Wenn es darum geht zu zeigen, dass in der Mitte der Gesellschaft nach wie vor kein Platz sein soll für rechtsextremes Gedankengut, menschenverachtende Sprache und Hetze gegen Zuwanderer und Flüchtlinge, dann lässt sich die Unnaer Kulturszene nicht lange bitten. Das Kulturzentrum Lindenbrauerei stellte am Sonntagnachmittag einmal mehr unter Beweis, dass es seine Aufgabe nicht nur darin sieht, Unterhaltung zu veranstalten.
Unter dem Motto „Wir sind mehr“ kamen auf Einladung der Lindenbrauerei die unterschiedlichsten Künstler im Kühlschiff zusammen. Ihre Botschaft: „Wir zeigen, wir sind hier und beziehen Position gegen Rechtsextremismus, rechten Populismus und für Menschenfreundlichkeit.“ So fasste es Claudia Keuchel zusammen, die den Spätnachmittag gemeinsam mit Simeon Buß moderierte. Ehe dieser als Poetry Slammer mit einem teils drastischen Text zeigte, was Ausgrenzung bewirken kann, machte der Kessebürener Mediziner und Künstler Gad Osafo die Leute erst einmal munter: mit Trommeln und dem Appell „Unna bleibe wach!“.
Kultur für mehr Menschlichkeit kann auch einfach aus schöner Musik bestehen, das bewiesen unter anderem die gut gelaunten Sängerinnen und Sänger des Gospelchors „Sunlight Voices“. Hier ließ sich das Publikum im vollen Kühlschiff nicht lange bitten, begeistert mitzuklatschen.

Die Bandbreite der Mitwirkenden reichte am Sonntag vom großen Chor bis zum Solisten. Rolf Stöckel zum Beispiel: Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete spielte Gitarre und sang dazu Lieder, unter anderem das Lied des jüdischen Arbeiterbundes.
Besonders nachdenklich stimmte ein Vortrag von Mohammad Meselmani. Er lebt seit seiner Flucht aus Syrien im Jahr 2015 in Deutschland und ist Mitwirkender bei der Studiobühne der Lindenbrauerei. In einer Passage aus einem Stück des Ensembles beschrieb er eine Alltagssituation, die ihm nicht fremd sei, wie er nachher erklärte. Auf dem Weg zum Bahnhof geht vor ihm eine Frau. Er spürt, dass sie wegen seines Aussehens Angst vor ihm hat, und überlegt, was er tun kann. Kurz entschlossen pfeift er eine bekannte Vivaldi-Melodie. „Wer Vivaldi pfeift, der ist gebildet, vor dem muss man keine Angst haben.“ In dieser Situation funktioniert es. Die Frau geht beruhigt weiter. „Ich kann aber nicht immer pfeifen“, rezitierte Meselmani. „Wenn ich eine Wohnung oder eine Stelle suche, dann funktioniert das nicht mit dem Vivaldi.“
Jahrgang 1979, stammt aus dem Grenzgebiet Ruhr-Sauerland-Börde. Verheiratet und vierfacher Vater. Mag am Lokaljournalismus die Vielfalt der Themen und Begegnung mit Menschen. Liest immer noch gerne Zeitung auf Papier.
