Haftbefehle gegen Netanyahu und Hamas-Anführer Vom Internationalen Strafgerichtshof erlassen

Israels Ministerpräsident Netanjahu. (Archivbild)
Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Netanjahu und gegen einen Hamas-Anführer erlassen. © Ohad Zwigenberg/AP/dpa
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Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren Verteidigungsminister Joav Galant und gegen den Anführer der Terrororganisation Hamas Mohammad Diab Ibrahim Al-Masri erlassen. Die Richter in Den Haag stimmten damit einem Antrag des Chefanklägers Karim Khan vom Mai zu. Netanjahu und Galant stehen danach unter dem Verdacht von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit dem 8. Oktober 2023 im Gazastreifen. Netanjahu ist damit der erste demokratisch gewählte westliche Regierungschef, der von dem Weltstrafgericht mit Haftbefehl als mutmaßlicher Kriegsverbrecher gesucht wird.

Chefankläger Khan ermittelt seit Monaten wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg. Israel hatte Beschwerde gegen die Beantragung der Haftbefehle eingereicht. Diese wiesen die Richter zurück. Netanjahus Regierung bestreitet Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Das Land verteidige sich nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 gegen die Terrorgruppe.

Hamas-Chef Al-Masri – bekannt unter dem Namen Deif – wird wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit dem 7. Oktober gesucht. Er soll bei einem israelischen Bombenangriff im Gazastreifen getötet worden sein. Eine offizielle Bestätigung für seinen Tod gab es jedoch nie.

Das Gericht sieht ausreichende Gründe für die Annahme, dass Netanjahu und Galant „absichtlich und wissentlich der Zivilbevölkerung im Gazastreifen wesentliche Dinge für ihr Überleben einschließlich Nahrung, Wasser sowie Medikamente und medizinische Hilfsmittel sowie Brennstoffe und Strom vorenthalten haben.“

Das Weltstrafgericht kennt keine Immunität von Staats- oder Regierungschefs. Bereits 2023 erließ es einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Das Gericht mit Sitz in Den Haag hat selbst keine Möglichkeiten, die Haftbefehle auch zu vollstrecken. Aber seine 124 Mitgliedsstaaten – darunter Deutschland – sind dazu verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen, sobald sie sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden. Damit werden die Reisemöglichkeiten für die Gesuchten stark eingeschränkt.

Hamas jubelt

Die islamistische Hamas feierte die internationalen Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant als historischen Schritt. Die Entscheidung sei ein „wichtiger historischer Präzedenzfall und eine Korrektur eines langen Wegs historischer Ungerechtigkeit gegen unser Volk“, hieß in einer Hamas-Mitteilung.

Kritik von der Opposition

Selbst viele Gegner Netanjahus in Israel sehen die Entscheidung des Gerichts kritisch, weil aus ihrer Sicht gegen andere Staatschefs, wie etwa Baschar al-Assad in Syrien, keine Haftbefehle wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen wurden. Sie werfen dem Gericht vor, parteiisch zu sein.

Auch aus der israelischen Opposition kam Kritik an der Entscheidung, sie belohne die Terroristen, gegen die sich Israel im Gaza-Krieg wehre, schrieb Oppositionsführer Jair Lapid auf der Plattform X.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland übte scharfe Kritik. „Dieser Haftbefehl gegen einen Ministerpräsidenten eines demokratischen Staates und seinen früheren Verteidigungsminister ist eine Absurdität“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin. Von der Bundesregierung gab es zunächst keine Reaktion.

Israel weiter isoliert

Die israelische Regierung wird durch die Entscheidung des Gerichts international noch stärker isoliert. In Israel fürchtet man, dass die eigene Position bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg geschwächt werde und der Druck auf das Land zunehmen könnte, einer Einigung zuzustimmen, die nicht die Freilassung der noch immer von der Hamas festgehaltenen Geiseln vorsieht.

Reisefreiheit beschränkt

Die „Times of Israel“ sprach von einer „gewaltigen juristischen Bombe“, doch halten israelische Medien die praktischen Auswirkungen für begrenzt und die Haftbefehle für nicht durchsetzbar, auch weil weder die USA noch Israel den Strafgerichtshof anerkennen. Da die palästinensischen Gebiete aber Vertragsstaat sind, darf Chefankläger Khan auch ermitteln.

Das Weltstrafgericht kennt keine Immunität von Staats- oder Regierungschefs. Bereits 2023 erließ es einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine. Das Gericht mit Sitz in Den Haag hat aber selbst keine Möglichkeiten, die Haftbefehle auch zu vollstrecken.

International viel Kritik

Schon der Antrag des Chefanklägers auf die Haftbefehle löste international Schockwellen aus. Zahlreiche Staaten hatten juristische Stellungnahme zu dieser Frage dem Gericht übergeben. Diese hatten die Richter bei ihrer Entscheidung über den Antrag mitberücksichtigt.

Weder die USA noch Israel erkennen den Strafgerichtshof an. Doch die palästinensischen Gebiete sind Vertragsstaat. Bereits 2021 hatte das Gericht festgestellt, dass es auch für Gebiete zuständig sei, die seit 1967 von Israel besetzt sind.

Im Mai hatte Netanjahu den Ankläger Khan einen „der großen Antisemiten der Moderne“ genannt. Auch Israels wichtigster Verbündeter, die USA, hatten sich gegen die Haftbefehle ausgesprochen. Andere Länder wie etwa Frankreich stärkten dem Strafgerichtshof dagegen den Rücken.

Weiteres Verfahren gegen Israel

Die Ermittlungen des Weltstrafgerichts sind unabhängig von laufenden Verfahren zu der Gewalt im Gazastreifen vor dem Internationalen Gerichtshof. Dieses höchste UN-Gericht ebenfalls mit Sitz in Den Haag will Streitfälle zwischen Staaten lösen. Südafrika hatte Israel wegen Völkermordes vor diesem Gericht verklagt.

dpa

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