Es ist ein Sinnbild der aktuellen Situation: Am Montagmorgen brach ein großer Ast aus einer Kastanie an der Friedrich-Ebert-Straße in Höhe der Kreuzung zur Parkstraße. Der Grund: Der Baum hat nicht genügend Wasser – und reduziert mit dem Astbruch seine eigene Verdunstungsfläche. Das Phänomen, das die Fachleute „Bruch sommergrüner Äste“ nennen, zeigt auf dramatische Weise, wie es um Unnas Stadtbäume bestellt ist.
„Die Bäume vertrocknen uns gerade reihenweise“ – so bringt es Ralf Calovini, Leiter des städtischen Grünflächenbereichs bei den Stadtbetrieben, auf den Punkt. Das zweite Jahr in Folge, das von extremer Trockenheit und Hitze geprägt ist, setzt den Bäumen in der Stadt massiv zu. Da hilft auch das bisschen Regen nicht, das vor einigen Tagen fiel. „16 Wochen Regen wären nötig, damit es besser wird“, sagt Calovini.
Das aktuelle Beispiel der Kastanie an der Friedrich-Ebert-Straße zeige das Problem sehr anschaulich: „Der Baum verdunstet mehr, als er Wasser aufnehmen kann. In der Folge versucht er, seine eigene Verdunstungsfläche zu reduzieren, in dem er Äste abwirft.“ Gefällt werden muss der Baum dadurch nicht, doch je häufiger es zu solchen Brüchen kommt, umso mehr leidet die Kronendichte der betroffenen Bäume.

Als „Bruch sommergrüner Äste" bezeichnen Fachleute das, was an der Friedrich-Ebert-Straße passiert ist: Eine Kastanie hat einen großen Ast verloren – sie hat ihn selbst abgeworfen, um so ihre Verdunstungsfläche zu reduzieren. Den Bäumen geht aufgrund der anhaltenden Trockenheit das Wasser aus. © Anna Gemünd
„Kastanien leiden unter der Trockenheit besonders, eine Eiche steckt das ganz anders weg“, sagt Ralf Calovini. Hinzu kommt, dass die Kastanien jedes Jahr aufs Neue von ungebetenen Gästen befallen werden: Die Rosskastanien-Miniermotte setzt ihre Eier in den Blättern ab; ihre Larven fressen sich durch das Blattwerk – und die Kastanien verlieren schon im August, teilweise auch im Juli ihr Laub. Auch in diesem Jahr ist dieser verfrühte Herbst gut zu beobachten: Die Kastanien entlang der Friedrich-Ebert-Straße und auch im Kurpark tragen längst braune Blätter.

Die Kastanien an der Friedrich-Ebert-Straße sind jedes Jahr bereits im Sommer braun: Sie verlieren ihr Laub viel schneller als üblich, weil sie von der gefräßigen Rosskastanien-Miniermotte befallen sind. © Anna Gemünd
Laub ist das eine, völlig vertrocknete Bäume das andere: Die ersten Opfer der anhaltenden Dürre sind an der Einfahrt zum Parkplatz hinter dem Kino am Westring zu beobachten. Kein einziges grünes Blatt ist an den Bäumen mehr zu erkennen. „Die sind für uns verloren“, stellt Ralf Calovini fest. Eine Wasserspende, wie sie der Kommunalversorger Gelsenwasser kürzlich wieder zur Verfügung gestellt hat, hilft ihnen nicht mehr – wohl aber den anderen Bäumen im Stadtgebiet, die unter der Dürre leiden.

Die anhaltende Trockenheit war zu viel für sie: Diese Bäume am Kino-Parkplatz sind nicht mehr zu retten. © Anna Gemünd
1549 städtische Bäume haben die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Unna in den vergangenen Tagen und Wochen vor dem „Verdursten“ gerettet. Verteilt über das gesamte Stadtgebiet und die umliegenden Dörfer waren die Kameraden im Einsatz. Alleine an der Hubert-Biernat-Straße wurden 146 Straßenbäume bewässert, an der Morgenstraße waren es immerhin noch 124 Bäume.
Auch in Billmerich an der Iserlohner Straße freuten sich 60 Bäume über eine Erfrischung. Schon im vergangenen Jahr half die Unnaer Feuerwehr während der Trockenperiode im Sommer beim Bewässern der Straßenbäume. Gelsenwasser hatte vor einigen Wochen angekündigt, 5000 Kubikmeter Wasser für die Bewässerung von Bäumen auf kommunalen Flächen in Unna zur Verfügung zu stellen.

Über 1500 Bäume hat die Feuerwehr im Unnaer Stadtgebiet in den vergangenen Wochen gegossen. Gelsenwasser stellt dafür insgesamt 5000 Kubikmeter Wasser zur Verfügung. © Stadt Unna
„Eigentlich könnte man bis zum Ende des Jahres gießen“, schildert Ralf Calovini das Ausmaß der Trockenheit, „allein die Jungbäume werden von uns zur Zeit täglich gegossen.“ 30 bis 40 „Wassersäcke“ haben die jungen Bäume dafür bekommen. Sie speichern das Wasser und geben es nach und nach an den Boden rund um den Stamm ab. Auf diese Weise werden die Jungbäume den Sommer wohl überstehen. „Die Jungbäume schaffen das. Wenigstens die können wir retten“, zeigt sich Calovini optimistisch.
Der wirtschaftliche Schaden, der durch den Verlust der Bäume entsteht, nimmt mittlerweile ungeahnte Dimensionen an. Verluste, die sich schätzungsweise in der Größenordnung dessen bewegen, was durch den Sturm „Eberhard“ an Schaden entstand, dürfte Unna nun auch durch die anhaltende Trockenheit erwarten. „Eberhard“ fegte im März 2019 mit bis zu 122 Stundenkilometern über Unna, mehr als 20 Bäume fielen um oder mussten in der Folge des Sturms gefällt werden.
„Früher hatten wir Sommer mit einer Handvoll Tage über 30 Grad. Mittlerweile sind es mehrere Wochen. Dadurch haben wir mehr Abgänge als Zuwächse bei den Bäumen“, sagt Calovini. Bürger, die selbst zur Gießkanne greifen und die Stadtbäume vor ihrer Haustür bewässern, freuen ihn. „Natürlich hilft jedes bisschen. Und wir können einfach nicht überall sein.“
Grünen wollen Baumschutzsatzung wieder einführen
Die Grünen im Unnaer Stadtrat haben unterdessen einen Antrag an den Rat der Stadt gestellt, der die Baumschutzsatzung wiedereinführen soll. Bis 2014 hatte Unna eine solche Satzung, die das Fällen von Bäumen im Stadtgebiet und insbesondere auch auf privaten Grundstücken sowie mögliche Ersatzpflanzungen regelt. Wie wichtig eine solche Satzung in Zeiten des Klimawandels sei, beschreiben die Grünen in ihrem Antrag mit einem Beispiel: So seien in den Jahren 2006 bis 2014, in denen die Satzung galt, 714 Anträge auf Baumfällungen abgelehnt und gleichzeitig 866 Ersatzpflanzungen erwirkt worden.
Sauerländerin, Jahrgang 1986. Dorfkind. Liebt tolle Geschichten, spannende Menschen und Großbritannien. Am liebsten draußen unterwegs und nah am Geschehen.
