Selmer CDU-Chef verteidigt Merz – es hagelt Kritik „Wissentlich politischen Diskurs vergiftet“

Usermeinungen müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen. Wir behalten uns das Recht auf Kürzungen vor. © Ohlrich
Lesezeit

Leser Dieter Glowinski äußert sich folgendermaßen: „Wir schaffen das! Dies waren die Worte der ehemaligen Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel in der Bundespressekonferenz vom 31.08.2015. 3 Wochen vor der Bundestagswahl will Herr Merz mit dem Kopf durch die Wand. Egal wie? Die Grenzen sollen gesperrt werden, auch jeder legale Flüchtling darf nicht mehr einreisen. Grundgesetz, europäisches Recht und moralische Verpflichtungen bleiben auf der Strecke.

Ja, wir müssen vieles verändern. Bürokratien bei der Flüchtlingsfrage abbauen, Prozesse anders gestalten und sich früher auf neue Situationen einstellen. Rechtsstaatliche Maßnahmen müssen früher eingeleitet werden. Hier sind die demokratischen Parteien gefordert und haben dies in der Vergangenheit versäumt. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. So steht es im Artikel 16a im Grundgesetz. Dies ist ein Grundrecht. Es ist das einzige Grundrecht, das nur Ausländern zusteht. Die Prüfung erfolgt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen.

Was für ein Wahlkampf. Armes Deutschland. Warum ist die AfD so stark? Weil die demokratischen Parteien nicht in der Lage sind, sich auf einen „gemeinsamen Nenner“ zu einigen. Schuldzuweisungen sind hier Fehl am Platz. Die CDU und hier Herr Merz haben es bewusst gezielt darauf angelegt, sich eine Mehrheit durch die AfD zu holen. Wo sind wir hier? Diesen Vorwurf muss sich Herr Merz gefallen lassen. Der Weg ist das Ziel ist ein Zitat des chinesischen Philosophen Konfuzius. Herr Merz ist leider in eine Sackgasse gefahren. Das Ergebnis der Abstimmung ist ein Spiegelbild der Betrachtungsweise der Bürgerinnen und Bürger, sagt Michael Zolda, Vorsitzender des Stadtverbandes in Selm. Ja, aber auf einer demokratischen Grundlage und nicht mit dem Stimmen der AfD, Herr Zolda. Nach der Wahl und dann im Rahmen der demokratischen Mehrheit im Bundestag wäre hier der richtige Ansatz gewesen. Wir schaffen das, sagte einst die Bundeskanzlerin der CDU. Herr Merz setzt dies gerade mit der Brechstange um!“

„CDU hat Brandmauer zerbröselt“

Udo Goldstein erklärt in einem Leserbrief seine Sicht auf die aktuellen Entwicklungen: „Die CDU hat die Brandmauer zerbröselt. So nüchtern kann man die bewusste Inkaufnahme der Zustimmung der AfD zum CDU-Antrag zusammenfassen. Erinnern wir uns an die Aussage von Merz vom 25.11.2024, als er erklärte, „dass die CDU keine Zusammenarbeit mit der AfD eingehen werde und er sein persönliches Schicksal als Parteivorsitzender mit dieser Haltung knüpfe.“ Merz betonte, dass die CDU bei einer Zusammenarbeit mit der AfD „ihre Seele verkaufen“ würde. Dass Merz, wie Zolda von der CDU ausführt, zum Handeln gezwungen wurde, ist der übliche, dem Wahlkampf geschuldete Populismus dieser Tage und zeigt, auf welchem intellektuellen Niveau in Deutschland mittlerweile selbst ethisch und politisch hochsensible Fragen diskutiert werden. Es sei daran erinnert, dass der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg, ein 99-jähriger Überlebender von Auschwitz und Bergen-Belsen, sein Bundesverdienstkreuz wegen der Zustimmung der AfD zurückgeben wird. Außerdem trat der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Michel Friedmann, nach 40 Jahren aus der CDU aus. Friedmanns Eltern waren jüdische Holocaust-Überlebende. Friedman bezeichnete die Zusammenarbeit als „unentschuldbaren Tabubruch“ und betonte, dass für ihn Glaubwürdigkeit und eine klare Abgrenzung gegenüber antidemokratischen Kräften zentral seien.“

Michael Zolda
Michael Zolda, der Chef der CDU in Selm, hatte kein Problem, dass die Partei im Bundestag Zuspruch von der AfD bekommen hat (Archivbild).© Günther Goldstein

„Reiner Populismus“

Auch Jeannine Tembaak, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der UWG-Fraktion im Stadtrat, bezieht Stellung zu den Entwicklungen: „Ich bin schockiert von dem, was da gerade im Bundestag passiert (ist). Und auch darüber, dass Michael Zolda sich nicht davon distanziert, dass die CDU nun mit Rechtsextremen paktiert. Ein historischer Dammbruch, den auch Alt-Kanzlerin Merkel und die christlichen Kirchen verurteilen. Niemand hat Merz „zum Handeln gezwungen“. Schon gar nicht dazu, Inhalte der AfD 1:1 zu übernehmen und sich dann zu wundern, dass diese zustimmen und sogar jubeln wird. Dass die demokratischen Parteien dem nicht zustimmen würden, war von vornherein klar und schon der Versuch, diese mit der drohenden Zustimmung der AfD zu erpressen, ein Tabubruch. Mit seinem „all in“ hat Merz wissentlich den politischen Diskurs vergiftet und sich an dem vergangen, was seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland Konsens war: Demokrat*innen tun sich nicht mit Rechtsextremen zusammen! Dies als „nebensächlich“ zu bezeichnen, Herr Zolda, spricht für sich. Wem jetzt noch nicht klar geworden ist, dass Merz mit seinem Kurs die in großen Teilen rechtsextreme AfD salonfähig macht. Und wenn solche wirklich tragischen Ereignisse wie das in Aschaffenburg zum Handeln zwingen, wo bleibt dann das Handeln, wenn täglich 8 Menschen im Straßenverkehr sterben oder wenn schon im Januar dieses Jahres 6 Frauen durch ihren (Ex-)Partner getötet wurden? Und ist es wirklich „Handeln“, wenn die Vorschläge gegen europäisches Recht verstoßen und nicht realisierbar sind? Für die Kontrolle der deutschen Grenzen bräuchte es laut Polizeigewerkschaft bis zu 10.000 zusätzliche Polizeikräfte, die es nicht gibt. Zudem hat das, was Merz da zur Abstimmung gestellt hat, inhaltlich wenig bis gar nichts mit dem zu tun, was in Aschaffenburg passiert ist. Es ist also reiner Populismus. Und was ist das für ein fatales Zeichen auch für unsere Stadt? Wird die CDU künftig auch hier, wenn sie Schwierigkeiten hat, mit demokratischen Parteien Mehrheiten zu finden, auf Merz verweisen – und es ihm gleich tun?“

Zum Thema
Wir freuen uns über Ihre Meinung

Schreiben Sie uns – jedoch nicht mehr als 1.100 Zeichen inklusive Leerzeichen. Kürzungen behalten wir uns vor. Einsendungen mit Anschrift und Telefonnummer bitte an selm@ruhrnachrichten.de

Mehr Jobs

Sie sind bereits registriert?
Hier einloggen