Alexander* will ein „guter Mann“ sein - und betrügt seine Frau Therapeut erklärt, wie das zusammenpasst

Benedikt Bock ist Paartherapeut aus Dortmund, der unter anderem eine Beratung speziell für Männer anbietet. In der Kolumne „Beziehungsweise“ berichtet er, mit welchen Beziehungsproblemen Männer zu ihm kommen und welche Lösungen er mit ihnen findet.
Benedikt Bock ist Paartherapeut aus Dortmund, der unter anderem eine Beratung speziell für Männer anbietet. In der Kolumne „Beziehungsweise“ berichtet er, mit welchen Beziehungsproblemen Männer zu ihm kommen und welche Lösungen er mit ihnen findet. © Stephan Schütze
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Männer sind von Natur aus aggressiv – so die Vorstellung in vielen Gesellschaften. Paartherapeut Benedikt Bock aus Dortmund erlebt jedoch, dass viele Männer gerade mit dieser Erwartung an sie zu kämpfen haben. Bock erinnert in dem Zusammenhang an Alexander (Name geändert), von dem er bereits einmal in dieser Kolumne berichtet hat.

„Er kam in meine Praxis wegen einer bereits länger dauernden Affäre“, berichtet Bock. „Weder konnte er sich aus dieser befreien, noch konnte er einfach entscheiden, seine Frau zu verlassen. Er wollte niemandem weh tun. Was war der Hintergrund?“

Benedikt Bock erklärt das so: Die Mutter trennte sich vom Vater, als Alexander acht Jahre alt war. Der Vater gründete mit seiner Affäre eine weitere Familie. Frustriert blieb die Mutter zurück und hatte eine klare Vorstellung: Alexander sollte ein Mann werden, der das Gegenteil vom sie betrügenden Vater war. Einer, der rücksichtsvoll ist, der gut mit Frauen umgeht.

In der guten und konstruktiven Absicht, ihn zu einem Mann zu machen, der gut mit Frauen umgeht, lernte Alexander, dass eine Frau – seine Mutter – besser weiß, wann ein Mann gut ist, und dass ein Mann, der gegen diese Vorstellung der Mutter verstößt, Frauen schadet. Gleichzeitig fehlte ihm die Vaterfigur, die ihm ein positives Bild von Männlichkeit vermittelte.

Er war daher später nicht in der Lage, seine Frau mit seinen Bedürfnissen zu konfrontieren. So verlagerte er diese in eine Affäre, aus der er nicht herauskam.

Aggression ist nicht immer schlecht

Was Alexanders Geschichte mit männlicher Aggression zu tun hat? „Wenn es darum geht, was einen ‚guten‘ Mann ausmacht, steht meist ein Aspekt besonders im Mittelpunkt: Der Umgang mit der eigenen Aggression und wie diese bewertet wird“, sagt Bock. Der Begriff „Aggression“ müsse dabei aber weiter gefasst werden als in der Alltagssprache. Das lateinische Wort, von dem das Wort „Aggression“ abstammt, bedeute „herangehen, beginnen, wagen“ und auch, aber nicht nur „angreifen“.

Benedikt Bock sagt: „Dass für Männer der Umgang mit der eigenen Aggression eine zentrale Rolle spielt, dürfte kaum jemanden überraschen, gehört Aggression von jeher und bis heute zu einem Wesensmerkmal, das Männern zugeschrieben wird. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten war die Rolle des Mannes diejenige des Soldaten, des Kämpfers, des Jägers, des Beschützers – und desjenigen, der für die materielle Sicherheit der Familie zu sorgen hatte. Auch denken die meisten, wenn sie sich eine prähistorische (also eine vermeintlich ‚archaische‘) Gesellschaft von Jägern und Sammlern vorstellen, an Tiere jagende Männer und Beeren sammelnde Frauen, die währenddessen ihre Kinder mit sich herumtragen (allerdings haben in Wirklichkeit wahrscheinlich auch Frauen gejagt).“

Der alte und der neue Mann

Für Männer ergebe sich, so Benedikt Bock, aus diesen alten Bildern bis heute die Anforderung, Schmerzen zu ertragen, Gefühle nicht zu zeigen oder noch besser nicht zu spüren und vor allem „Zähne zu zeigen“.

Dem stehe jedoch das Bild des „neuen“ Mannes gegenüber: Der ist kommunikativ, empathisch und auf Augenhöhe bedacht. Er hört gut zu und spricht offen über seine Gefühle, die er gut erspüren kann. Aggressionen zeigt er nicht ungefiltert, er kämpft vor allem mit Worten. Er beteiligt sich gleichberechtigt mit seiner Partnerin am Haushalt und an der Erziehung der Kinder. „Diesem modernen Bild versuchen viele, vor allem bildungsbürgerliche Männer zu entsprechen“, sagt Bock.

„War Aggression früher gewissermaßen der positive ‚Markenkern‘ des Mannes, ist sie heute zentrales Merkmal der Karikatur der negativen Männlichkeit, nämlich des Begriffs des ‚alten weißen Mannes‘“, so Bock.

Ein „guter Mann“ werden

Dabei müsse man jedoch beachten, dass Aggression oft nur mit seiner destruktiven Seite in Verbindung gebracht wird, mit Gewalt. Aggression bedeutet psychologisch aber zunächst nur, dass jemand an etwas mit Entschiedenheit herantritt. Aggression kann also auch positiv bedeuten, dass man für sich einstehen und etwas durchsetzen kann.

Männliche Aggression lernte Alexander durch seine Mutter zwar nicht als gewalttätiges Verhalten kennen, aber als eines, bei dem sich der Mann ohne Rücksicht auf Verluste nimmt, was er will.

Alexander war so verunsichert von dem Bild männlicher Aggression, das ihm seine Mutter vermittelt hatte, dass sein Verhalten ins andere extrem umschlug: Aus Angst, selbst zu aggressiv, zu rücksichtslos zu sein, verdrängte er seine eigenen Bedürfnisse völlig.

Als er dieses Muster jedoch erkannt hatte, fand er schließlich Zugang zur konstruktiven Seite seiner Aggression, seiner Durchsetzungskraft. Er konnte die Affäre beenden und seine Frau mit seinen Wünschen konfrontieren, ohne sich als Frauen schadender Mann zu fühlen. „Wobei er ironischerweise vorher eine Situation geschaffen hatte, die für die beiden Frauen und für ihn schädlich war – ein Beispiel dafür, dass wir oft im Ergebnis das tun, was wir eigentlich vermeiden wollen“, so Bock.

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