
Update 3.6., 14.07 Uhr: Polens Regierungschef Donald Tusk wird am 11. Juni im Parlament die Vertrauensfrage stellen. „Das Vertrauensvotum für die Regierung soll einen Neuanfang darstellen. Es ist daher offensiv gemeint und nicht defensiv“, sagte Tusk in Warschau. Bereits am Montag hatte er angekündigt, dass er sich dieser Abstimmung stellen wolle. Die Niederlage seines politischen Verbündeten Rafal Trzaskowski bei der Präsidentenwahl am Sonntag hatte den Regierungschef und sein Mitte-Links-Bündnis in Bedrängnis gebracht.
Tusk sagte, die Vertrauensabstimmung solle der Auftakt für eine Zwischenbilanz über die bisherige Arbeit seiner Regierung sein. „Nach anderthalb Jahren wissen wir sehr gut, dass wir manche Dinge besser und schneller hätten erledigen müssen.“ Man werde revidieren, was nicht gelungen sei, wer dafür die Verantwortung trage und welche Konsequenzen daraus folgen müssen.
In Polen hat das Staatsoberhaupt mehr Befugnisse als der Bundespräsident in Deutschland. Er repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem kann er mit seinem Vetorecht der Regierung das Leben schwer machen. Um das Veto des Präsidenten aufzuheben, braucht es im Parlament eine Mehrheit von 60 Prozent der Abgeordneten, über die das Mitte-Links-Bündnis von Tusk nicht verfügt.
US-Präsident Donald Trump gratulierte Nawrocki zum Sieg. „Trump-Verbündeter gewinnt in Polen und schockiert ganz Europa“, zitierte Trump auf seiner Plattform Truth Social eine Schlagzeile des ultrakonservativen Senders Newsmax. „Herzlichen Glückwunsch Polen, ihr habt einen Gewinner gewählt“, schrieb er weiter.
Tusk will Vertrauensfrage stellen
Update 2.6., 20.30 Uhr: Der Sieg des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Karol Nawrocki in Polen bringt die proeuropäische Regierung von Donald Tusk unter Druck. Er werde demnächst im Parlament die Vertrauensfrage stellen, sagte Tusk in einer Ansprache im polnischen Fernsehen. Der Plan für das Agieren seiner Regierung unter dem neuen Präsidenten werde „Einheit und Mut“ der Dreier-Koalition erfordern. Die Vertrauensabstimmung solle dafür ein erster Test sein.
Bei der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt am Sonntag war der Liberale Rafal Trzaskowski aus dem Lager von Tusk knapp dem von der rechtskonservativen PiS unterstützten Nawrocki unterlegen. Dies ist auch für den Regierungschef eine schwere Schlappe. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte, das Ergebnis der Präsidentenwahl sei die „rote Karte“ für Tusks Regierung. Diese solle abtreten.
Tusk führt seit Ende 2023 ein Mitte-Links-Bündnis aus drei Parteien. Wichtigstes Projekt seiner Regierung ist es, die Beschädigungen des Rechtsstaats rückgängig zu machen, die die von 2015 bis 2023 amtierende PiS-Regierung mit ihrer Justizreform ausgelöst hat. Entsprechende Gesetzentwürfe hat der amtierende Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, bislang blockiert. Es wird erwartet, dass Nawrocki genauso verfährt und möglicherweise sogar mit größerer Härte vorgeht. Dies könnte die Koalition aufreiben und Fliehkräfte freisetzen.
Update 2.6., 8.32 Uhr: Bei der Präsidentenwahl in Polen hat der rechtskonservative Bewerber Karol Nawrocki in der Stichwahl mit 50,89 Prozent gesiegt. Das teilte die polnische Wahlleitung in Warschau nach Auszählung aller Stimmen auf ihrer Webseite mit. Auf den liberalen Kandidaten Rafal Trzaskowski seien 49,11 Prozent der Stimmen entfallen.
Von den 29 Millionen Wahlberechtigten erhielt Nawrocki demnach 10,60 Millionen Stimmen, Traszkowski kam auf 10,23 Millionen Stimmen. Der Vorsprung des Siegers in dem knappen Rennen betrug also nur 370.000 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben nach bei 71,63 Prozent. Der parteilose Nawrocki war von der größten Oppositionspartei PiS aufgestellt worden. Er wird Nachfolger von Präsident Andrzej Duda.
Konservativer wird neuer Präsident
Erstmeldung 2.6., 6.15 Uhr: Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat die Präsidentenwahl in Polen knapp für sich entschieden. Große polnische Medien wie die Zeitung „Rzeczpospolita“ und das Internetportal „Onet.pl“ riefen ihn am frühen Morgen zum Sieger aus und stützten sich dabei auf die Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen durch die Wahlkommission. Der Sieg des 42-jährigen EU-Skeptikers lässt Veränderungen am außen- und innenpolitischen Kurs des Nachbarlandes erwarten, das in der Europäischen Union und der Nato eine wichtige Rolle spielt.
Auf den politisch unerfahrenen Historiker Nawrocki entfielen den Zahlen zufolge knapp 51 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Sein Gegenkandidat, der proeuropäisch eingestellte Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, kam auf etwas mehr als 49 Prozent. Ein offizielles Endergebnis der Wahlkommission wird erst für heute Abend erwartet.
Erfolgreiche Revanche der PiS
Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtskonservativen PiS an, Polens größter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brüssel.
Zwar kam 2023 wieder ein Mitte-Links-Bündnis an die Regierung; der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk kehrte als Ministerpräsident zurück. Doch es blieb bei einem Dauerstreit mit Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls aus der PiS stammt und nach zehn Jahren im Amt kein weiteres Mal antreten durfte. Duda bremste Tusks Reformpläne mit seinem starken Vetorecht. Der Ministerpräsident hoffte, mit dem liberal eingestellten Trzaskowski an der Staatsspitze diese Blockade aufzulösen.
Verhältnis zu Berlin könnte schwieriger werden
Polen ist ein wichtiger Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohnern sieht sich auch selbst von Moskau bedroht und rüstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder Rumänien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten außenpolitischen Frage, der Unterstützung für die Ukraine, zogen Duda und Tusk denn auch an einem Strang. Dies könnte sich mit Nawrocki ändern, der zum Beispiel gegen einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine ist.
Während sich mit Tusk als Regierungschef das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, vertritt Nawrocki eher die Deutschland-feindliche Linie der PiS und suchte im Wahlkampf die Nähe zu US-Präsident Donald Trump. Er erneuerte die Forderung nach Reparationen für die Schäden, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat. Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, für Polen nichts vorschreiben lassen.
Wahl zeigt tiefe Spaltung Polens
Am Wahlabend sah eine erste Prognose zunächst Trzaskowski vorn, und der 53-jährige Sozialwissenschaftler gab sich auch schon als Wahlsieger. Er gilt allerdings selbst in seinem politischen Lager als sehr weit links und war für viele Wähler in katholisch geprägten ländlichen Regionen des Landes ein rotes Tuch.
Die über Nacht eingehenden Einzelergebnisse belegten die tiefe politische Spaltung Polens, das in den vergangenen Jahren große wirtschaftliche Erfolge erzielt hat. Trzaskowski siegte demnach in den großen Städten wie Warschau, Krakau und Lodz, die vom Aufschwung besonders profitiert haben. In kleineren Städten und den ländlichen Regionen Polens lag Nawrocki vorn.
Ein Grund für die Niederlage Trzaskowskis könnte sein, dass das liberale und linke Lager sein Wählerpotenzial nicht ausgeschöpft hat. Die Wahlbeteiligung lag mit 71,7 Prozent zwar gut drei Prozentpunkte höher als bei der vorherigen Präsidentenwahl vor fünf Jahren. Doch beim Sieg über die PiS bei der Parlamentswahl 2023 hatte eine Rekordzahl von 74,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihre Stimme abgegeben.
Amateurboxer und Historiker an der Staatsspitze
„Wir werden siegen und Polen retten. Wir werden nicht zulassen, dass Donald Tusks Macht sich festigt“, sagte Nawrocki nach Bekanntgabe erster Prognosen. Er war bislang Direktor des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), eine Art polnisches Pendant zur mittlerweile aufgelösten Stasi-Unterlagen-Behörde in Deutschland.
Für Aufsehen – und Sympathien bei manchen Wählern – sorgte immer wieder seine Vergangenheit als Amateurboxer in jungen Jahren und als Türsteher während des Studiums in einem Luxushotel mit möglichen Kontakten ins Rotlichtmilieu. Doch schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatten Nawrocki und noch weiter rechts stehende Kandidaten zusammen eine deutliche Mehrheit erhalten.
In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Das Staatsoberhaupt hat mehr Befugnisse als der Bundespräsident in Deutschland und repräsentiert das Land nicht nur nach außen. Der Präsident hat auch Einfluss auf die Außenpolitik, er ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen.
dpa