Sozialpolitischer Sprengsatz Wohnraum ist viel zu ungleich verteilt oder steht bewusst leer

Eine Neubausiedlung mit Doppelhaushälften
Wie man wohnt hat entscheidende Auswirkung auf die mentale Situation. © Oliver Berg
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Eine im Februar 2025 vorgelegte Studie im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“ (Bundesverband Baustoffhandel, Caritas, Deutscher Mieterbund, Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und Industriegewerkschaft Bau) belegt, dass in Deutschland rund 550.000 Wohnungen fehlen. Zugleich besagten Zahlen des Zensus 2022, dass im Mai 2022 bundesweit 1,9 Millionen Wohnungen leer standen.

Was läuft da schief in Deutschland? Nur am fehlenden Geld der öffentlichen Hand kann die Wohnmisere den frappierenden Zahlen zufolge nicht liegen. Warum lassen Vermieter so viele Wohnungen leer stehen? Rechnen sich für manchen (Groß)Vermieter Leerstände mit entsprechenden Abschreibungsmöglichkeiten mehr als vermietete Wohnungen? Haben wir vielleicht mehr ein steuerpolitisches Dilemma als ein wohnwirtschaftliches?

Ein Blick auf die Fassade eines Wohnhauses mit einer Vielzahl an Wohnungen.
Wohnen ist Lebensgefühl. Wie fühlt man sich in einer solchen Wohnsituation?© picture alliance/dpa/APA

Gutes und bezahlbares Wohnen ist dabei eines der drängendsten sozialen Themen in Deutschland. Migrationsfragen hin oder her. Jeder Mensch ist unweigerlich von der Wohn-Thematik betroffen und auch auf die allgemeine Lebensqualität kann die Wohnsituation einen starken Effekt haben. Wer schön und bezahlbar wohnt, dem geht es mental viel besser als jenem, der mit vielen Menschen in beengten Verhältnissen klarkommen muss und dem die Miete samt der Nebenkosten einen Großteil des Lohnes auffrisst. Und trotzdem spielte das Thema in der politischen Diskussion vor den Bundestagswahlen nur eine untergeordnete Rolle.

Das kann auf Dauer ebenso fatal werden wie die Vernachlässigung der Klimafrage, die weder vor der Wahl noch nach der Wahl eine größere Rolle spielt. Schon gar nicht in Fernsehdiskussionen und bei Stammtischreden vieler populistischer Politiker. Dabei können die dramatischen Folgen eines anhaltenden Klimawandels zu echten Katastrophen führen. Und die Folgen eines anhaltenden Wohnraum-Mangels zu noch mehr sozialen Verwerfungen in einem eh schon mehr als gespaltenen Land.

Laut Statistischem Bundesamt ist die tatsächlich verfügbare Wohnfläche pro Kopf dabei umso größer, je weniger Personen in einem Haushalt leben. „Menschen im Alter von mindestens 65 Jahren leben nicht nur besonders häufig allein, sie haben unter den Alleinlebenden auch im Schnitt den größten Wohnraum zur Verfügung: pro Kopf 83,0 Quadratmeter“, so das Amt.

Besonders groß ist der Wohnraum-Unterschied zwischen Alten und Jungen demnach in Eigentümerhaushalten. Wie das Statistische Bundesamt erklärt, haben Eigentümerhaushalte, in denen die Haupteinkommensbezieher mindestens 65 Jahre alt sind, eine Wohnfläche von 78,1 Quadratmetern pro Kopf, und damit 28 Prozent mehr Fläche als die nächstjüngere Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen mit 61,0 Quadratmetern. Bei Mieterhaushalten hingegen sind es rund 20 Prozent mehr.

Wir haben also eigentlich mehr als genug Wohnraum in Deutschland, könnte man sagen. Er ist nur (wie der Reichtum generell) offenbar zu ungleich verteilt oder bleibt leer stehen, weil Eigentümer davon mehr profitieren als von der Vermietung. Eine sozialpolitische Katastrophe. Und weit entfernt von Wohnträumen, um die es in dieser Kolumne eigentlich gehen soll.

Zum Thema

In den „Wohn(t)räumen“ befasst sich Thomas Schroeter regelmäßig auf sehr persönliche Art mit dem Wohnen. Da kann es um neue Trends gehen, um Wohnphilosophien, um Bauärger oder Küchendeko. Einfach um alles, was das Wohnen im Alltag ausmacht.

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