
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer ist mit dem erstmals vergebenen „Sonderpreis des Internationalen Preises des Westfälischen Friedens“ ausgezeichnet worden. Gewürdigt werde Friedländers langjähriger Einsatz für das menschliche Miteinander, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Preis in Münster an die 103-Jährige übergab. Ihr Engagement gegen das Vergessen, für Menschlichkeit und Toleranz, für Frieden und Demokratie sei beharrlich, entschieden und komme aus innerer Festigkeit und Güte heraus.
Margot Friedländer wurde 1921 in Berlin geboren. Ihr Vater starb 1942 in einem Vernichtungslager, ihre Mutter und ihr Bruder wurden im KZ Auschwitz ermordet. Margot Friedländer selbst wurde 1944 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte den Holocaust als einzige in ihrer direkten Familie. Nach mehr als 60 Jahren im Exil in New York kehrte sie im Alter von 88 Jahren nach Berlin zurück und nahm wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an.
Margot Friedländer bekommt Sonderpreis in Münster
„Ihre Botschaft ist aber nicht Abrechnung mit diesem Land, Abrechnung mit Deutschland – eine Abrechnung, zu der Sie alles Recht hätten“, sagte Steinmeier direkt an Margot Friedländer gerichtet. Das Staatsoberhaupt forderte, denen zu widersprechen, die einen Schlussstrich beim Erinnern an den Holocaust fordern. „Verantwortung kennt keinen Schlussstrich. Das sehen wir gerade heute, wo die Demokratie so sehr angefochten ist, wie seit achtzig Jahren vielleicht nicht.“
Friedländer sagte, sie spreche „für alle Menschen, die man ermordet hat, weil Menschen sie nicht als Menschen respektiert haben“. Derzeit sei der Frieden „im Äußeren wie im Inneren bedroht“. Jeder Einzelne habe die Verpflichtung, sich für ein friedliches Zusammenleben, für Respekt und die Demokratie einzusetzen. „Denn das, was damals passiert ist, darf nie, nie wieder geschehen“, mahnte die Holocaust-Überlebende. Ihre Botschaft laute: „Wir sind alle gleich. Seid Menschen!“ Vor ihrer Rede auf der Bühne sagte sie leise zu Steinmeier nach dessen Würdigung: „Ich bin so gerührt.“
Sonderpreis für Holocaust-Überlebende Margot Friedländer
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Europa zu mehr Anstrengungen für seine Sicherheit und Verteidigung aufgerufen. „Wir Europäer müssen uns jetzt auf das besinnen, was uns wichtig ist. Und wir müssen uns um unseren Schutz verstärkt selber kümmern“, mahnte Steinmeier zu Beginn der 2. Westfälischen Friedenskonferenz in Münster. Er sprach von einem „doppelten Epochenbruch“ und verwies dabei auf die Politik der Regierungen in Moskau und Washington.
Derzeit investierten die EU-Staaten 326 Milliarden Euro pro Jahr für Verteidigung – das reiche angesichts einer völlig veränderten Bedrohungslage aber nicht aus, mahnte der Bundespräsident. „Wir wissen, dass wir gemeinsam mehr für Abschreckung und Verteidigung tun müssen.“ Es sei gut, dass Deutschland mit den jüngsten Bundestagsbeschlüssen – eine Lockerung der Schuldenbremse im Grundgesetz ermöglicht neue Schulden in Milliardenbeträge für Verteidigung – konsequent diesen Weg gehe.

Europa brauche auch deutsche Streitkräfte, die mit modernster Ausrüstung und größerer Personalstärke glaubwürdig zur Abschreckung beitragen, sagte Steinmeier. Das Nato-Verteidigungsbündnis „vorschnell für tot zu erklären“ und durch ein vages Fernziel einer europäischen Armee zu ersetzen, halte er für falsch. Aber entschiedene Schritte zur gemeinsamen europäischen Verteidigung seien möglich und nötig.
Zur aktuelle Debatte über die seit Jahren ausgesetzte Wehrpflicht sagte Steinmeier, eine Pflicht, bei den Streitkräften oder in sozialen Einrichtungen tätig zu werden, „um unserem Land eine Zeitlang zu dienen“, gehöre aus seiner Sicht dazu. Wer Frieden sichern oder wiederherstellen wolle, müsse ernst genommen werden in seiner Verteidigungs- und Durchhaltefähigkeit.
Europas Sicherheit im Fokus
Zugleich brauche es eine aktive Außenpolitik. „Abschottung und Sprachlosigkeit sind ganz offenbar keine Antwort auf die Krisen unserer Zeit“, unterstrich das Staatsoberhaupt. Diplomatie dürfe nicht den Autokraten dieser Welt überlassen werden. Und Europa solle sich nicht „ständig in eine randständige Rolle am Katzentisch der Weltbühne hineinreden“ und sich auch „nicht ständig selbst unterschätzen.“
Derzeit stehe man vor einem „doppelten Epochenbruch, der in dieser Form, in dieser Radikalität“ nicht zu erwarten gewesen sei, sagte Steinmeier. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 habe Präsident Wladimir Putin die europäische Sicherheitsordnung in Trümmer gelegt. Zudem nannte es Steinmeier bestürzend, dass die neue US-Regierung unter Donald Trump „in rascher Folge die bisher als sicher und verbindlich geltenden Regeln und Prinzipien unserer transatlantischen Partnerschaft und unserer westlichen Wertegemeinschaft angreift“, manche diese wohl sogar beseitigen wollten.
Klare Worte bei Friedenskonferenz in Münster
Disruption gelte als das neue Zauberwort. Nicht nur in den USA, auch in Europa gebe es eine beunruhigend wachsende Zustimmung und Sympathie für den Kampf gegen das sogenannte Establishment, der letztlich ein Kampf gegen Demokratie und demokratische Institutionen sei, warnte Steinmeier.
Ähnlich wie Steinmeier forderte auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst anlässlich der 2. Westfälischen Friedenskonferenz: „Wir müssen Deutschland und Europa stärker aufstellen. Dafür muss Europa selbstständiger werden, wenn es um die Verteidigung seiner Freiheit und seiner Werte geht.“
Auch Hendrik Wüst fordert mehr Sicherheit für Europa
In Münster rückten Frieden und Sicherheit ins Zentrum, sie bringe „große internationale Stimmen zusammen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu diskutieren“. Mit dem Karlspreis in Aachen und dem Friedenspreis in Münster habe NRW zwei wichtige Institutionen, die „einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung“ leisteten, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
Mehrere hundert Teilnehmende waren gekommen – zu Themen wie dem Auseinanderdriften der USA und Europas oder den Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Da aber derzeit in Berlin eine schwarz-rote Koalition geschmiedet wird, hatte mehrere prominente Politiker wie CDU-Chef Friedrich Merz oder SPD-Chef Lars Klingbeil kurzfristig abgesagt.
dpa