
Janis ist freundlich, ordentlich gekleidet und gut informiert. Im Bewerbungsgespräch hat er Sonja Ehlert schnell überzeugt: Dies könnte ein junger Mensch sein, den man guten Gewissens einstellen kann.
Der 15-jährige Janis Kretschmer befand sich wie rund 100 seiner Mitschüler in der Werner-von-Siemens-Gesamtschule in einer besonderen Situation: Bewerbung. Der Zehntklässler hatte als Gegenüber eine Beraterin der Handwerkskammer Dortmund. Sie zeigte sich nach wenigen Minuten bereits sehr zufrieden, auch weil der Schüler eine gute Vorstellung davon hat, was er einmal werden möchte. Über den Ausbildungsberuf des technischen Zeichners möchte er sich auf den Weg zum Beruf des Architekten machen. Zunächst etwas Praktisches zu lernen, um dann in einem Studium in die Theorie einzusteigen, sei bestimmt ein guter Weg, so Beraterin Ehlert.
Berufsorientierung startet in Jahrgang 7
Dass der Schüler überhaupt diese Idee hat, liegt auch daran, dass der Ausbildungstag sein erster Berührungspunkt mit dem Thema Berufswahl war. „Ich weiß seit dem dreiwöchigen Praktikum in Klasse 9, dass das mein Berufswunsch ist“, erklärt Janis.

An der Königsborner Gesamtschule starten die ersten Programme in diese Richtung bereits in Klasse 7, wie der für Berufsorientierung zuständige Lehrer Matthias Göbel erläutert. Schüler frühzeitig darauf vorzubereiten, was nach der Schule passiert, hat hier einen hohen Stellenwert. Und der Ausbildungstag bietet die Chance zu üben, was in der Schule sonst nicht geht: Gespräche führen mit echten Profis aus der Arbeitswelt. „Das ist viel originalgetreuer, als wenn es ein Lehrer macht“, sagt Lehrer Göbel.
Wie viele Pädagogen bestätigt er, dass die Coronapandemie dieser Schülergeneration insofern zugesetzt hat, dass die Schulschließungen die soziale Entwicklung beeinträchtigt haben. Ein gutes Gespräch führen, diese Art der Kommunikation sei in den vergangenen zweieinhalb Jahren „nicht besser geworden“, so Göbel. Die Vertreter von Firmen, Kammern oder Behörden, die nun in der Gesamtschule zu Gast waren, seien aber überwiegend ganz angetan vom Auftreten der Schüler, berichtete er.
Das Handwerk sucht Frauen
So konnte auch Sara Schreiter ihre Gesprächspartnerin für sich gewinnen, und das auch mit einer beeindruckenden Mappe. Sie bewarb sich virtuell für den Ausbildungsberuf Tischlerin bei Handwerkskammer-Beraterin Jasmin Strassburger. Die Schülerin habe sich im Vorfeld sehr gut informiert, lobte die Trainerin.
Übrigens: Dass sich eine junge Frau für einen solchen Handwerksberuf interessiert, ist inzwischen ebenso üblich wie erwünscht. „Frauen sind total willkommen im Handwerk“, bestätigt Strassburger.

Firmen beziehungsweise Einrichtungen, die beim Ausbildungstag an der Königsborner Gesamtschule mitmachen, sind Kik, VW Hülpert, die Stadt Unna, Montanhydraulik, die Handwerkskammer, die Polizei, die Werkstatt im Kreis Unna, Fiege Logistik, das Christliche Klinikum und die Agentur für Arbeit.
Firmen zeigen sich und geben Tipps
Unternehmen haben so auch Gelegenheit, sich als Ausbildungsbetriebe zu präsentieren – wichtiger denn je in Zeiten des Bewerber- und Fachkräftemangels. Dass man bei Fiege beispielsweise Elektroniker für Betriebstechnik, Fachkraft für Lagerlogistik und Kauffrau oder -mann für Büromanagement werden kann, aber auch ein duales Studium möglich ist, weiß vielleicht nicht jeder. Präsent zu sein sei wichtig, bestätigte Ausbilder Jürgen Korte. Vor allem aber gehe es darum, den Schülern Rückmeldungen auf ihre Bewerbungen und Tipps zu geben. Eine dieser Empfehlungen: gut vorbereitet sein, auch auf die Schlussfrage „Haben Sie noch Fragen?“, denen Bewerber nicht selten mit einem ungünstigen Schweigen begegneten. Und: Oft würden private Interessen unterschätzt, dabei sollten Bewerber im Gespräch diese nutzen, um viel über sich zu berichten. Wer ein Hobby hat oder ein Ehrenamt, der sollte davon sprechen. „Sie müssen lernen, ihre Trümpfe auszuspielen“, sagt Dirk Sporenberg von Fiege.