
Schwungvoll sollte der Segen für die Radfahrerinnen und Radfahrer auf der Wiese vor St. Josef ausfallen – Mona Schomers hatte entsprechend ausgeholt. Der Aspergill mit dem Weihwasser flog hoch über die Köpfe der etwa 50 Umstehenden hinweg, niemand wurde getroffen. Da hatte auch keiner einen Helm auf…
Nach dem spannenden, sehr gut vorbereiteten Gottesdienst in der Westicker Fahrradkirche sollten draußen, nein, eben nicht die Räder, sondern die Radfahrerinnen und Radfahrer auf allen ihren Wegen gesegnet sein. „Wer gesegnet ist, der kann nicht anders, der soll ein Segen für die anderen sein“, hatten die Gemeindereferentinnen Henrike Buschulte und Mona Schomers zuvor in der Kirche das Evangelium ausgedeutet.

Es hätte somit auch niemand getroffen werden können. Der Aspergill war schnell repariert, die Segnung wurde etwas weniger schwungvoll, aber mit dem nötigen Elan und Anspruch ausgeführt. Weiterhin barhäuptig nahm die zahlreich versammelte Gemeinde den Segen entgegen.
Sicherer unterwegs als ohne Segen
„Das ist ja kein Zauberspruch“, sagt Anni Grüne, die extra mit ihrem Drahtesel zur Kirche gekommen ist. Ihr Rad sei auch nach der Segnung mit dem Weihwasser dasselbe Rad, aber der Wunsch künftig behütet und gesegnet unterwegs zu sein, der sei ihr doch sehr wichtig. Maja Neidert, eine der Jüngsten im Gottesdienst in St. Josef, findet schon, dass der Segen einen Unterschied macht. Der Teenager klebt den Heiligen Christophorus aufs Rad: „Ich weiß, dass ich jetzt sicherer unterwegs bin als ohne Segen.“
Ihr Papa, Frank Neidert, fährt täglich 30 Kilometer zur Arbeit mit dem Rad. Er findet es wichtig, dass auch das Fortbewegungsmittel unter Schutz gestellt ist: „Das ist das Rundum-Sorglos-Paket.“ Für die Mäsings aus Halingen ist das Rad bewusst Fortbewegungsmittel Nummer 1, erst danach wird das Auto zur Alternative. Dazu muss das Rad aber genauso vor der Tür parat stehen wie das Auto.

So sieht das auch Klaus Schlünder, der fährt im Jahr 13.000 Kilometer mit dem Rad, also täglich zwischen 25 und 130 Kilometer. Der Mendener meint, die Region sei noch lange nicht fahrradfreundlich genug, aber die Autofahrer um ihn herum seien inzwischen etwas besonnener.
Räder am Altar, Musik von den Wise Guys
Das Gewand geriet ihnen nicht in die Speichen: Henrike Buschulte und Mona Schomers kamen als Wort-Gottes-Feier-Leiterinnen der Pfarrgemeinde St. Marien gleich zu Beginn auf ihren Rädern in St. Josef bis vor den Altar gerollt – zu den sommerlichen A-Capella-Klängen der Wise Guys. Mit den Lektorinnen Silvia und Maria Schmidt gestalteten nur Frauen einen Gottesdienst, bei dem Parallelen zwischen dem sportlichen Radfahren und dem Leben gezogen wurden.
Zu den Fürbitten wurden zu den „Bicycle“-Klängen der Rockband Queen symbolisch eine Luftpumpe, eine Klingel, ein Helm, eine Radwegekarte und ein Erst-Hilfe-Set vor dem Alter abgelegt. Manchmal könne man auch im Leben nur von Kurve zu Kurve planen, manchmal müsse man sich in der Bergetappe durchbeißen. Radfahren sei oft ein Teamsport, Langsamere müssen von den Schnelleren mitgezogen werden. Mit Gottes Hilfe könne es gelingen auch die letzten Kraftreserven zu mobilisieren.

Radfahren sei wie Pilgern, es gehe relativ langsam und mit Bedacht voran, die Natur und damit Gottes Schöpfung seien intensiver zu spüren, Begegnungen mit anderen Menschen seien direkter möglich als durch das Autofenster.
„In der Bibel werden keine Geräte gesegnet“, sagte Henrike Buschulte. Deshalb wurden symbolisch zwar anschließend die Fahrräder, aber vor allem diejenigen, die damit unterwegs sind, gesegnet. Übrigens dürfe jede Christin, jeder Christ segnen und einen gut Wunsch damit aussprechen.
Ein Priester hätte draußen auf der Wiese den Aspergill nicht weiter geschleudert als die wohlmeinende Gemeindereferentin. Aber wenn der Wasserkessel umgekippt wäre, hätte nur er neues Wasser weihen können…