
Im selben Blechkleid wie der Verbrenner tritt der Opel Astra Electric in Konkurrenz zu anderen Herstellern. Die Rüsselsheimer Kompakt-Limousine geht damit einen eigenen Weg.
Frischer Wind
Endlich wieder ein Opel Astra, der Spaß macht. Die letzten Auflagen der Rüsselsheimer Kompaktlimousine waren sicherlich solide, aber der Funke zwischen Fahrer und Fahrzeug wollte nicht so recht überspringen. Mit dem Astra L Electric kehrt nun frischer Wind bei Opel ein.

Die Testfahrt startet beim Autohaus Jonas in Unna. Bei der Suche nach dem Testfahrzeug hilft die äußere Form nicht. Im Gegensatz zu anderen Herstellern, bei denen sich die Karosserie von Elektroautos und Verbrennern deutlich unterscheidet, geht Opel einen eigenen Weg.
Der Rüsselsheimer Hersteller packt beide Antriebsarten ins selbe Blechkleid. Auch das E am Ende des Kennzeichens hilft nur bedingt, schließlich gibt es den neuen Astra auch als Plug-In-Hybrid. Nur ein kleines rundes „e“ an der Heckklappe neben dem Astra-Schriftzug verrät den reinen Stromer.
Ansprechendes Design
Erster Eindruck: Der Astra Electric sieht großartig aus. Die Frontscheinwerfer wirken schlicht, aber keineswegs langweilig. Sie verfügen über Opels jüngste Version des IntelliLux LED Pixel-Lichts. 84 Segmente pro Scheinwerfer sorgen in der Dunkelheit für Durchblick, ohne dass der Gegenverkehr geblendet wird.
Die Front des neuen Astra ist geschwungen. Die Rüsselsheimer nennen das neue Markengesicht Vizor. Der Manta A soll beim Design Pate gestanden haben. Wer denn möchte, kann die neue Front auch als zahme Neuinterpretation amerikanischer Muscle-Cars betrachten. Der Astra L steht – nach Opels Trennung von General Motors (GM) – allerdings auf der neuen Stellantis-Plattform.
Kraftvolle Fahrt
Mit 9,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und einer Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h bleibt der rein elektrische Astra in den Fahrleistungen hinter seinen stärksten Verbrenner-Brüdern zurück. Bei der Testfahrt beeindruckt diese Tatsache aber keineswegs.
156 PS (115 kW) und 270 Newtonmeter Drehmoment sorgen dafür, dass bequem in die Autobahn eingefädelt werden kann. Im Gegensatz zum Verbrenner muss der elektrische Astra beim Beschleunigen nicht schalten.

Hilfreiche Assistenzsysteme
Beim Weg zum Umspannwerk, wo die ersten Bilder des Testwagens fotografiert werden sollen, kommt ein Stau in die Quere.
Hier helfen der adaptive Abstandsassistent und der Spurhalteassistent (IntelliDrive 2.0) weiter, um entspannt durch den Verkehrsknotenpunkt zu kommen. Nur einmal liegen die elektronischen Helferlein daneben. Als ein Sattelschlepper nach links ausschert, wollen sie ihn auf der rechten Spur überholen.
Ansonsten lässt sich der neue Astra aber nichts zuschulden kommen. Das Navigationssystem arbeitet vorbildlich. Auch Abbiege-Situationen mit mehreren Fahrspuren im Autobahnkreuz stellt es zuverlässig dar.

Komfortables Handling
Auf der Landstraße liegt der Astra mit seiner direkten Lenkung gut in der Kurve, ohne es an Komfort vermissen zu lassen. Mit knapp 1,7 Tonnen ist er aber auch kein Leichtgewicht. Und das merkt man.
Im Innenraum befinden sich nicht nur zwei große Bildschirme, sondern auch ein Head-Display, das die Verkehrszeichenerkennung und die aktuelle Geschwindigkeit auf die Windschutzscheibe zaubert. Die Darstellung ist klar. Kein Vergleich zu älteren Opel-Modellen.
Für die Klimaanlage gibt es indes noch immer mechanische Tasten. Ein klarer Pluspunkt für den Rüsselsheimer.
Verbrauch und Reichweite
Der Verbrauch des Testwagens liegt bei glatt 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer, laut Herstellerangaben (nach kombiniertem WLTP-Verbrauch). Lokale CO2-Emmissionen fallen beim Astra L Electric nicht an.
Die Reichweite gibt Opel mit 412 Kilometern für den Testwagen an. Je nachdem, wie man das Beschleunigungspedal drückt, kann sich der Stromspeicher aber auch schneller leeren. Auf der Probefahrt wird der elektrische Astra jedenfalls nicht geschont.
Dennoch ist der Testwagen noch weit davon entfernt, Strom nachladen zu müssen, als der Schnellladepark im Kamen-Karree angesteuert wird. Wie viel ist dort los an einem Mittwochnachmittag kurz nach 16 Uhr? Und bekommt man dort einen Ladeplatz um diese Zeit?

Vor Ort gibt es mehr freie als belegte Plätze. Dabei kommt es zu einem Gespräch mit einem Elektro-Fahrer einer tschechischen Marke, der nach der Arbeit noch ein wenig Strom „nachtankt“ – Fachsimpeleien über Verbrauchswerte und Ladezeiten. Eigentlich nennt man lockere Plaudereien rund ums Thema Auto „Benzingespräch“. Ob dieser Begriff im Rahmen der Fahrzeug-Elektrisierung irgendwann mal abgelöst wird, muss die Zukunft zeigen.
Im Interview spricht Nico Cramm vom Autohaus Jonas detailliert über den neuen Astra.
Details des neuen Stromers
Dann geht es zurück zum Autohaus Jonas in Unna. Auf dem Rückweg noch ein kleiner Zwischenstopp auf einem Parkplatz an einem Waldstück.
Zeit, um mal einen Blick unter die Hauben zu werfen. Hinter der Heckklappe finden sich 352 Liter Kofferraum-Volumen; 1268 bei umgeklappter Rückbank. Die Batterien befinden sich hinter den Sitzreihen. Der Verlust an Gepäckraum ist daher überschaubar gegenüber dem Verbrenner.
Und vorne? Unter der Motorhaube sieht es ähnlich aus wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Eine Kunststoffabdeckung befindet sich über dem Elektro-Antrieb. Ein Fach fürs Ladekabel wäre vielleicht noch nett gewesen.
Dennoch fällt es manchem Käufer vielleicht sogar leichter, den Umstieg aufs E-Auto zu wagen, da der neue Astra Electric eben genauso aussieht, wie der Verbrenner.
Fazit
Den Testfahrer hat der neue Astra Electric jedenfalls direkt abgeholt. Beim sparsa-men Verbrauch, aber vor allem beim Fahrerlebnis, wozu auch die besonders komfortablen Sitze beitragen.
Für die Fans von Kombi-Limousinen gibt es oben-drein noch eine gute Nachricht: Der neue Opel Astra Electric ist auch als Sports Tourer erhältlich. Er ist somit – vielleicht – der erste voll-elektrische Kombi eines deutschen Herstellers, der für eine breite Käuferschicht erschwinglich sein dürfte.