Deutschland schiebt 28 Straftäter nach Afghanistan ab Ein Straftäter kommt aus NRW

Die Polizei begleitet Straftäter in ein Flugze(Archivbild)
Auf dem Abschiebeflug nach Afghanistan befindet sich auch ein Straftäter aus NRW. © Michael Kappeler/dpa
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Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren hat Deutschland am Freitagmorgen wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben. Das teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. „Es handelte sich hierbei um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen.“ Alle Betroffenen sind Männer, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Start aus Leipzig

Das sächsische Innenministerium teilte mit, die Maschine sei am Freitagmorgen vom Flughafen Leipzig/Halle abgehoben. Zuvor hatte der „Spiegel“ berichtet. Der dpa wurden zudem „Spiegel“-Informationen bestätigt, wonach um 6.56 Uhr ein Charterjet von Qatar Airways von Leipzig aus in Richtung Kabul startete.

In der Boeing 787 sitzen demnach 28 afghanische Straftäter, die aus verschiedenen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden sind. Unter den Passagieren war dabei auch ein Straftäter aus Nordrhein-Westfalen, wie ein Sprecher des NRW-Flüchtlingsministeriums bestätigte. Der Mann sei „vollziehbar ausreisepflichtig“ und direkt aus einer JVA abgeholt worden. Dort habe er eine Haftstrafe wegen schwerer Brandstiftung verbüßt. Organisiert worden sei die Aktion federführend vom Bundesinnenministerium. Verurteilte Straftäter sollen nach früheren Angaben vor einer möglichen Abschiebung einen Großteil ihrer Strafe hierzulande abgesessen haben.

Deutschland unterhält zu den Taliban-Machthabern in Kabul keine diplomatischen Beziehungen. Nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim Ende Mai hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und auch Syrien wieder zu ermöglichen. Der Abschiebeflug startete nun zwar nur wenige Tage nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten tödlichen Messerattentat von Solingen, hat aber einen deutlich längeren Vorlauf, hieß es aus Behördenkreisen. Der „Spiegel“ schrieb von zwei Monaten.

Recht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor

Unter den Abgeschobenen sollen auch Gefährder sein, also Menschen, denen die Sicherheitsbehörden schwerste politisch motivierte Straftaten bis hin zum Anschlag zutrauen. Es ist denkbar, dass manche der abgeschobenen Straftäter zugleich als Gefährder gelten.

Insbesondere die Grünen und auch ihre Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich bislang skeptisch gezeigt bei Abschiebungen nach Afghanistan und davor gewarnt, die islamistische Taliban-Regierung indirekt anzuerkennen. Baerbock hatte aber am Dienstag im RBB-Inforadio auch gesagt, bereits jetzt seien Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vereinzelt machbar. „In Einzelfällen ist das dort möglich“, sagte sie. Es sei angesichts der dort herrschenden Regimes aber „offensichtlich nicht trivial“. Es sei zudem bereits Rechtslage, dass Straftäter und Gefährder keinen Schutzstatus bekämen oder ihn dann verlören und weggesperrt gehörten.

Das Asylrecht sieht Ausschlussgründe für Schutz in Deutschland vor, zum Beispiel Kriegsverbrechen. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich in ihrem „Sicherheitspaket“ vorgenommen, diese Liste zu erweitern unter anderem um antisemitischen Straftaten.

Wüst fordert weitere Abschiebungen auch nach Afghanistan

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat weitergehende politische Konsequenzen nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen gefordert. Wüst begrüßte in einer Sondersitzung des NRW-Landtags am Freitag den ersten Abschiebeflug aus Deutschland nach Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren. Es müsse aber offen über noch mehr Rückführungen auch nach Syrien sowie Afghanistan gesprochen werden.

„Dieser Akt des Terrors ist ein Wendepunkt“, sagte Wüst. Der Anschlag vor einer Woche habe das Land mitten ins Herz getroffen. Bei dem Anschlag hatte ein Mann am vergangenen Freitagabend auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mordes und wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Wüst forderte einen „angemessenen Umgang“ mit der jetzt aufkommenden Asyl- und Migrationsdebatte. „Ein Überbieten bei den Forderungen darf kein Selbstzweck sein“, sagte er. „Der richtige Ton bei der Frage der Konsequenzen wird für Zustimmung bei den Menschen sorgen“, so der CDU-Politiker.

Dennoch müssten nun Taten folgen. Das individuelle Recht auf Asyl bleibe in Deutschland gewahrt und werde nicht in Zweifel gestellt, betonte Wüst. Hunderttausende Menschen, die nach Deutschland gekommen seien, hätten aber kein Recht auf Asyl. Seit langem mache er auf die Überforderung der Kommunen aufmerksam, sagte Wüst. Schon länger werbe er für Asylverfahren außerhalb Deutschlands und der EU.

Deutschland brauche auch dringend wirksame Rücknahmeabkommen mit den wichtigsten Herkunftsländern. Die Sicherheitsbehörden müssten weiter gestärkt werden und wissen, was im Internet vor sich gehe. Dazu sei eine verfassungskonform ausgestaltete Vorratsdatenspeicherung notwendig.

Wenig Rechte für Frauen in Afghanistan

Seit August 2021 sind in Afghanistan wieder die islamistischen Taliban an der Macht, die international vor allem wegen ihrer massiven Beschneidung von Frauenrechten in Kritik stehen. Insgesamt ist es seit der erneuten Machtübernahme der Taliban zu einem deutlichen Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen in dem Land gekommen, auch wenn es nach wie vor zu Anschlägen kommt. Die meisten reklamiert die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich, die mit den Taliban trotz ideologischer Nähe verfeindet ist. Vor allem Angehörige der schiitischen Minderheit in dem Land geraten immer wieder ins Visier des IS. Die Terrormiliz betrachtet Schiiten als Abtrünnige des Islams und verachtet sie.

Kritiker bemängeln unter der Taliban-Herrschaft ein hartes Vorgehen gegen Menschenrechtler, Demonstranten oder Journalisten, denen laut Menschenrechtsorganisationen Verhaftung, Verschwinden oder Folter drohen.

dpa

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