Azubi Jermyn Tänzer (19) „Einzelhandelskaufmann? Da habe ich erstmal geschmunzelt“

Jermyn Tänzer (19) macht eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei der Firma Holzland Beese in Unna. Unser Foto zeigt ihn beim Lackieren von Mustern, einem Azubi-Projekt.
Jermyn Tänzer (19) macht eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei der Firma Holzland Beese in Unna. Unser Foto zeigt ihn beim Lackieren von Mustern, einem Azubi-Projekt. © Marcel Drawe
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Es gibt Menschen, die betreten einen Raum und sind sofort präsent. Dass Ausstrahlung keine Frage des Alters sein muss, zeigt das Beispiel von Jermyn Tänzer. Als das Pressegespräch mit der Geschäftsleitung der Firma Holzland Beese, Landrat Mario Löhr und Vertretern der Werkstatt im Kreis Unna fast beendet ist, betritt der 19-jährige Unnaer den Besprechungsraum. „Ich freue mich, Sie hier begrüßen zu dürfen“, ruft Tänzer den Anwesenden ganz im Stile eines gut gelaunten Gastgebers mit einem gewinnenden Lächeln zu.

Eines ist da bereits spürbar: Da steht einer, der richtig Spaß hat an seiner Ausbildung und seinem Tun. Dabei ist Jermyn Tänzer erst seit dem 1. September im Betrieb und wollte eigentlich gar kein Einzelhandelskaufmann werden.

Beim Gedanken an eine solche Ausbildung habe er sich im Supermarkt an der Kasse sitzen sehen, sagt Tänzer und macht keinen Hehl daraus, dass ein Job als Kassierer nicht so seins gewesen wäre. „Als ich Einzelhandelskaufmann hörte, habe ich erstmal geschmunzelt.“ Die nun gewählte Ausbildungsstätte im Holzfachhandel sei aber „ganz anders und sehr vielfältig“, betont Tänzer.

Michelle Riedel (21) hat vor einigen Tagen im Unnaer Holzfachhandel von Holzland Beese ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau begonnen.
Michelle Riedel (21) hat vor einigen Tagen im Unnaer Holzfachhandel von Holzland Beese ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau begonnen. © Marcel Drawe

Der Aspekt der Beratung stehe hier in den Gesprächen mit den Kunden an erster Stelle „und es geht nicht darum, in welchem Regal der Joghurt steht“, sagt Tänzer mit einem Augenzwinkern. Nicht nur er wirkt hochzufrieden, sondern auch seine Vorgesetzte. „Nach acht Wochen“, schildert Beese-Ausbildungsleiterin Angela Wegner, „hat Herr Tänzer hier seinen ersten Tisch verkauft.“

Das ist durchaus ungewöhnlich, weil ein Azubi im ersten Lehrjahr normalerweise kein Verkaufsgespräch eigenständig und ganz allein führt. Tänzer aber scheint ein Naturtalent zu sein. „Die Kunden waren jedenfalls so zufrieden, dass sie anschließend auch noch eine Terrasse bei ihm kaufen wollten“, sagt Kai-Alexander Braun, Geschäftsführer bei Holzland Beese.

Beim Ortstermin zur Ausbildungsoffensive im Kreis Unna in den Räumlichkeiten von Holzland Beese trafen sich (hinten v.l.) Ausbildungscoach Olaf Maise, Landrat Mario Löhr, Werkstatt-Geschäftsführer Herbert Dörmann, Beese-Geschäftsführer Kai-Alexander Braun, die Azubis Jermyn Tänzer und Michelle Riedel sowie Ausbildungsleiterin Angela Wegner.
Beim Ortstermin zur Ausbildungsoffensive im Kreis Unna in den Räumlichkeiten von Holzland Beese trafen sich (hinten v.l.) Ausbildungscoach Olaf Maise, Landrat Mario Löhr, Werkstatt-Geschäftsführer Herbert Dörmann, Beese-Geschäftsführer Kai-Alexander Braun, die Azubis Jermyn Tänzer und Michelle Riedel sowie Ausbildungsleiterin Angela Wegner. © Marcel Drawe

Dass es sich mit der Ausbildung von Jermyn Tänzer so vielversprechend anlässt, freut nicht nur die unmittelbar Beteiligten. Die Werkstatt im Kreis Unna organisiert im Zuge einer Ausbildungsoffensive von Landrat Mario Löhr gerade 350 Ausbildungsstellen in 58 unterschiedlichen Berufen. „Immer mehr Jugendliche aus Haupt- und Realschulen bleiben ohne Ausbildungsplatz“, sagt Werkstatt-Geschäftsführer Herbert Dörmann. Neben Jugendlichen mit besonderer Benachteiligung gelte es sich auch um diese Schulabgänger intensiv zu kümmern. „Damit sie eine gesicherte Berufsperspektive erhalten und den Unternehmen in unserer Region nicht als Fachkräfte verloren gehen“, sagt Dörmann.

Teil der Ausbildungsoffensive sind neben der Werkstatt die Bundesagentur für Arbeit, das Jobcenter, die Kammern, die Kreishandwerkerschaft, die Berufskollegs und die Wirtschaftsförderung des Kreises Unna. Sie alle sind sich einig darin, dass es sich der Kreis Unna in Zeiten des Fachkräftemangels erst recht nicht mehr leisten kann, Ausbildungsplätze unbesetzt zu lassen

„Passungsproblem“ bei Ausbildungsplätzen

Doch genau dieses Problem besteht nach wie vor. Ende September 2022 waren für das laufende Ausbildungsjahr noch 176 Ausbildungsplätze im Kreis Unna unbesetzt – obwohl es genügend unversorgte Bewerber gibt. Die Werkstatt kümmert sich darum, dieses „Passungsproblem“ zu lösen.

Bei Holzland Beese hat man damit nun schon zum zweiten Mal gute Erfahrungen gemacht. Im Januar startete Michelle Riedel ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Die 21-jährige Unnaerin hatte trotz Fachhochschulreife bisher nichts Passendes gefunden. Auch sie berichtet, einer Ausbildung im Einzelhandel zunächst skeptisch gegenüber gestanden zu haben. Doch die Gespräche mit Ausbildungsleiterin Angela Wegner – und nicht zuletzt die Erfahrungen von Mit-Azubi Jermyn Tänzer – hätten sie dann überzeugt.

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