So verwüstet ist die alte Hoesch-Zentrale Stadt Dortmund sucht Ideen für „Lost Place“

Horst Nehm von der Stadt Dortmund vor der ehemaligen Hoesch-Zentrale an der Rheinischen Straße.
Horst Nehm ist als Leiter des städtischen Sondervermögens Technologiezentrum jetzt Hausherr über die alte Hoesch-Verwaltung an der Rheinischen Straße. © Oliver Volmerich
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Horst Nehm hat eine große Taschenlampe in der Hand. Der Kellergang in der alten Hoesch-Verwaltung in Dortmund ist dunkel. „Der Strom ist abgestellt“, sagt Nehm. Das, was man sieht, ist erschreckend genug. Zerstörung so weit der Lichtkegel der Taschenlampe reicht. Heizkörper sind herausgerissen, Waschbecken auf dem Boden zertrümmert, Wände eingetreten, Schutt und Scherben liegen auf dem Boden.

Weiter oben, wo das Tageslicht die Räume erhellt, sieht es nicht besser aus. Graffiti überdecken die Wände im Treppenhaus und die Säulenhalle des Foyers mit seinen historischen Reliefs. Hier ist der einstige Glanz des Gebäudes noch spürbar.

Die Eingangshalle der alten Hoesch-Zentrale.
Die Eingangshalle erinnert an die Geschichte des Gebäudes als Zentrale eines Stahlunternehmens.© Oliver Volmerich

Zwischen 1916 und 1920 war es als Verwaltungsgebäude des Eisen- und Stahlwerks Union, das damals zur „Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks und Hütten AG“, Kurz „Deutsch-Lux“ gehörte, gebaut worden. „Hier werden mit den Mitteln der Architektur Machtansprüche angemeldet“, erklärte einst die Architekturexpertin Renate Kastorff-Viehmann die monumentale Bauart, die an einen Renaissance-Palazzo erinnere. Dazu tragen auch die zahlreichen Ornamente und Reliefs in der Eingangshalle bei, die teilweise in heroisierende Form die Bergbau- und Stahlindustrie darstellen. Sie sind noch weitgehend erhalten.

Ein Flur mit Schutt und kaputten Fenstern in der alten Hoesch-Zentrale in Dortmund.
In jedem Raum und in jedem Flur gibt es Zerstörungen.© Oliver Volmerich

Das lässt sich über das weitere Prunkstück des mächtigen Verwaltungsbaus leider nicht sagen. Im holzvertäfelte Sitzungssaal im ersten Stock tagten einst die Vorstände und der Aufsichtsrat der Hoesch Stahl AG, die später in dem Gebäude residierte. Auch die erste Stadtrats-Sitzung nach dem Zweiten Weltkrieg fand hier statt. Den Krieg hatte der Monumentalbau einigermaßen gut überstanden, den Vandalismus der letzten Jahre leider nicht.

Nachdem das Versorgungsamt als letzter Nutzer 2011 ausgezogen ist, wechselte das Gebäude mehrfach den Eigentümer. Diverse Pläne für Wohnen oder ein Hotel wurden nie in die Tat umgesetzt. Irgendwann wurde auch der letzte Hausmeister eingespart. Das Gebäude wurde zum „Lost Place“, das zahlreiche ungebetene Besucher anzog. Einige brachten eine gehörige Zerstörungswut mit. „Ich habe noch keinen Raum gefunden, in dem nichts zerstört ist“, bilanziert Horst Nehm.

Der Leiter des Sondervermögens Technologiezentrum ist jetzt gewissermaßen der Hausherr. Die Stadt hat über das Sondervermögen das Gebäude gekauft, um es vor weiteren Spekulationsgeschäften zu schützen und zu sichern. Inzwischen gibt es eine Videoüberwachung und Bewegungsmelder, die beim geführten Besuch der Journalisten-Gruppe gleich zweimal auslösen und die Polizei alarmieren.

Für den Sitzungssaal kam die Rettung zu spät. Die Kronleuchter sind heruntergerissen, der Sitzungstisch zerstört und verbrannt, ebenso wie Wände und Stuckdecke des Raums. Im August 2023 wurde hier Feuer gelegt. Was nicht verbrannte, wurde auf andere Art zerstört. Die Wände sind mit Graffiti übersät.

Horst Nehm im ausgebrannten Sitzungssaal der alten Hoesch-Zentrale in Dortmund.
Nach einem Brand im August 2023 ist der alte Sitzungssaal fast komplett zerstört.© Oliver Volmerich

„Alle, die hier hereinkommen, sind schockiert“, erzählt Horst Nehm. „Der historische Wert ist komplett zerstört.“ Jetzt stellt sich die Frage, ob und was sich davon rekonstruieren lässt. Weite Teile des Gebäudes stehen unter Denkmalschutz. „Das muss und soll auch wieder so hergerichtet werden“, sagt Nehm. „Da wird viel Arbeit auf uns zukommen.“

Stahlgerüst ist Besonderheit

Immerhin: Der eigentlichen Bausubstanz gibt Immobilien-Experte Nehm die Note „befriedigend“. Das Besondere: Das Gebäude wird von einem Stahlgerüst getragen. „Die alte Union-Verwaltung ist nur eines von zwei Gebäuden, die in dieser Bauweise errichtet wurden“, erklärt Horst Nehm. In einigen Räumen sind die Stahlträger für Untersuchungen freigelegt worden. Dem Stahlständerwerk bescheinigt Nehm eine hohe Qualität. „Die Dortmunder Stahlkocher haben hier qualitativ hochwertige Produkte verbaut“, stellt Nehm fest.

Ein Stahlgerüst trägt das Gebäude der alten Hoesch-Zentrale in Dortmund. Für Untersuchungen ist ein Teil davon freigelegt worden.
Ein Stahlgerüst trägt das Gebäude. Für Untersuchungen ist ein Teil davon freigelegt worden.© Oliver Volmerich

Trotzdem wird für die Herrichtung des Gebäudes viel Geld nötig sein. Und viel Fantasie. Denn die künftige Nutzung ist noch offen. Ein Umbau zum repräsentativen Wohnhaus dürfte an den hohen Kosten scheitern, überlegt der Leiter des Sondervermögens. Also läuft es wohl doch wieder auf eine Büronutzung hinaus.

Zuletzt hatte Stadtdirektor Jörg Stüdemann angekündigt, dem Rat in „der zweiten Hälfte 2025“ eine erste Machbarkeitsstudie vorzulegen, die den Sanierungsbedarf des Gebäudes beziffert und erste Ideen für eine mögliche Neunutzung liefert. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, was mit dem Gebäude passiert, stellt auch Horst Nehm fest. Jetzt gilt es erst einmal, weitere Zerstörungen zu verhindern.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 15. April 2025.

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