Nicht jeder, der AfD wählt, ist rechtsextrem, aber macht rechtem Gedankengut den Weg frei.“ Die SPD lehne jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ab und prüfe deren Anträge inhaltlich. Allerdings gebe es da in Lünen nicht viel zu tun, da die AfD nur selten Anträge stelle.
CDU: Kluge Politik statt Parteiverbot
Die CDU in Lünen lehnt eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ab, wie Stadtverbandsvorstand Dr. Karl Schürmann erklärt: „Unsere Aufgabe ist es, mit kluger Politik zu überzeugen – nicht mit Verboten zu agieren.“ Parteiverbotsverfahren seien keine Lösung, vielmehr sei gute, bürgernahe Politik die Antwort auf Extremismus. Laut Schürmann pflegt die CDU im Lüner Rat „einen respektvollen Umgang mit allen Vertretern“ und erwarte das auch von der jeweils anderen Seite.
GFL: Keine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen
Die Wählergemeinschaft Gemeinsam für Lünen (GFL) sieht sich durch die Einstufung bestätigt. Vorsitzender Prof. Dr. Johannes Hofnagel: „Wir arbeiten nicht mit Rechtsextremen zusammen – das gilt auch für die AfD.“ Ein Parteiverbot müsse sorgfältig geprüft werden. Ziel sei es, durch ein klares Programm und Orientierung an der freiheitlichen Grundordnung um jede Stimme zu kämpfen – ohne Dialog mit der AfD.
Grüne: AfD-Verbot jetzt angehen
Die Grünen fordern eine juristische Prüfung eines AfD-Verbots: „Es gibt genügend Indizien, dass ein AfD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht geprüft werden muss“, heißt es aus der Fraktion. Völkisches Denken widerspreche dem Grundgesetz und gefährde demokratische Institutionen. Vor Ort setzen die Grünen auf Aufklärung, Gespräche mit Wählerinnen und -Wählern sowie eine klare Absage an jede Zusammenarbeit mit der AfD.
FDP: Brandmauer hat AfD stark gemacht
Für die FDP ist die Einstufung durch den Verfassungsschutz „erheblich“. Gefahren für die liberale Demokratie sieht Fraktionsgeschäftsführer Rene Moltrecht allerdings „nicht nur durch Rechtsextreme, sondern ebenso durch linken und religiösen Extremismus“. Es gelte künftig, Anträge und Vorträge der AfD in den Lüner Gremien noch genauer auf extremistische Inhalte zu prüfen. Die „Brandmauer“ sieht Moltrecht kritisch. Sie habe die AfD nur stark gemacht. Wie bei allen anderen Mitbewerbern werde die FDP auch die AfD-Anträge auswerten, bewerten und darüber abstimmen.
NWL: Kritik am Verfassungsschutz
Anders als die anderen politischen Gruppen im Lüner Rat äußert die Fraktion Nachhaltigkeit und Wohlstand (NWL), die 2022 aus einer Abspaltung der AfD hervorgegangen ist, grundsätzlich Kritik an der Neubewertung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.. Fraktionsvorsitzende Constanze Pasternak erklärt: „Ein dem Innenministerium unterstellter Inlandsgeheimdienst gibt eine geheim eingestufte, fachlich nicht geprüfte Einschätzung über eine Oppositionspartei ab, ohne Anhörung der Betroffenen – leakt sie aber gezielt an regierungsnahe Medien.“ Wer darin rechtsstaatliches Handeln erkenne, „ignoriert bewusst fundamentale Prinzipien der Demokratie“. Solche Praktiken dürften keinen Einfluss auf die Kommunalpolitik haben. Ein Parteiverbotsverfahren lehnt die NWL ab: „Nur wer die Bundesrepublik in die Nähe autokratischer Staaten rücken will, sollte das anstreben.“
Linke und AfD antworten nicht
Die AfD-Fraktion im Lüner Stadtrat hat auf die Anfrage der Redaktion nicht reagiert. Auch die Linkspartei ließ die gestellten Fragen unbeantwortet.
Bei der Bundestagswahl stärkste Kraft in Gahmen
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 hatte die AfD in Lünen ein starkes Ergebnis erzielt. Mit 21,96 Prozent der Zweitstimmen wurde sie drittstärkste Kraft hinter CDU (25 Prozent) und SPD (24,82 Prozent). In Lünen-Gahmen wurde die AfD sogar stärkste Kraft. Bei der Europawahl ein Jahr zuvor hatte die AfD in einigen Bereichen von Lünen ebenfalls mehr als 36 Prozent geholt. Besonders stark war sie in Teilen von Lünen-Süd, in der Geist und in Gahmen.
Bei den Kommunalwahlen im September 2020 hatte die Rechtsaußenpartei in Lünen 6,79 Prozent der Stimmen erzielt und war damit erstmals in den Rat eingezogen.

In einer ersten Fassung des Textes war zu lesen, dass die NWL-Fraktion die Einschätzung des Verfassungsschutzes als „politisch motiviert“ ansehe. Damit sieht sich die Fraktion falsch verstanden. Wir haben ihre Antwort angepasst.