Scholz verliert Vertrauensfrage und teilt aus „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“ - Newsblog

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sitzt neben Robert Habeck und schaut misstrauisch zu Friedrich Merz.
Misstrauische Blicke: Scholz und Merz sind längst im Wahlkampfmodus. © Michael Kappeler/dpa
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TV-Duelle: Scholz und Merz treffen sich an zwei Sonntagen

Update 17.12., 7.17 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein aussichtsreichster Herausforderer, Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU), werden im Bundestagswahlkampf in mehreren TV-Duellen aufeinandertreffen. ARD und ZDF wollen sie am 9. Februar gegeneinander antreten lassen. RTL lädt am 16. Februar ein – „zum letzten und entscheidenden Schlagabtausch“ der beiden.

Das öffentlich-rechtliche Duell – zwei Wochen vor der Wahl 90 Minuten live zeitgleich im Ersten und Zweiten – wird von Sandra Maischberger (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) moderiert. Die Ausgabe von RTL, ntv und „Stern“ – eine Woche vor der Wahl – moderieren Pinar Atalay und Günther Jauch.

Neben „Das Duell – Scholz gegen Merz“ sei ein weiteres Duell gemeinsam von ARD und ZDF geplant, dazu seien Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) angefragt, teilten die öffentlich-rechtlichen Sender mit. Auch RTL kündigte an, mit den Kanzler- beziehungsweise Spitzenkandidaten der anderen Parteien über weitere Duell-Kombinationen „derzeit Gespräche“ zu führen.

„Fritze Merz erzählt gern Tünkram“

Update 17.12., 6.50 Uhr: Kanzler Olaf Scholz hat CDU-Chef Friedrich Merz vorgeworfen, Unwahrheiten über ihn zu verbreiten. „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“, sagte Scholz am Abend im ZDF-„heute journal“. Tünkram ist Plattdeutsch und heißt so viel wie dummes Zeug oder Unsinn. Scholz bezog sich damit auf Kritik von Merz, dass der Kanzler auf EU-Gipfeln öfter schweigend dabei sitze, ohne sich politisch einzuschalten. Im Bundestag hatte Merz nachmittags gesagt, es sei „zum Fremdschämen“, wie der Kanzler sich in der EU bewege.

Scholz sagte über Merz weiter: „Das wird ja nicht die einzige Sache sein, wo er sich so verhält. Er hat es schon oft gezeigt und wird es auch noch im Wahlkampf oft zeigen. Die Bürger werden sich ihren Reim darauf machen.“

Merz reagierte in derselben Sendung empört. „Ich verbitte mir das, dass der Herr Bundeskanzler mich in dieser Art und Weise hier persönlich bezeichnet und angreift. Aber das ist offensichtlich ein Muster, das wir jetzt sehen.“ Merz führte als Beispiel an, dass Scholz am Nachmittag im Bundestag auch FDP-Chef Christian Lindner „die sittliche Reife“ für ein Regierungsamt abgesprochen habe. „Er redet ständig über Respekt. Aber in dem Augenblick, wo jemand anderer Meinung ist als er, hört sein Respekt eben auf. Ich werde mich auf dieses Niveau nicht begeben“, sagte Merz.

Weiter sagte Merz: „Ich erwarte diesen Respekt im Umgang miteinander, damit unsere Demokratie am Ende des Tages nicht noch mehr Schaden nimmt, als sie jetzt schon Schaden genommen hat unter der Regierung, die gerade auseinandergebrochen ist.“

Allerdings hatte Merz schon am Wochenende Scholz persönlich attackiert und geschrieben, Scholz sei in der EU isoliert. „Man muss es leider so sagen: Die Mehrzahl der europäischen Staats- und Regierungschefs hat einfach keine Lust mehr, den deutschen Bundeskanzler zu treffen, der entweder stundenlang schweigend dasitzt oder belehrend die Welt erklärt.“

Scholz lässt SPD-Chefin stehen – und findet das „peinlich“

Update 16.12., 22.50 Uhr: Irritierende Szene mit Olaf Scholz im Bundestag: Der Kanzler unterhält sich nach der Abstimmung über die Vertrauensfrage mit SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, schüttelt ihm die Hand. SPD-Chefin Saskia Esken kommt dazu, Scholz sieht sie kurz an – um dann kommentarlos abzudrehen und Esken stehen zu lassen. Esken breitet fragend die Hände aus – als wenn sie sagen will: Was war denn das jetzt?

Ein kurzes Video der Szene, das abends im Netz für Debatten sorgte, rief dann umgehend den Kanzler auf den Plan. „Saskia und ich haben uns das Video angeschaut. Peinlich von mir – zum Glück konnten wir beide drüber lachen…“, schrieb Scholz auf X zu einem Foto, das ihn zusammen mit Esken zeigt.

Auch die SPD reagierte – und versuchte es mit einem Witz: Unter einem Foto, das Scholz nach einem Unfall mit Augenklappe zeigt, schrieb der Parteivorstand auf X: „Vielleicht hat das andere Auge damals auch was abbekommen…“.

Die politische Konkurrenz reagierte hämisch. Der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb auf X: „Hier erlebt Saskia Esken als Vorsitzende der SPD persönlich, was „Respekt für Dich“ für Bundeskanzler Scholz bedeutet.“ Die CDU hat ihre eigenen Erfahrungen mit Videos, die Kanzlerkandidaten in schlechtes Licht rücken: Nach einem unangebrachten Lacher Armin Laschets im Flutgebiet im Ahrtal kippte 2021 die Stimmung der Wähler zugunsten von Scholz.

Heftige Kritik an FDP in Bundestagsrede von Scholz

Update 16.12., 17.15 Uhr: Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Rede zur Vertrauensfrage im Bundestag zu heftiger Kritik am früheren Koalitionspartner FDP genutzt. Ihre „wochenlange Sabotage“ habe nicht nur der Regierung, sondern auch der Demokratie insgesamt geschadet, sagte er. Und an die Adresse von FDP-Chef Christian Lindner: „In eine Regierung einzutreten, dafür braucht es die nötige sittliche Reife.“ Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung „nicht nur respektlos“, sondern sie sei auch eine „blanke Unverschämheit“.

Scholz bekräftigte im Bundestag, dass er die Vertrauensfrage mit dem Ziel einer um sieben Monate vorgezogenen Wahl des Parlaments stellt. „Bei dieser Wahl können dann die Bürgerinnen und Bürger den politischen Kurs unseres Landes vorgeben, darum geht es“, sagte er vor den Abgeordneten. „Die Vertrauensfrage richte ich deshalb heute an die Wählerinnen und Wähler.“

Den größten Teil seiner knapp halbstündigen Rede nutzte Scholz dann dafür darzulegen, mit welchem Programm er in den Wahlkampf ziehen will. Stabile Renten, Erhöhung des Mindestlohns, Senkung der Mehrwertsteuer, Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus in die Ukraine sind nur einige Punkte. Die Wählerinnen und Wähler bat er „um ihr Vertrauen und ihre Unterstützung“.

Weg zur Neuwahl fast frei

Update 16.12., 17.40 Uhr: Da es im Bundestag eine große Einigkeit darüber gibt, dass die ursprünglich für den 28. September 2025 geplante Bundestagswahl vorgezogen werden soll, gilt die Zustimmung Steinmeiers als sicher. Er hat auch schon signalisiert, dass er mit dem angestrebten Termin 23. Februar einverstanden ist.

Scholz schlägt Auflösung des Bundestags vor

Update 16.12., 17 Uhr: Nach dem Nein des Bundestags zu seiner Vertrauensfrage hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue die Auflösung des Parlaments vorgeschlagen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Steinmeier hat nun 21 Tage Zeit zu entscheiden, ob er zustimmt und eine Neuwahl des Parlaments innerhalb von 60 Tagen ansetzt.

Kanzler ohne Vertrauen: Jetzt ist der Bundespräsident am Zug

Update 16.12., 16.35 Uhr: Der Bundestag hat Kanzler Olaf Scholz das Vertrauen entzogen und damit den Weg zu einer Neuwahl am 23. Februar bereitet. Bei der Abstimmung über die Vertrauensfrage votierten 207 Abgeordnete für Scholz, 394 gegen ihn und 116 enthielten sich, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bekanntgab. Der Kanzler verfehlte damit wie beabsichtigt die notwendige Mehrheit von mindestens 367 Stimmen deutlich. Scholz wird nun ins Schloss Bellevue fahren und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen.

Wahlkampf pur im Bundestag

Update 16.12., 16.20 Uhr: Unions-Fraktionschef Friedrich Merz nannte die Attacke in seiner Erwiderung eine „blanke Unverschämtheit“. Scholz habe in seiner Rede zwar viel von Respekt gesprochen, sagte der CDU-Vorsitzende an die Adresse des Kanzlers. „Aber ganz offensichtlich hört Ihr Respekt dort auf, wo es andere politische Meinungen gibt“.

Der Oppositionsführer kritisierte, Scholz hinterlasse das Land in einer der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte. Er warf Scholz zudem schwere Versäumnisse beim Engagement auf EU-Ebene vor. „Sie blamieren Deutschland“, sagte er. Es sei „zum Fremdschämen“, wie der Kanzler sich in der Europäischen Union bewege.

Lindner will keinen „Prinz Karneval“ als Kanzler

Lindner konterte die Attacke des Kanzlers mit einem Gegenangriff auf dessen Wirtschaftspolitik. Scholz‘ Antworten gingen am tiefgreifenden Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit vorbei. Als Beispiel nannte Lindner die gerade erst von Scholz vorgeschlagene Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. „Der Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen um populär zu werden. Aber die Bundesrepublik Deutschland darf so nicht regiert werden.“

Habeck warnt vor „schwieriger Phase“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte davor, mit Naivität auf die geplante Neuwahl und die Zeit danach zu blicken. „Alle tun so, als wäre danach alles besser“, sagte der Kanzlerkandidat der Grünen. Schwierige Bündnisse, die von den Beteiligten die Fähigkeit zum Kompromiss erfordern, seien auch in Zukunft zu erwarten. Es gebe auch keine Garantie, dass Deutschland nach der für den 23. Februar geplanten Neuwahl zu einer schnellen Regierung kommen werde. Die Grünen und er persönlich wollten dafür arbeiten, „dass das Land in dieser schwierigen Phase handlungsfähig bleibt“.

Livestream der Bundestagssitzung zum Nachschauen

Bundeskanzler Scholz stellt Vertrauensfrage mit Wahlkampfrede

Erstmeldung 16.12., 13 Uhr: Scholz wurde von seiner Frau Britta Ernst in den Bundestag begleitet. Die Vertrauensfrage ist für ihn die einzige Möglichkeit, selbst eine vorgezogene Bundestagswahl herbeizuführen. Er hatte diesen Schritt bereits am 6. November unmittelbar nach dem Rausschmiss von FDP-Finanzminister Lindner und dem Aus seiner Ampel-Koalition angekündigt. Seitdem führt er eine von SPD und Grünen getragene Regierung, die im Bundestag keine Mehrheit mehr hat. Ohne Unterstützung aus der Opposition kann sie nichts mehr durchsetzen.

Mehrheit bei 367 Stimmen – SPD hat 207

Dass Scholz bei der Abstimmung gegen seinen Willen die notwendigen 367 Stimmen erreicht, um das Vertrauen des Bundestags zu behalten, gilt als ausgeschlossen. Die SPD-Fraktion mit ihren 207 Abgeordneten will ihrem Kanzler zwar das Vertrauen aussprechen. Die Grünen-Fraktionsspitze hat ihren 117 Parlamentariern allerdings eine Enthaltung empfohlen. Damit will sie ausschließen, dass Scholz etwa durch Stimmen der AfD unbeabsichtigt doch noch eine Mehrheit bekommt.

Würden die Grünen für Scholz stimmen, wären das zusammen schon 324 Stimmen, also nur 43 weniger als die Kanzlermehrheit. Dann hätte AfD mit ihren 76 Abgeordneten Scholz rein rechnerisch zu einer Mehrheit verhelfen können.

Drei AfD-Abgeordnete wollen für Scholz stimmen

Nach Angaben von AfD-Chefin Alice Weidel wollen aber nur drei Abgeordnete für Scholz stimmen. Diese sorgten sich „um einen Kriegskanzler Friedrich Merz“, der damit zündele, Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern, sagte Weidel. Namen nannte sie nicht. Nach dpa-Informationen handelt es sich um die Abgeordneten Jürgen Pohl, Christina Baum und Edgar Naujok. Ein oder zwei Abgeordnete könnten sich den Informationen zufolge außerdem enthalten, hieß es weiter.

Die 196 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion werden nach Angaben ihres Parlamentsgeschäftsführers Thorsten Frei geschlossen gegen Scholz stimmen. „Wir werden ihm 196-fach das Misstrauen aussprechen“, sagte Frei der Deutschen Presse-Agentur.

Mützenich: SPD-Unterstützung für Scholz „absolut deutlich“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geht dagegen davon aus, dass seine Fraktion ihrem Kanzler klar den Rücken stärken wird. Die Unterstützung für Scholz unter den 207 SPD-Abgeordneten sei „absolut deutlich“, sagte er. „Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem Bundeskanzler allen Zuspruch geben, den er braucht, aber den er auch verdient hat.“

Besuch im Schloss Bellevue bei verlorenem Vertrauen

Wenn Scholz wie beabsichtigt und erwartet keine Mehrheit im Bundestag bekommt, wird er gleich nach der Sitzung ins Schloss Bellevue fahren und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen.

Der hat dann 21 Tage Zeit sich zu entscheiden, ob er zustimmt und eine Neuwahl innerhalb von 60 Tagen ansetzt. Da es im Bundestag eine große Einigkeit darüber gibt, dass die ursprünglich für den 28. September 2025 geplante Bundestagswahl vorgezogen werden soll, gilt die Zustimmung Steinmeiers als sicher. Er hat auch schon signalisiert, dass er mit dem angestrebten Termin 23. Februar einverstanden ist.

Steinmeier: „Wir wollen jetzt nicht huddeln“

Er will aber zunächst Gespräche mit allen Fraktionen und Gruppen im Bundestag führen, in dem insgesamt acht Parteien vertreten sind. Das sei „gute Staatspraxis in Deutschland“, sagte er in einem am Wochenende veröffentlichten ARD-Interview und mahnte Ruhe und Sorgfalt in dem weiteren Verfahren an. „Wir sollten jetzt nicht huddeln. Die Hektik der Tagespolitik und die Schlagzahl der Medien gibt jetzt nicht das weitere Verfahren vor, sondern die Verfassung und ihre Regeln.“

Scholz bleibt voll handlungsfähig

Auf den Status des Kanzlers und die Regierung hat die Vertrauensfrage keine Auswirkung. Der Kanzler und seine Regierung bleiben im Amt – und zwar im vollen Umfang und nicht nur geschäftsführend. Erst mit der Konstituierung des neuen Bundestags höchstens 30 Tage nach der Wahl endet laut Artikel 69 Grundgesetz das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister. Wenn zu diesem Zeitpunkt die Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition noch nicht abgeschlossen sind, kann der Bundespräsident die alte Regierung bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Vereidigung der neuen weiterzuführen.

dpa

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