Unwetter-Bilanz Emschergenossenschaft fordert: Ruhrpott muss Schwammgebiet werden

Emscher am Limit: Für den Oberlauf des Flusses verzeichnete die Emschergenossenschaft Mitte Juli ein Starkregenereignis, das statistisch gesehen alle 100 Jahre eintritt. Die Folgen in Holzwickede, wo das Gewässer entspringt, waren wie hier im Emscherpark unübersehbar.
Emscher am Limit: Für den Oberlauf des Flusses verzeichnete die Emschergenossenschaft Mitte Juli ein Starkregenereignis, das statistisch gesehen alle 100 Jahre eintritt. Die Folgen in Holzwickede, wo das Gewässer entspringt, waren wie hier im Emscherpark unübersehbar. © Dagmar Hornung
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Die Hochwasserrückhaltebecken haben ihre Aufgabe erfüllt, die Deiche haben gehalten, es kam zu keinen extremen Überflutungen – diese Bilanz zieht die zuständige Emschergenossenschaft für den Fluss, der in Holzwickede entspringt und bei Dinslaken in den Rhein mündet und in Zuständigkeit der Wasserwirtschafter liegt. Die sehen aber auch, dass aktuelle Maßnahmen künftig nicht mehr ausreichen könnten.

„Die Wasserwirtschaft hält alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge ein und geht mit dem Schutzniveau zum Teil deutlich über diese Vorgaben hinaus. Aufgrund des Klimawandels und der zunehmenden Intensität der Starkniederschläge reicht das aber zukünftig nicht aus“, fasst Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, zusammen.

„Müssen über neue Formung der Nutzung nachdenken“

Aufgrund der besonderen Situation im Ruhrgebiet mit einer hohen Bevölkerungsdichte, dem hohen Grad an versiegelten Flächen, einem enormen Schadenspotential und der Belastung durch Bergsenkungen, sieht der Chef des Wasserwirtschaftsverbandes weiteren Handlungsbedarf.

„Wir müssen deutlich mehr Retentionsflächen (Ausgleichsflächen, Anm. d. Red.) schaffen, die im Hochwasserfall kontrolliert geflutet werden können. Neben Finanzierungsfragen ist hierbei besonders die Flächenknappheit ein Problem. Hier gilt es, über neue Formen der gemeinsamen Nutzung von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft nachzudenken“, so Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.

Städte müssen funktionieren wie ein Schwamm

In den Städten müsse sich eine neue Form des Städtebaus etablieren, die dem Prinzip der „Schwammstadt“ folgt: Entsiegelung von befestigten Flächen, die Schaffung „multifunktionaler“ Flächen, bspw. Sportplätzen, die im Bedarfsfall geflutet werden können oder der Bau von Gründächern und Fassadenbegrünungen.

Die Erschließung von zusätzlichen Stauungsräumen in der Kanalisation durch eine optimierte, einheitliche Kanalnetzsteuerung und die Verringerung von Schnittstellen sei ebenfalls ein wichtiger Beitrag. „Im Ruhrgebiet hat die Ruhrkonferenz mit dem Projekt ‚Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft‘ ein leistungsfähiges Netzwerk der Wasserverbände und der Kommunen gegründet und bereits erste Projekte umgesetzt – für mich ein Modell mit Vorbildcharakter“, so Uli Paetzel.

Als Quellgemeinde der Emscher gehört im Kreis Unna auch Holzwickede diesem Netzwerk an. Im Bereich des Emscher-Oberlaufes wertet die Genossenschaft die aufgetretenen Starkregenzellen vom 13. auf den 14. Juli als „HQ 100“, also ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt. Die Folgen auch in Holzwickede: geflutete Gärten und Straßen, vollgelaufene Keller und Garagen.

Niederschlag in 24 Stunden über dem Juli-Mittel

An einer Messstation in Dortmund-Scharnhorst wurden in 24 Stunden 107 mm Niederschlag gemessen. Zum Vergleich: Der mittlere Juli-Niederschlag im Emscher-Gebiet beträgt 83 mm. Regenmengen von mehr als 200mm in den besonders betroffenen linksrheinischen Gebieten zeigen indes, dass ein System wie die Emscher künftig mit noch mehr Niederschlag in kurzer Zeit konfrontiert werden könnte. Solche Mengen würden laut Emanuel Grün auch die besten technischen Systeme nicht aufnehmen und abführen können.

Das Emscherrückhaltebecken zwischen Mengede und Castrop-Rauxel.
Emscherrückhaltebecken Mengede / Castrop-Rauxel © Team Vermessung/EGLV © Team Vermessung/EGLV

Im Emscher-Gebiet verhinderten auch die 22 Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft, die ein gesamtes Rückhaltevolumen von 2,8 Millionen Kubikmeter haben, Schlimmeres. Die Renaturierung der Gewässer nach der Abwasserfreiheit soll den Hochwasserschutz weiter verbessern: Oberflächen- und Abwasser werden getrennt abgeführt, eine Aufweitung der Gewässer bietet mehr Raum und begrünte Ufer sollen dafür sorgen, dass Wasser langsamer ablaufen kann.

Den Phoenix-See verbinden viele Menschen mit Naherholung. Dabei ist der künstlich angelegte See im Grunde ein gigantisches Regenrückhaltebecken.
Den Phoenix-See verbinden viele Menschen mit Naherholung. Dabei ist der künstlich angelegte See im Grunde ein gigantisches Regenrückhaltebecken. © Hans Blossey © Hans Blossey

Phoenix-See erstmals mit Wasser aus der Emscher geflutet

Der Phoenix See in Dortmund wurde in seiner Funktion als Hochwasserschutzanlage zusätzlich mit über 100.000 Kubikmetern Wasser aus der Emscher geflutet, was seit Inbetriebnahme vor zehn Jahren noch nicht geschehen ist. Die Wasserqualität vor Ort wird seither erfasst und kontrolliert. Aufräumarbeiten dauern an.

„Es sind keine Personen zu Schaden gekommen, das ist das allerwichtigste, und große Schäden an unseren eigenen Anlagen konnten weitgehend verhindert werden. Die Aufräum- und Wiederherstellungsarbeiten insbesondere an unseren Baustellen zum Emscher-Umbau werden uns allerdings noch einige Zeit beschäftigen“, fasst Uli Paetzel abschließend zusammen.

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