Absichtliche Überdosis Pharmaverband warnt vor Paracetamol-Challenge

Vor einer Arzneiverpackung liegen Tabletten, die den Wirkstoff Paracetamol enthalten.
Neuer gefährlicher Trend: Der Verband Pharma Deutschland warnt ausdrücklich vor der Paracetamol-Tiktok-Challenge, bei der Jugendliche bereitwillig eine Überdosis an Schmerzmitteln schlucken. © picture alliance / dpa
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Der Verband Pharma Deutschland hat vor den Folgen der Paracetamol-Tiktok-Challenge gewarnt. Dabei handelt es sich um eine Art digitale Mutprobe. Ziel ist es, möglichst hohe Dosen des Schmerzmittels zu schlucken, ohne dabei zu sterben.

Die Jugendlichen dokumentieren – wie bei dieser Art von Challenges üblich – ihr Vorgehen, posten ein Video davon im Anschluss auf Tiktok und fordern andere Jugendliche heraus, es ihnen gleichzutun. Ursprünglich wurde die Paracetamol-Challenge in den USA initiiert, mittlerweile breitet sie sich jedoch auch in der Schweiz und in Belgien aus, so der Pharmaverband. Apotheken seien zudem dazu angehalten, bei der Abgabe von Paracetamol an Jugendliche besonders wachsam zu sein. Die europäische Herstellerfirma Seqenz war nicht für ein Statement zu erreichen.

Einige Westschweizer Kantone hatten ebenfalls vor den gesundheitlichen Folgen dieses Trends gewarnt, berichtet das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Aktuell finden sich auf der Plattform keine derartigen Aufrufe mehr. Es liegt nahe, dass Tiktok diese mittlerweile direkt löscht. Denn das Zeigen von gefährlichen Aktivitäten und Herausforderungen ist laut Community-Richtlinien nicht erlaubt.

Überdosierung kann ernste Folgen haben

In der Regel wird Paracetamol gegen leichte bis mittelstarke Schmerzen und Fieber eingesetzt. Es ist frei verkäuflich, das bedeutet: Kein Arzt oder keine Ärztin muss ein Rezept ausstellen. Jeder und jede kann es einfach in der nächsten Apotheke kaufen. In jeder Packung sind 20 Tabletten à 500 Milligramm Paracetamol.

Die empfohlene Tageshöchstdosis beträgt für gesunde Menschen ab zwölf Jahren laut Packungsbeilage acht Tabletten, also 4000 Milligramm Paracetamol. Nimmt man zu viel davon ein, kann das ernste Konsequenzen haben.

Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder Bauchschmerzen gehören dazu und können innerhalb von 24 Stunden auftreten. Das klingt unangenehm, aber harmlos, kann aber ernsthafte Folgen haben. Denn diese Symptome können auf eine Leberschädigung hinweisen.

„Paracetamol ist ein sicheres und gut verträgliches Schmerzmittel – bei ordnungsgemäßer Dosierung“, sagte Elmar Kroth, stellvertretender Hauptgeschäftsführer von Pharma Deutschland. „Wenn diese mutwillig um ein Vielfaches überschritten wird, kann dies die Leber irreparabel schädigen oder zum Tod führen.“ Da Beschwerden, die auf eine Leberschädigung hinweisen, jedoch bis zu 48 Stunden danach auftreten können, kann es für ein Gegenmittel bereits zu spät sein. Im schlimmsten Fall komme nur noch eine Lebertransplantation infrage, so Kroth.

Riskante Tiktok-Challenges

Immer wieder überschreiten junge Menschen bei Tiktok-Challenges bereitwillig Grenzen und gehen kaum kalkulierbare Risiken ein. Wer bei der Deo-Challenge bewusst die Gase einatmete, riskierte etwa Bewusstlosigkeit, Herzversagen und Atemlähmungen – ganz abgesehen von allen möglichen Schäden an Gehirn und Organen. Bei der sogenannten Blackout-Challenge würgte sich ein 13-jähriges Mädchen aus Nordhessen so sehr, dass es starb.

Warum tun Jugendliche sich das an? Nach Einschätzung von Psychologin Elisabeth Raffauf spielt das Austesten von Grenzen eine Rolle. Aber es ginge vielen Jugendlichen vor allem darum, gesehen zu werden. „Manche haben die Erfahrung, dass das nur gelingt, wenn sie etwas ‚Krasses‘ machen“, sagt sie. „Die Frage ist: Was muss ich tun, um beachtet zu werden?“ Die Challenges würden genau auf dieses Bedürfnis abzielen. „Das Gefährliche daran ist, dass die Jugendlichen sich zum Teil der realen Gefahr nicht bewusst sind“, sagt Raffauf. Manchen Jugendlichen, die schon vorher sehr unglücklich waren, sei es zum Teil auch egal.

Es sei deswegen umso wichtiger, Kindern und Jugendlichen durch Akzeptanz und Wertschätzung das Gefühl zu geben, gesehen zu werden. „Wir Erwachsenen können eine Menge beitragen, indem wir sie respektieren, zuhören und ihnen altersgemäß etwas zutrauen, damit sie die Erfahrung machen: Ich kann etwas bewirken“, sagt Raffauf. „Das stärkt und gibt Hoffnung.“

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