Zimmerpflanzen boomen Meinen Grünpflanzen droht immer das ganz schnelle Ende

Eine Flamingoblume steht in einer Küche
Topfpflanzen sind wieder schwer angesagt. Unser Autor aber hat keinen grünen Daumen von seiner Mutter geerbt. © picture alliance/dpa
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Meine Mutter hatte das, was man gemeinhin einen „Grünen Daumen“ nennt. Ihre Geranien, Petunien und Fuchsien in den Balkonkästen waren Sommer für Sommer eine wahre Pracht, in unserer Wohnsiedlung legendär. Und auch mit ihren Wohnzimmer-Pflanzen hatte sie eine sehr intensive Beziehung, die beiden Seiten zur gegenseitigen Genugtuung gereichte.

Zu jener Zeit, also in den 1960er- und 70er-Jahren war in deutschen Wohnstuben der Gummibaum ein unerlässlicher Einrichtungsgegenstand. Während die Gummibäume bei Nachbarn und Verwandten freilich oft genug ein eher karges und spiddeliges Dasein fristeten, mäanderte der Gummibaum meiner Mutter durch das halbe Wohnzimmer, musste von meinem Vater als willfährigem Gehilfen mittels Deckenhaken und Schnüren bei seinem ausufernden Wachstum gesichert werden.

Den grünen Daumen hat uns meine Mutter nicht vererbt. Nach meinem Auszug versuchten ich und meine Freundin es grüntechnisch, wie es in den 80er-Jahren so üblich war, mit der unvermeidlichen Yucca-Palme und der ebenso angesagten Birkenfeige (Ficus benjamini). Die Versuche endeten aber jeweils mehr oder minder schnell in Totalverlusten.

Eine Ficus benjamini steht neben einer Anrichte in einem Wohnraum
Dire Birkenfeige war schon einmal schwer angesagt. Überlebt hat sie bei unserem Autor nicht lange.© picture alliance

Danach verabschiedeten ich und meine (inzwischen) Ehefrau uns von Topfpflanzen in der Wohnung. Überhaupt begann in der Republik eine lange Zeit, in der Grünpflanzen in Innenräumen zum immer selteneren Einrichtungsdetail wurden. Schnittblumen nahmen ihren Platz ein, mussten allerdings regelmäßig für mehr oder minder teures Geld ersetzt werden.

Zur Zimmer-Topfpflanze sind wir bis heute nicht mehr wirklich zurückgekehrt, abgesehen von kleineren (geschenkten) Exemplaren, die es allerdings auch nie zu wirklicher Pracht in unseren vier Wänden gebracht haben. Erst vor gar nicht so langer Zeit ist uns ein garantiert narrensicher-pflegeleichtes Gewächs unter den gar nicht grünen Daumen eingegangen.

Dabei ist die Topfpflanze in Deutschland als Zimmerschmuck längst wieder zum gefragten Gewächs geworden. Und auch auf vielen Büroetagen sind Grünpflanzen zu einem must have geworden. Nach der Begrünung der Büros eines Industrieunternehmens wurden die Mitarbeiter nach den Effekten befragt – und das Ergebnis einer Studie der Fraunhofer-Institute war überzeugend.

99 Prozent der Befragten hatten den Eindruck, die Luft sei besser geworden. 93 Prozent fühlten sich wohler als vorher und durch Geräusche weniger gestört. Fast die Hälfte der Mitarbeiter gab an, entspannter zu sein, und rund ein Drittel fühlte sich durch die Begrünung mit Büropflanzen motivierter.

Denn Zimmerpflanzen sind für viele Menschen mehr als nur Dekoration: Sie sind emotionale Anker im Alltag. Wie eng die Verbindung ist, zeigt eine aktuelle Studie der University of South Australia. Heraus kam: Zimmerpflanzen sind für einige Menschen ähnlich enge Begleiter wie ein Haustier oder ein Kind. Manche betrachten ihre Pflanzen sogar als Teil der Familie, machen sich Sorgen um deren Gesundheit und trauern, wenn eine Pflanze eingeht.

Zimmerpflanzen erleben daher seit Jahren einen neuen Boom. Der weltweite Markt für Pflanzen in Innenräumen wird Prognosen zufolge bis 2031 auf über 28 Milliarden US-Dollar anwachsen. Das Bedürfnis nach Natur in den eigenen vier Wänden hat sich gerade während der Corona-Pandemie verstärkt, als der Zugang zu Parks und Gärten vielerorts eingeschränkt war.

Meine Mutter wäre glücklich mit dieser Entwicklung.

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In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.

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