
Der Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA bei einem brutalen Polizeieinsatz hat in Deutschland eine ganze Reihe von Anti-Rassismus-Demonstrationen ausgelöst. Alleine in Berlin und München waren Anfang Juni an einem Tag insgesamt rund 40.000 Demonstranten in den Straßen unterwegs.
Spahn und Lauterbach sehen Demos kritisch
Schnell war die Angst groß, dass sich das Coronavirus durch die Menschenmassen schnell verbreitet und eine Infektionswelle verursacht. “Die dicht gedrängten Menschenmengen mitten in der Pandemie besorgen mich”, schrieb beispielsweise Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf Twitter. “Auch bei wichtigen Anliegen gilt: Abstand halten, Alltagsmasken tragen, aufeinander Acht geben. Um uns und andere zu schützen.”
Der Kampf gegen Rassismus braucht unser gemeinsames Engagement. Jeden Tag. Doch dicht gedrängte Menschenmengen mitten in der Pandemie besorgen mich. Auch bei wichtigen Anliegen gilt: Abstand halten, Alltagsmaske tragen, aufeinander acht geben. Um uns und andere zu schützen.
— Jens Spahn (@jensspahn) June 6, 2020
Auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach blickte kritisch auf die Demonstrationen und forderte sogar strengere Regeln, um eine zweite Corona-Welle zu vermeiden. “Solche Demonstrationen sind ein Sargnagel für die noch bestehenden Regeln”, hatte er gegenüber dem “Tagesspiegel” erklärt. “Viel zu viele Leute, zu wenige Masken, zu wenig Abstand – das ideale Super-Spreading-Event!”
Demonstrationen haben sich nicht auf Infektionszahlen ausgewirkt
Die Bilanz mehrere Wochen nach den ersten Anti-Rassismus-Demonstrationen fällt aber entgegen aller Warnungen überraschend positiv aus. “Seit Ende Mai wird zwar von vielen Experten postuliert, dass aus solchen Ereignissen steigende Infektionszahlen resultieren könnten, aber bisher lässt sich das meines Wissens nach nicht mit Zahlen belegen”, sagt Prof. Matthias Stoll, Infektiologe der Medizinischen Hochschule Hannover.
Nach Einschätzung von Stoll könnte dies entweder daran liegen, dass “es Großdemonstrationen mit Regelverstößen kaum gab”, oder aber, dass im Freien das Infektionsrisiko geringer ist als in geschlossenen Räumen.
Weiter Schutzmaßnahmen einhalten
Trotzdem sind Demonstrationen mit Risiken verbunden, die die Ausbreitung des Coronavirus fördern könnten:
- Eine hohe Teilnehmerzahl, sodass viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen. Auch die An- und Abreise von vielen Menschen zum gleichen Zeitpunkt ist ein riskanter Faktor.
- Unterschreitung von Mindestabständen, die verhindern sollen, dass das Virus per Tröpfcheninfektion übertragen werden.
- Laute Sprechchöre, die Aerosole mit möglichen Viruspartikeln freisetzen könnten.
- Anonymität der Teilnehmer, sodass gegebenenfalls Infektionsketten nicht nachvollziehbar sind.
Stoll rät deshalb weiterhin zu Schutzmaßnahmen: “Es sind die normalen Regeln, die auch auf der Demo schützen: Abstand halten, gegebenenfalls zusätzlich Mund-Nasen-Bedeckung tragen, wozu es im Freien keine einheitlichen Regeln gibt. Es gilt einfach das Prinzip: Der Klügere gibt nach beziehungsweise weicht aus, wenn andere Teilnehmer die Abstände unterschreiten.”
RND