Datenanalyse zur Landtagswahl in Thüringen Bei wem die AfD in Thüringen Stimmen holte

Björn Höcke, AfD-Spitzenkandidat in Thüringen, ist während einer Demonstration der AfD als Wahlkampfabschluss auf dem Domplatz hinter Fahnen auf einer Videoleinwand zu sehen.
Die AfD hat ein historisches Ergebnis erzielt. In welchen Gruppen konnte die Partei Stimmen holen? Ein Blick in die Daten. © picture alliance/dpa
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Was sich vor der Landtagswahl in Umfragen angedeutet hat, ist Realität geworden: Die AfD ist in Thüringen stärkste Kraft geworden – mit deutlichem Abstand vor der CDU. Landesparteichef Björn Höcke sieht bei seiner Partei den Regierungsauftrag. Und das, obwohl Höcke bei Wählerinnen und Wählern außerhalb der eigenen Partei nicht sonderlich gut abschneidet.

Auf einer +5/-5-Skala erhält Höcke einen Imagewert von -2,0 – so schlecht schneidet keiner der Konkurrenten von CDU, BSW und Linken ab, wie eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zeigt. Dafür wurden vor der Wahl 1.217 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte sowie 16.416 Wählerinnen und Wähler am Wahltag befragt. Auch für eine mögliche Koalition zwischen AfD und CDU gibt es im Land wenig Gegenliebe: Nur 29 Prozent der Befragten halten das für eine gute Idee, zwei Drittel (66 Prozent) bewerten ein solches Bündnis als schlecht.

Hinzu kommt: Noch immer sehen 61 Prozent der Befragten in Höcke „eine Gefahr für die Demokratie“. Bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren waren es 66 Prozent. Wer aber wählte die als rechtsextremistisch eingestufte Partei in Thüringen?

Massive Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Ein Blick in die Wahldaten zeigt: Es sind vor allem Männer, die der AfD ihre Stimme geben. Dass die Partei hier besser punkten kann als bei Frauen, ist aus vergangenen Landtagswahlen bekannt. Allerdings ist in Thüringen der Abstand mit 39 zu 28 Prozent mehr als deutlich.

AfD bei Männern auf Rekordniveau

Anders zeigt es sich beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW): Hier machten etwas mehr Frauen (16 zu 13 Prozent) ihr Kreuz bei der erstmals zur Landtagswahl angetretenen Partei. Auch für CDU, SPD, Grüne und Linke stimmten laut Forschungsgruppe Wahlen mehr Wählerinnen.

Wie sich bereits bei der Europawahl sowie auf Landesebene in Hessen und Bayern im vergangenen Jahr abzeichnete, kann die AfD zunehmend bei jungen Wählerinnen und Wählern unter 30 Jahren Stimmen für sich gewinnen. Mehr als ein Drittel macht in dieser Altersgruppe ihr Kreuz bei der Höcke-Partei – das ist nur etwas weniger als in den Gruppen von 30 bis 44 sowie von 45 bis 59 Jahren und mehr als 10 Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2019. Lediglich bei den über 60-Jährigen kommt die AfD nicht über 30 Prozent und kann – anders als in den anderen Altersgruppen – auch nicht die meisten Stimmen holen.

Mehr als ein Drittel der jungen Menschen gibt Höcke die Stimme

CDU und BSW fahren gerade in dieser Gruppe mit 31 beziehungsweise 17 Prozent ihre besten Ergebnisse ein. Schwach schneiden beide allerdings bei den jungen Menschen ab – hier kommen beide nur auf niedrige zweistellige Werte.

AfD holt mehr als 40 Prozent bei Arbeitern und Selbstständigen

Schon bei der thüringischen Landtagswahl vor fünf Jahren kann die Höcke-Partei bei Wählerinnen und Wählern mit Hauptschulabschluss und mittlerer Reife viele Stimmen auf sich vereinen. Bei dieser Wahl kann die Partei das Ergebnis noch einmal deutlich steigern und kommt in beiden Gruppen auf mehr als 40 Prozent.

Grüne nur bei Studierten zweistellig

Die Grünen dagegen erreichen nur bei Wählenden mit Hochschulabschluss einen zweistelligen Zustimmungswert, das BSW kann durchweg in allen Bildungsgruppen zweistellig Stimmen einsammeln. Die Linke, die 2019 noch 40 Prozent der am höchsten gebildeten Wählerinnen und Wähler von sich überzeugen konnte, verliert hier massiv und stürzt auf 14 Prozent zurück.

In den Berufsgruppen schneidet die AfD vor allem bei Arbeitern und Selbstständigen stark ab und setzt sich mit mehr als 40 Prozent deutlich von den anderen Parteien ab.

Zuwanderung ist Hauptthema im Wahlkampf

Zugutekommt der AfD, dass Zuwanderung bei den Wählenden als wichtigstes Thema der Landtagswahl gesehen wird. Andere Themen wie Bildung, Politikverdrossenheit, Kostensteigerungen oder Infrastruktur werden deutlich seltener genannt.

Zuwanderung in Thüringen wichtigstes Wahlthema

Die Wählerinnen und Wähler schreiben der als rechtsextremistisch eingestuften Partei aber beim Hauptthema die größten Kompetenzen zu: Mit 34 Prozent liegt die AfD hier deutlich vor der CDU, die mit 18 Prozent auf dem zweiten Platz liegt. Beim Thema Bildung hingegen schneidet die AfD deutlich schlechter ab als die Union.

Welche Kompetenzen die Wählenden den Parteien in Thüringen zuschreiben

Bei „Sozialer Gerechtigkeit“ liegen AfD, Linke, CDU und BSW laut Forschungsgruppe Wahlen dicht beieinander, die CDU dominiert beim Thema Wirtschaft. Die Linke büßt im Ansehen der Wählerinnen und Wähler vor allem ein, wenn es darum geht, welche der Parteien sich um die Sorgen der Menschen in Ostdeutschland kümmert. Vor fünf Jahren hielten 40 Prozent der Befragten die Partei von Ramelow hier für besonders kompetent – in diesem Jahr sind es nur noch 22 Prozent.

AfD profitiert von der Schwäche Ramelows

Hinzu kommt eine große Unzufriedenheit im Bundesland sowohl mit der Bundes- als auch der Landesregierung. 57 Prozent der Befragten in Thüringen glauben, ihr Land sei schlecht auf die Zukunft vorbereitet, die Politik im Bund wird auf einer +5/-5-Skala mit -2,2 so schlecht bewertet wie noch nie. Grüne und FDP verlieren nach Angaben der Befragten vor allem wegen der „jeweiligen Parteien im Bund“ – ein erneuter Denkzettel für die Ampel.

Ramelow bei Wählenden als Ministerpräsident favorisiert

An Zugkraft verliert Linken-Ministerpräsident Bodo Ramelow. 2019 hatten 73 Prozent der Thüringer ihm noch bescheinigt, eine gute Arbeit zu leisten. 53 Prozent wollten ihn als Ministerpräsident im Land. Bei dieser Wahl sind es gerade einmal 36 Prozent der Befragten, auch wenn seine Konkurrenten von AfD (Höcke: 21 Prozent) und CDU (Voigt: 20 Prozent) noch deutlich schlechter abschneiden.

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