
Die AfD gilt in Sachsen und Thüringen laut Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem. Trotzdem – oder gerade deswegen – haben besonders viele junge Menschen am vergangenen Sonntag die AfD gewählt. Betrachtet man die 18- bis 24‑jährigen Wähler in Sachsen, verbuchte die AfD bei der vergangenen Landtagswahl im Vergleich zu 2019 einen Stimmenzuwachs von 11 Prozentpunkten. Insgesamt erreichte die Partei in Sachsen 31 Prozent der Stimmen in dieser Altersgruppe.
Bei der Thüringer Landtagswahl wählten sogar 38 Prozent der 18- bis 24‑jährigen Wählern die Partei – 15 Prozentpunkte mehr als noch 2019. Dabei steht in dem Bundesland AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke an der Parteispitze. Der rechtsextreme Politiker wurde in der Vergangenheit wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole schuldig gesprochen, auch ein Prozess wegen Volksverhetzung steht noch aus.
Was steckt hinter dem Rechtsruck der Jugend und den Wahlerfolgen der AfD bei den unter 30‑Jährigen? Das Institut für Generationenforschung unter der Leitung des Psychologen Rüdiger Maas hatte erst vergangene Woche eine neue Studie vorgestellt: Rund 1000 junge Menschen aus Ostdeutschland im Alter von 16 bis 25 Jahren wurden im Juli und August zu ihren Ängsten, Wünschen und ihrem Wahlverhalten befragt.
Wichtigste Themen für AfD-Anhänger: Sicherheit, Finanzen und Migration
Der Leiter des Instituts, Rüdiger Maas erklärt: „Wir haben in unserer Jugendwahlstudie 2024 herausgefunden, dass die Erstwähler das klassische Links-Rechts-Schema für überholt halten. Etwa jeder dritte lehnt dieses Schema sogar ab.“ Dadurch würden Links- und Rechtsextremismus nicht mehr als solche wahrgenommen. „Etwa 17 Prozent der AfD-Wähler haben sich auf einer Skala von null (extrem links) bis 100 (extrem rechts) bei 50 eingeordnet, einige sogar bei 40“, so Psychologe Maas.
Außerdem zu beobachten: Wird die AfD in den Medien vermeintlich diskreditiert, greift der Underdog-Effekt. Junge Menschen haben das Gefühl, man unterstütze den Benachteiligten. Schon in der Studienauswertung wurde der große AfD-Zuwachs erwartet. Deswegen wurden Studienteilnehmer, die angaben, die AfD wählen zu wollen, nach den Gründen ihrer Wahlentscheidung gefragt. Besonders auffällig: Die meisten seien aufgrund der inhaltlichen Positionen von der AfD überzeugt. Die wichtigsten Themen für die AfD-Anhänger waren demnach Sicherheit, finanzielle Situation und Migration.
Aufwärtstrend durch „Volksnähe und klare Sprache“
Die jungen Menschen, die bei Maas‘ Wählerstudie angaben, AfD zu wählen, erklären den Aufwärtstrend der Partei vor allem mit Volksnähe und klarer Sprache. „Dieser Punkt wurde mehrfach betont“, so Maas – wobei die Anhänger dabei lobten, die AfD höre besonders auf die Bevölkerung und auch, dass sie Klartext spreche. Forderungen nach strikteren Maßnahmen zur Begrenzung von Zuwanderung und der Senkung des Ausländeranteils kamen ebenfalls häufig vor.
Außerdem sei die Kritik an etablierten Parteien ausschlaggebend: Insbesondere die Unzufriedenheit mit der Politik der letzten 20 Jahre und das Versagen der Ampelkoalition seien oft genannt worden, erklärt der Forscher.
Wählerwanderungen lassen sich nur schwer nachvollziehen, eine Differenzierung nach Alter ist nicht möglich. Insgesamt erlitten in Thüringen Grüne, FDP und Linke die stärksten Einbußen, bei den 18- bis 24‑Jährigen Wählern verlieren FDP und Linke je 6,5 Prozentpunkte Stimmenanteile – und die Grünen sogar 11,5 Prozentpunkte. In Sachsen ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Grünen verloren bei den 18- bis 24‑Jährigen 15,5 Prozent der Stimmen. Bei der FDP sind es 4,5 Prozent.
Laut Psychologe Maas erreicht die AfD inzwischen die Wählerschaft in der Mitte der Gesellschaft – und werde von einigen Erstwählern auch dort verortet. Etwa 60 Prozent der bekennenden AfD-Wähler in seiner Studie seien dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Die verbleibenden 40 Prozent würden die rechtsextremen Positionen zumindest in Kauf nehmen.