Björn Höcke: Strahlender Sieger ohne Wahlkreis und Land Wird er nun an den Rand gedrängt?

Björn Höcke als strahlender Sieger der Landtagswahl, aber ohne Wahlkreis und Land.
Björn Höcke (AfD), Partei- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Thüringen und Spitzenkandidat. © picture alliance/dpa
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Es hat schon eine gewisse Ironie, dass der stets als heimatverbundener Romantiker auftretende Thüringer AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke ausgerechnet gegen einen politischen Wettwerber verloren hat, der dieses Prinzip auf die Spitze trieb. „Der von hier“, plakatierte der CDU-Direktkandidat Christian Tischner im Wahlkreis Greiz II. In den sozialen Medien zeigte sich Tischner auf einem DDR-Kultmoped der Marke Simson und schrieb darüber „Einmal Ossi, immer Ossi“.

Da konnte der aus Rheinland-Pfalz via Hessen ins Eichsfeld zugezogene westdeutsche Geschichtslehrer Höcke machen, was er wollte – sogar ein eigener Simson-Korso durch Greiz verschaffte ihm nicht die ausreichenden Prozente für das Direktmandat. Tischner lag mit 43 Prozent der Wahlkreisstimmen vor Höcke mit knapp 39 Prozent. Höcke war extra in den 200 Kilometer von seinem Wohnort entfernten Wahlkreis gewechselt, weil er auf ein sicheres Direktmandat hoffte. Wenn viele andere AfD-Kandidierende direkt in den Landtag einziehen, könnte die von Höcke angeführte Landesliste nicht zum Zuge kommen.

Knapp 39 Prozent an Wahlkreisstimmen für Höcke

„Jetzt geht‘s los!“, skandierten Höckes Anhänger auf der Wahlparty am Sonntag (1.9.). Aber was? Höcke sieht nach dem Wahlsieg seiner Partei in Thüringen einen klaren Regierungsauftrag durch die Wähler. „Als stärkste Kraft habe ich den Anspruch, die Regierung zu bilden. Es ist gute parlamentarische Tradition, dass die stärkste Kraft zu Gesprächen einlädt“, sagt er im Fernsehsender Phoenix.

Die Wähler in Thüringen hätten deutlich gemacht, dass es künftig kein Weiter so geben könne. „Von Thüringen ist ein großes Signal gesendet worden. Die Menschen wollen Veränderung“, war Höcke überzeugt, der im Übrigen verbindliche Töne anschlug: „Wir sind gut beraten, das Kriegsbeil zu begraben und zu erkennen, dass es gegen die stärkste Kraft in Thüringen keine stabile Mehrheit gibt.“

Mögliche Koalitionspartner wenden sich ab und schütteln den Kopf

Am Sonntagabend tingelte Björn Höcke im thüringischen Landtag durch die Fernsehstudios – wie die Spitzen der anderen Parteien auch. Zunächst hielt er in einem der Flure Hof, eine Menschentraube um sich. Später stand der AfD-Partei- und Fraktionschef dem Mitteldeutschen Rundfunk Rede und Antwort, gemeinsam mit CDU-Chef Mario Voigt und der Landesvorsitzenden des Bündnisses Sahra Wagenknecht, Katja Wolf.

Höcke referierte die Stimmengewinne der AfD seit der Landtagswahl 2014 und leitete aus dem jüngsten Erfolg einen Führungsanspruch ab. Man werde die anderen Parteien zu Gesprächen einladen, sagte er, weniger triumphierend, als man das gewohnt ist. Voigt und Wolf, die sich mit ihren Gesichtern abwandten, signalisierten jedoch, dass sie dieses Angebot nicht annehmen werden – wobei die BSW-Chefin dazu mit dem Kopf schüttelte. Höcke, der Wahlsieger, wirkte daraufhin noch kleinlauter als vorher.

Das BSW will AfD-Wähler zurückgewinnen

Mit der AfD werde es keine Gespräche geben, hatte Voigt schon fünf Minuten nach Schließung der Wahllokale versichert. Und auch Wolfs Parteichefin Sahra Wagenknecht erteilte einer Zusammenarbeit eine klare Absage: „Höcke vertritt ein völkisches Weltbild, das ist also meilenweit von uns entfernt“, sagte Wagenknecht in der ARD. „Wir haben immer gesagt, mit Herrn Höcke können wir nicht zusammenarbeiten.“

Zugleich deutete Wagenknecht an, das BSW könne einzelnen Anträgen der AfD im Landtag zustimmen, wenn sie die Inhalte teile. Sie hoffe, dass das BSW gemeinsam mit der CDU und nach bisherigem Zahlenstand auch mit der SPD eine gute Regierung in Thüringen bilden könne, sagte Wagenknecht.

Eine der größten und schwierigsten Aufgaben einer solchen Regierung sei es, AfD-Wähler wieder zurückzugewinnen, sagte auf der Wahlparty der frisch gebackene BSW-Abgeordnete Alexander Kästner. Die AfD könne auf ein beunruhigend stabiles Wählerklientel von rund 30 Prozent zugreifen.

Dieses Klientel hat der AfD nun höchstwahrscheinlich eine Sperrminorität im neuen Landtag eingebracht. Gegen die Rechtsextremen um Höcke sind keine Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit möglich, die AfD kann so zum Beispiel die Ernennung von Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern blockieren.

Sperrminorität für die AfD

Das ist so ungefähr das Einzige, was Höcke, dem Triumphator ohne Reich, geblieben ist. Ein strategisch denkender AfD-Fraktionschef könnte in den kommenden fünf Jahren das fragile neue Bündnis vor sich hertreiben, das sich gegen die AfD gebildet hat. Höcke aber wollte triumphieren, nicht stehenbleiben. „Weitere fünf Jahre im Erfurter Landtag werde Höcke nicht aushalten, heißt es in der AfD“, schrieb die „FAZ“ am Sonntagabend (1.9.).

Für die Strategie sind im Landesverband andere zuständig: die trickreichen Juristen Stefan Möller und Torben Braga, Höckes Co-Vorsitzender und sein Landesvize. Sie haben Spaß daran, Voigt und das BSW vor sich herzutreiben. Ihre Bedeutung in Thüringen könnte deutlich zunehmen – und Höcke an den Rand schieben. Auch auf der Bundesebene ist sein Stern im Sinken.

Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass nicht Höcke, sondern Möller am Montag nach Berlin reisen solle, um an der Seite der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla vor die Hauptstadtpresse zu treten.

RND

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