Nicht schon wieder: Mit Kind und Katze im Homeoffice
Neun Monate ist es her seit dem ersten Corona-Lockdown. Seit die Schulen dichtgemacht wurden, und ich hier plötzlich im Homeoffice saß. Mit Mann, zwei Kindern und einer Katze. Neun Monate – in der Zeit hätte ich glatt ein drittes Kind bekommen können. Nicht auszudenken, was dann hier los wäre.
Ein Experte hatte im März Tipps gegeben, wie man das Arbeiten von zu Hause aus auch mit Kindern organisieren kann. Jan Digutsch vom Leibnizinstitut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund hatte dabei gute Vorschläge parat.
Jetzt, im Lockdown Nummero Zwo, habe ich mir die Vorschläge des Experten noch einmal angeschaut. Und festgestellt: Manches lässt sich tatsächlich gut umsetzen. Manches hingegen ist völlig unmöglich.
Zu einer festen Zeit beginnen – und nicht im Schlafanzug arbeiten
Keine Sorge, liebe Kollegen: Das habe ich immer geschafft. Nicht mal Schlabberpullis habe ich in unseren Konferenzen getragen. Bis auf den einen. Der ist mein Lieblingspulli.
Doch damit ist es ja nicht getan. Gleichzeitig müssen ein Elfjähriger und ein Vierzehnjähriger aufstehen, frühstücken und sich anziehen. Damit ich morgens zumindest die erste Konferenz hinter mich bringen kann, wecke ich sie erst um zehn Uhr. In dem Alter ist das kein Problem. Der Schlabberlook ist bei ihnen erlaubt (und auch ausdrücklich erwünscht), die Nahrungsaufnahme erfolgt über den ganzen Tag verteilt. Corny-Verpackungen und Nussschalen weisen mir den Weg, wenn ich die Kinder suche.
„Was willst du heute schaffen?“ Druck zur Motivation aufbauen
Damit man im Homeoffice nicht ins Schludern kommt, empfiehlt Jan Digutsch, sich selbst ordentlich Druck aufzubauen. Bei mir ist aber nicht die Frage: Was will ich schaffen? Sondern vielmehr: Was muss ich schaffen?
Das kann nur bedeuten, dass ich Glück habe: Druck selbst aufbauen muss ich nicht. Der Experte empfiehlt To-Do-Listen, um den Tag zu strukturieren. Eine davon könnte gerade so aussehen:
- 9-Uhr-Konferenz
- Kinder wecken, Frühstück hinstellen
- Katze rauslassen
- Klamottenstreit der Kinder beenden (zu wenig Jogginghosen)
- 10-Uhr-Konferenz. Erklären, warum man noch nichts geschafft hat
- Mit dem Kleinen gucken, was er bei Moodle aufhat
- den Großen dran erinnern, die Mathearbeit zu berichtigen
- Mails checken
- Katze reinlassen
- Einen Artikel schreiben
- Mittagessen kochen
- Mathe: binomische Formeln erklären (die man nie gekonnt hat)
- Katze wieder rauslassen
- Noch einen Artikel schreiben
- 16-Uhr-Konferenz. Erklären, warum es noch dauert
- Bio: Fortpflanzung der Stechmücke erklären
- Den letzten Artikel schreiben
- Jogginghosen in die Waschmaschine werfen
- Ach ja, und die Katze wieder reinlassen
Was nicht auf der Liste steht, sind Anrufe. Dienstliche Anrufe, aber auch die Oma, die sich freut, dass man zu Hause ist. Und die nicht versteht, dass man keine Zeit hat. Was ebenfalls nicht auf der Liste steht, ist das Klingeln an der Tür. Der Postbote. Die Nachbarin, die eine Zwiebel und ein Ei braucht. Die andere Oma, die „nur mal Hallo“ sagen wollte.
Wenn es eng wird: Der ideale Arbeitsplatz
Im März hat Jan Digutsch empfohlen, einen Ruhebereich zu schaffen, in dem sich jeder konzentrieren kann. Ideal ist ein Arbeitszimmer. Hat aber nicht jeder. Heißt: Mein Mann sitzt in einem der Kinderzimmer, da freuen sich die Kollegen in der Konferenz wahlweise über das Regal mit den Schleich-Tieren oder die Modell-Eisenbahn im Hintergrund.
Ich habe den Esstisch. Aber nicht für mich allein. Ein Kind ist immer dabei. Meist sind es irgendwann beide, weil es viel bequemer ist, wenn die Mama zwischendurch Fragen beantwortet. Fluchtmöglichkeiten habe ich kaum: Der Wohnzimmertisch ist zu niedrig, auf dem Sofa bekommt man irgendwann Nackenschmerzen. Also kämpfe ich mich durch, suche meine Notizen zwischen Englischvokabeln und der Biomappe.
Feste Zeiten fürs Arbeiten, kurze Auszeiten für andere Dinge
Ach ja. Wenn das so einfach wäre. Wenn der Kurze fragt: „Mama, ich versteh nix, was sind abiotische Faktoren?“ Dann kann man ja schlecht antworten: „Warte, mein Kind, in zwanzig Minuten nehme ich mir eine Auszeit, und dann reden wir.“ Zumal die Kinder ja auch anspruchsvolle Sachen lernen.
Dann erklärt man dem einen zwischendurch, was Biosphären-Reservat heißt. Und dem anderen zeigt man, wie man mit dem Geodreieck Winkel misst. Weil die Lehrerin zwei Tage vor den Ferien das Thema neu angefangen hat.
Und zwischendurch brülle ich auch herum – weil sich die Herren um den Tintenkiller streiten oder sich gegeneitig mit Radiergummi-Stückchen bewerfen.
Manchmal nehme ich mir aber eine kurze Auszeit. Wie der Experte es empfiehlt. Dann setz ich mich zu meinem Mann ins Kinderzimmer, und wir trinken gemeinsam einen Kaffee. Und ich stupse mit Absicht ein paar von den Schleich-Tieren im Regal um.
Alles, was ablenkt, ausschalten
Damit meint Jan Digutsch natürlich, dass man nicht mit der Freundin Whats-Apps austauschen sollte im Homeoffice. Mach ich ja auch nicht. Aber wenn die Lehrer eine Nachricht schicken, muss ich da schon zwischendurch reinschauen. Und auch der Handballtrainer, der die nächste Zoom-Konferenz für die Kinder plant, wartet auf eine Antwort. Und die Katze will schon wieder raus. Oder will sie rein? Ich weiß es nicht mehr. Ich fürchte, ich bin abgelenkt.
Nach der Arbeit sollte man den Arbeitsplatz aufräumen
Der Experte empfiehlt, am Ende eines Arbeitstages alle Sachen wegzuräumen, damit man die grauseligen Arbeitsutensilien wenigstens über Nacht nicht mehr sehen muss. Meine Taktik ist anders: Ich lasse alles auf dem Esstisch liegen und verlasse den Raum. Damit spare ich Zeit, sonst suchen die Kinder am nächsten Tag ihren Krempel ja schon wieder.
Eine Idee habe ich noch – die klappt allerdings nur bei mir, und nicht bei Eltern mit jüngeren Kindern. Ich fange morgens um 6 Uhr an und wecke die Jungs erst nachmittags um 16 Uhr. Bis dahin bin ich fertig.