Warum die Polizei den Stadionkletterer nicht erschossen hat Details zum Einsatz beim EM-Spiel

Ein Mann ist am Samstag auf dem Dach des BVB Stadions in Dortmund herumgeklettert. Nicht der erste Vorfall.
Ein Mann ist am Samstag auf dem Dach des BVB Stadions in Dortmund herumgeklettert. Nicht der erste Vorfall. © © X / @Felix28051223
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Das waghalsige Abenteuer eines 21-Jährigen aus Osnabrück hatte beim EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark am Samstagabend (29.6.) einen aufwendigen Polizei-Einsatz in Dortmund ausgelöst. Rund anderthalb Stunden lang kletterte der Mann auf dem Dach des Dortmunder Stadions beziehungsweise auf der Dachkonstruktion herum – während das Spiel vor rund 61.000 Zuschauern lief.

Polizeibeamte bei einer Übung für einen Großeinsatz in Dortmund im Juni 2023.
Polizeibeamte bei einer Übung für einen Großeinsatz in Dortmund im Juni 2023.© Karsten Wickern (Archiv)

Eine gefährliche Aktion, die umgehend die Polizei auf den Plan rief. Sie schnappte den Mann, der in seiner ersten Vernehmung angab, was er dort oben wollte: Er habe „gute Fotos“ machen wollen, zitiert ihn die Polizei.

Der 21-Jährige ist ein sogenannter Roofer. Das sind Menschen, die sich – meist illegal – Zutritt zu hohen Gebäuden verschaffen, um von dort spektakuläre Aufnahmen zu machen. In der Regel präsentieren Roofer ihre „Beute“ später auf Social Media.

Mittlerweile ist klar, dass sich der Mann nicht zum ersten Mal Ärger eingehandelt hat. Die Polizei ermittelte, dass er „bereits im April 2022 in Herne und im Mai 2024 in Ulm an markanten Gebäuden in großen Höhen Fotos aufnehmen wollte“. Die Strafverfahren laufen.

Ob der Roofer Fotos gemacht hat, ist nicht bekannt. Und auch nicht, wie es ihm gelungen ist, sich Zutritt zu verschaffen. Hatte er ein Ticket? Wie schleuste er seinen Rucksack mit Foto-Ausrüstung ins Stadion? Hatte er Komplizen?

UEFA für Sicherheit zuständig

Für die Stadionsicherheit sei die Polizei nicht zuständig, wie Sprecher Torsten Sziesze betont. Er verweist an die DFB EURO GmbH. Hinweise auf mögliche Komplizen des Roofers habe die Polizei jedenfalls nicht.

Die DFB Euro GmbH und die UEFA versenden auf Nachfrage unserer Redaktion gleichlautende Stellungnahmen, die nicht zur Aufklärung beitragen. Sicherheit habe Priorität, heißt es. Man danke der Polizei und werde die Sicherheitsmaßnahmen in den EM-Stadien weiter überprüfen. Die UEFA ergänzt: „Kein weiterer Kommentar zu diesem Zeitpunkt.“

Bleibt die Frage, warum die Polizei den Mann so lange gewähren ließ. In seinem Rucksack hätte er schließlich auch Sprengstoff transportieren können. Warum hat die Polizei ihn nicht erschossen?

Bereits vor dem Beginn der zweiten Hälfte war klar, dass er sich auf dem Dach aufhielt. Darüber hatte der Schiedsrichter die beiden Kapitäne der Nationalteams informiert. Letztlich wurden weder der Spielverlauf noch die Abreise der Fans gestört.

Die Polizei fuhr groß auf – mit Spezialeinsatzkräften, Drohnen und Hubschrauber. Von einer Mehrheit blieb der Einsatz dennoch unbemerkt. Sprecher Torsten Sziesze sagt, dass die Polizei den Mann die ganze Zeit über im Blick gehabt habe. Er spricht von einer „lückenlosen Beobachtung und Lageeinschätzung“. Man habe etwa wahrnehmen können, wie sich der Mann verhält und wie er sich bewegt.

Aus „taktischen Gründen“ möchte die Polizei keine weiteren Details nennen. Sie kam jedoch zu dem Schluss, dass der Mann keine Gefahr für andere darstellte.

Zugriff nach Abpfiff

Weit nach Abpfiff des Spiels, laut Polizei um 23.44 Uhr, sei der Mann Anweisungen von Polizeikräften gefolgt und auf einen Steg unter dem Dach zurückgekehrt. „Kräfte einer Spezialeinheit nahmen ihn dort fest, fesselten und durchsuchten ihn. Gefährliche Gegenstände führte der Mann nicht mit sich“, berichtet Sziesze.

Der Sprecher ergänzt, dass die Situation auch aufgrund des Gewitters zuvor sowohl für den 21-Jährigen als auch für Einsatzkräfte gefährlich gewesen sei. Schließlich sei es auf dem Dach nass und rutschig gewesen. Man habe auch an „Eigensicherung“ denken müssen, so Sziesze.

Auf einem Amateurvideo, das den Zugriff zeigen soll und auf X (Ex-Twitter) veröffentlicht wurde, ist zu sehen, dass der Mann mit einer Sturmhaube maskiert war. Ihn vorher zu erkennen, war also nicht möglich. Das Video zeigt, wie der Roofer über die Dachkonstruktion auf den Steg läuft, wo ihn Spezialkräfte augenscheinlich mit vorgehaltener Waffe erwarten. Sie nehmen ihm seinen Rucksack weg, fesseln ihn und nehmen ihm dann seine Sturmhaube ab.

Der Mann ist wieder auf freiem Fuß. Gegen ihn wird wegen Hausfriedensbruchs ermittelt. Außerdem könnte die Aktion für ihn teuer werden. Die Polizei prüft, ob er die Kosten für den Einsatz zahlen muss.

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