
Mehrere Frauen erheben schwere Vorwürfe gegen Till Lindemann (60), Sänger der Band Rammstein. Gegenüber dem NDR und der Süddeutschen Zeitung (SZ) beschreiben sie ein System, bei dem junge Frauen gezielt für Aftershowpartys angeworben worden sind. Dort soll es dann zu sexuellen Übergriffen gekommen sein.
Wie Recherchen von NDR und SZ ergeben haben, berichten mehr als ein Dutzend Frauen davon, wie sie von Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, häufig über Instagram oder auf Konzerten. Dabei wurden sie zu speziell für Lindemann organisierte Aftershowpartys eingeladen.
Die Frauen hätten im Vorfeld Fotos von sich schicken sollen, oder es seien vor Ort Fotos und Videos gemacht worden. Die Frauen wurden zuvor gebeten, sich attraktiv zu kleiden, sich auf eine bestimmte Art und Weise zurecht zu machen. Eine Frau berichtet, dass ihr klar kommuniziert worden sei, dass sie Zugang zur Party nur bei Interesse an Geschlechtsverkehr mit Lindemann bekomme.
Mehrere dieser Frauen hätten ihre Erzählungen an Eides statt versichert, heißt es bei NDR und SZ. Zudem würden zahlreiche Screenshots von WhatsApp- und Instagram-Chats sowie Fotos die Aussagen der Frauen belegen.
Vorwürfe gegen Lindemann: Band äußert sich
Auch zwei andere Frauen haben sexuelle Übergriffe durch Lindemann öffentlich gemacht. Nach einem Konzert im Februar 2020 habe eine damals 22-Jährige mit Lindemann Sex in einer Garderobe gehabt. Die Frau habe nicht ausdrücklich Nein gesagt, sich aber extrem unwohl gefühlt, habe Schmerzen gehabt, sei verkrampft gewesen und habe geblutet. In einem anderen Fall soll eine 21-Jährige besinnungslos auf einem Bett gelegen haben, also wieder zu sich gekommen war, habe Lindemann auf ihr gelegen.
Irin Shelby Linn hat behauptet, am Rande eines Rammstein-Konzertes in Vilnius unter Drogen gesetzt worden zu sein. Auf Social Media entgegnete die Band darauf: „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt.“
Auf Social Media gibt es eine massive Kampagne, die die Band gegen die Vorwürfe verteidigt. NDR und SZ liegt ein Screenshot vor, der zeigt, dass die Kampagne aus dem Umfeld von Lindemann mitgesteuert wird.
Nun hat die Band eine Anwaltskanzlei eingeschaltet, wie der WDR berichtet. Die Kanzlei soll die Vorfälle klären.
Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschliessen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat.
— Rammstein (@RSprachrohr) May 28, 2023
Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt.
Nach den Vorwürfen hat sich die Band erneut selbst zu Wort gemeldet. „Durch die Veröffentlichungen der letzten Tage sind in der Öffentlichkeit und vor allem bei unseren Fans Irritationen und Fragen entstanden“, teilte die Band auf ihrem offiziellen Instagram-Profil mit. „Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst.“
Dass die Fans sich sicher fühlen könnten, sei der Band wichtig – „vor und hinter der Bühne“. „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.“
Verlag Kiepenheuer & Witsch trennt sich von Till Lindemann
Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat mit sofortiger Wirkung seine Zusammenarbeit mit Rammstein-Sänger Till Lindemann beendet. Der Kölner Verlag, der die Bände „In stillen Nächten“ und „100 Gedichte“ mit teils heftig umstrittenen Gedichten Lindemanns rausgebracht hatte, gab seine Entscheidung am Freitag bekannt.
„Mit Erschütterung haben wir in den letzten Tagen öffentlich gewordene Vorwürfe gegen Till Lindemann verfolgt“, schrieb Verlegerin Kerstin Gleba. „Unser Mitgefühl und unser Respekt gilt den betroffenen Frauen.“
„Im Zuge der aktuellen Berichterstattung haben wir Kenntnis erlangt von einem Porno-Video, in dem Till Lindemann sexuelle Gewalt gegen Frauen zelebriert und in dem das 2013 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch „In stillen Nächten“ eine Rolle spielt“, heißt es in der Begründung des Verlags.
Aus Sicht des Verlags „überschreitet Till Lindemann für uns unverrückbare Grenzen im Umgang mit Frauen“. Die Zusammenarbeit werde beendet, „da unser Vertrauensverhältnis zum Autor unheilbar zerrüttet ist“.
rej/bani/ mit dpa