
Die Vielfalt des jüdischen Lebens hat einige Hundert Menschen in der Region Unna begeistert. „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ hieß die Kulturreihe zwischen August 2021 und Mai 2022, deren Veranstaltungen nach Schätzungen zwischen 1500 und 2000 Besucher hatten. Die Bandbreite reichte von Theologie über Musik und Literatur bis Geschichte. Der Ort war keineswegs auf die Synagoge in Massen-Nord beschränkt, auch ZIB oder Kino beispielsweise waren Austragungsorte. „Überall in dieser Stadt hat es Veranstaltungen gegeben“, sagt Jürgen Düsberg rückblickend.
Er gehört neben Herbert Goldmann und Matthias Fischer zum geschäftsführenden Vorstand des Freundeskreises der jüdischen Gemeinde, der seinerseits auch eine Veranstaltung der Reihe finanzierte.
Ansonsten seien die Gemeinde und der Kulturbereich der Stadt Unna federführend bei der Organisation gewesen – in Zusammenarbeit: auch dies eine Besonderheit der Reihe in Unna, so Düsberg. Die rund 20 Veranstaltungen hätten die ganze Bandbreite jüdischen Lebens abgedeckt, nicht nur die düsterste Episode des Holocausts.

Begegnungen und Gesten der Versöhnung
„Persönliche Begegnungen sind das herausragende Momentum dieser Veranstaltungen“, sagt Herbert Goldmann. Jürgen Düsberg bestätigt. Ihn freuen besonders Momente der Versöhnung. Er habe schon Menschen erlebt, deren Vorfahren in der NS-Zeit aus ihrer Heimat Unna vertrieben oder in Unna misshandelt wurden und die selbst aus verständlichen Gründen diese Stadt nie besuchen würden.
Aber es gibt auch die andere Seite. So berichtete Düsberg, er habe Nachfahren jüdischer Unnaer durch Unna geführt. Als die Besucher wieder in ihre Heimat USA zurückgekehrt waren, schrieben sie Düsberg eine E-Mail, die begann mit „Dear Friend“.
Auch ein Sederteller, Thema eines Vortrags in der 1700-Jahre-Reihe, erzählt so eine Geschichte: Die Unnaer Familie Brandenstein musste ihre Heimatstadt 1938 verlassen. Der Teller – wichtig für Rituale beim Pessach-Fest – blieb zurück. Er wurde später gefunden, den Brandensteins zugeordnet und ihren Nachfahren überlassen. Und sie schenkten ihn tatsächlich dem Hellweg-Museum.
Das Interesse am Judentum, ob an der modernen Gemeinde oder an Unnas jüdischer Geschichte, wächst nach Einschätzung des Vereins. Dies sei unter anderem an steigender Nachfrage nach Führungen spürbar, etwa zu besonderen Orten wie dem jüdischen Friedhof.
Erfreulich sei, dass während der neunmonatigen Reihe überhaupt keine negativen Tendenzen gegenüber dem Judentum spürbar gewesen seien, resümierte der Freundeskreis-Vorstand nun. Überhaupt sei Antisemitismus im Kreis Unna kein spürbares Problem. Sollte es doch negative Entwicklungen geben, seien alle demokratischen Kräfte gefordert, diesen frühzeitig entgegen zu treten, so Goldmann.
Freundeskreis der jüdischen Gemeinde
Der Freundeskreis versteht sich als Bindeglied zwischen der jüdischen Gemeinde für den Kreis Unna und allen anderen Bürgern beziehungsweise Institutionen der Gesellschaft. Der Verein freut sich über Gleichgesinnte, die sich mit Ideen einbringen möchten. Interessierte können sich gern melden: info@freundeskreis-ha-kochaw.de; Tel. 02303-14939 (Pfarrbüro St. Katharina). Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.freundeskreis-ha-kochaw.de