
Update 18.4., 7.30 Uhr: Die am Mittwoch in acht Bundesländern ausgeführte Razzia gegen Schleuser ist am Donnerstag in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt worden. Etwa 600 Beamte von Bundespolizei und Staatsanwaltschaft seien im Einsatz und durchsuchten seit 6 Uhr morgens insgesamt 116 Objekte, überwiegend Wohnungen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Es gehe um denselben Einsatz wie am Mittwoch. „Das war an einem Tag nicht abzuhandeln“, sagte der Sprecher. „Das ist der gleiche Kontext. Wenn der gestrige Tag 48 Stunden gehabt hätte und nicht nur 24, hätten wir es gestern schon geschafft.“
Am Mittwoch habe der Schwerpunkt auf der Vollstreckung von Haftbefehlen und der Sicherstellung von Beweismaterial gelegen, am Donnerstag liege der Schwerpunkt ebenfalls auf der Sicherstellung von Beweismaterial und zusätzlich auf der Feststellung von mutmaßlich geschleusten Menschen. Ziel sei herauszufinden, ob die mutmaßlich Geschleusten tatsächlich an den angeblichen Anschriften gewohnt haben.
Schwerpunkt der Durchsuchungen im Raum Düren
Die am Donnerstag durchsuchten Wohnungen befanden sich den Angaben zufolge in Bergheim, Bonn, Düren, Düsseldorf, Frechen, Hürtgenwald, Inden, Jülich, Kerpen, Köln, Kaarst, Linnich, Meerbusch, Merzenich, Mülheim an der Ruhr, Ratingen, Solingen und Swisttal. Eindeutiger Schwerpunkt sei der Raum Düren, sagte der Sprecher der Bundespolizei. In einer Straße in der Innenstadt von Düren durchsuchte die Polizei nach Beobachtung eines dpa-Reporters Wohnungen in mehreren nebeneinander liegenden Häusern. In der Stadt bei Aachen war am Mittwoch ein Mitarbeiter der Kreisverwaltung verhaftet worden.
Sonderregeln des Aufenthaltsgesetzes ausgenutzt
Update 17.4., 20 Uhr: Angeworben wurden die finanzkräftigen Ausländer – auch aus Südafrika und Indien – nach Angaben der Ermittler über ein sogenanntes „Residenz-Programm“ im Internet. Dort seien nicht nur das Gesundheits- und Bildungssystem Deutschlands beworben, sondern auch die deutsche Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt worden. Ausgenutzt worden seien Sonderregeln des Aufenthaltsgesetzes für Selbstständige und Fachkräfte.
Scheinadresse sogar im Eliteinternat
Von einem Großteil der 147 von der Bande geschleusten Personen sei der Aufenthaltsort derzeit nicht bekannt, sagte Timmer. Sie könnten in den Herkunftsländern sein, aber auch einen ständigen Wohnsitz in Deutschland haben. So sei eine der vermeintlichen Wohnungen auch ein Eliteinternat nahe Konstanz gewesen, „in dem auch Königskinder zur Schule gehen“, sagte Timmer. „Tatsächlich war aber nicht das Kind dort nur gemeldet, sondern auch der Vater als Hauptantragsteller – der wohnt natürlich dort nicht.“
Die geschleusten Personen wollten nach Einschätzung der Ermittler „die Vorteile des deutschen Sozial-, Gesundheits- und Bildungsstaates in Anspruch nehmen. Vielleicht hätten einige auch ihren Lebensabend in Europa verbringen wollen. Sollten die geschleusten Personen gefunden werden, werde ihre erschlichene Aufenthaltserlaubnis unwirksam. Solange sie als Beschuldigte geführt würden und das Strafverfahren laufe, werde die Abschiebung aber ausgesetzt. Die Ermittler erhoffen sich von ihnen noch Zeugenaussagen.
Für 360.000 Euro nach Deutschland
Das Ermittlungsverfahren sei unter dem Namen „Investor“ gelaufen, weil die mutmaßlich kriminell Geschleusten vermeintlich Investitionen in Firmen oder Immobilien in Deutschland tätigten wollten. Der Gesamtpreis der Schleusung konnte bis zu 360.000 Euro betragen. Die Hauptbeschuldigten stehen im Verdacht, mit den Geldern unter anderem Scheinfirmen gegründet, angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintliche Lohnzahlungen fingiert zu haben. Darüber hinaus waren „Beratungsgebühren“ in Höhe von bis zu 40.000 Euro an die Kanzleien zu entrichten, wie die Ermittler an einem Beispiel darstellten.
Mitarbeiter der Dürener Kreisverwaltung verhaftet
Update 17.4., 19.10 Uhr: Im Rahmen eines bundesweiten Großeinsatzes gegen organisierte Schleuserkriminalität ist ein Mitarbeiter des Kreises Düren verhaftet worden. Sein Büro in der Kreisverwaltung sei durchsucht und dabei sein Computer beschlagnahmt worden, teilte der Kreis Düren am Mittwoch mit.
Der Kreis habe mit den Ermittlern voll kooperiert und auch Zugang zu einzelnen Akten gewährt. Die Ermittlungen richteten sich gegen den betreffenden Mitarbeiter, nicht gegen die Kreisverwaltung, hieß es.
Update 17.4., 18 Uhr: Das Lockmittel war Werbung für ein „Weltklasse-Gesundheitssystem“ und beste Bildung: Mit einer Großrazzia in acht Bundesländern hat die Polizei eine international agierende Schleuserbande zerschlagen, die sich besonders auf reiche Menschen aus China und Oman spezialisiert hatte.
Mehr als 1000 Beamte durchsuchten am Mittwoch mehr als 100 Wohnungen, Geschäftsräume und Behörden und verhafteten dabei zehn Beschuldigte. Bis zu 360.000 Euro kostete die Vermittlung einer Aufenthaltserlaubnis im Einzelfall, wie der ermittlungsleitende Staatsanwalt Hendrik Timmer in Düsseldorf sagte. Im Visier sind 38 mutmaßliche Bandenmitglieder und 147 Personen, die geschleust worden sein sollen. Wenn man später nachgeholte Familienangehörige hinzuzähle, gehe es um etwa 350 zumeist chinesische Staatsangehörige, hieß es weiter.
Update 17.4., 16.30 Uhr: Das mutmaßliche bandenmäßige Schleusen reicher Ausländer nach Deutschland lief nach Angaben der Ermittler schon über mehrere Jahre. Ursprung der Ermittlungen seien ein Hinweis des deutschen Konsulats aus Kanton in China sowie zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsanzeigen durch Banken gewesen, sagte der ermittlungsleitende Staatsanwalt Hendrik Timmer am Mittwoch in Düsseldorf. Die Ermittlungen seien 2020 aufgenommen worden, aber die Tatzeiten lägen teilweise bereits in den Jahren 2016/2017.
Insgesamt wurden laut Bundespolizei elf Haftbefehle ausgestellt, von denen zehn vor allem in Köln vollstreckt worden seien. Nach einer Person werde aber noch gefahndet. Sechs Beschuldigte seien bereits dem Haftrichter vorgeführt worden. Unter ihnen ist nach Angaben des Kreises Düren auch ein Mitarbeiter der dortigen Kreisverwaltung. Außerdem lagen Haftbefehle gegen Anwälte und Mitarbeiter ihrer Kanzleien vor.
Razzia gegen Schleuserbande in acht Bundesländern
Erstmeldung 17.4. 12 Uhr: Bei einer großangelegten Razzia gegen eine international agierende Schleuserbande in acht Bundesländern hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zehn Beschuldigte verhaften lassen. Im Visier sind 38 mutmaßliche Bandenmitglieder und 147 Personen, die geschleust worden sein sollen, wie die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin am Mittwoch mitteilte. Wenn man später nachgeholte Familienangehörige hinzuzähle, gehe es um etwa 350 zumeist chinesische Staatsangehörige, sagte der Düsseldorfer Staatsanwalt Julius Sterzel der Deutschen Presse-Agentur.
Bei dem Großeinsatz durchsuchten mehr als 1000 Beamte der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft insgesamt 101 Wohn- und Geschäftsräume in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Hessen sowie Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Die Ermittlungen der Staatsanwalt Düsseldorf liefen schon seit 2020, sagte Sterzel.

Deutschlandweite Razzia: Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche
Hauptverdächtige sind zwei 42 und 46 Jahre alte Rechtsanwälte aus dem Raum Köln. Der Tatvorwurf lautet auf banden- und gewerbsmäßiges Schleusen von Ausländern sowie auf Bestechung und Bestechlichkeit von Mitarbeitern lokaler Behörden. Für gewerbsmäßiges Einschleusen drohen Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren.
Die Rechtsanwälte sollen über ihre Kanzleien reiche Ausländer angeworben haben, überwiegend aus China und dem arabischen Raum. „Mit der Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sollen die Geschleusten Beträge zwischen 30.000 und 350.000 Euro an die Kanzleien gezahlt haben“, berichtete die Polizei. Im Vergleich zu den meisten Menschen, die von Schleusern transportiert werden, habe es sich hier also um eine wohlhabende Klientel gehandelt, bestätigte Sterzel.
Die Hauptbeschuldigten stehen im Verdacht, mit den Geldern unter anderem Scheinfirmen gegründet, angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintliche Lohnzahlungen fingiert zu haben. „Darüber hinaus sollen nicht unerhebliche Beträge der Bereicherung der Beschuldigten gedient haben.“
Aufenthaltserlaubnisse in mehreren Kreisen ausgestellt
Die Aufenthaltserlaubnisse wurden den Ermittlern zufolge bei den nordrhein-westfälischen Ausländerämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie der Kreise Rhein-Erft und Düren erlangt. Zu den zehn Verhafteten gehört auch ein Mitarbeiter des Kreises Düren, der bei den Schleusungen maßgeblich beteiligt gewesen sein und dafür Bestechungsgelder erhalten haben soll.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte zu den Razzien: „Jetzt gilt es, alle Hintergründe auszuleuchten und diesen Strukturen der organisierten Kriminalität das Handwerk zu legen“. Im Kampf gegen Schleuserbanden brauche es „genau diesen hohen Ermittlungsdruck und dieses konsequente Durchgreifen“. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte: „Das ist ein guter und wichtiger Ermittlungserfolg gegen eine Bande, die sich mit Aufenthaltstiteln die Taschen vollmachen will.“
Fast 300 Bankkonten gesperrt
„Bislang konnten umfangreiche Beweismittel und nicht unerhebliche Vermögenswerte gesichert werden, unter anderem circa 210.000 Euro Bargeld“, heißt es in der Mitteilung. „Auch wurden insgesamt 269 Bankkonten gesperrt und 31 Grundstücke mit einer Sicherungshypothek belegt.“
Nach Angaben der Bundespolizei sind während des Großeinsatzes Durchsuchungsbeschlüsse in etlichen Kommunen vollstreckt worden. In NRW waren dies Aachen, Bergheim, Bergisch-Gladbach, Düren, Düsseldorf, Frechen, Heimbach, Kerpen, Köln, Kreuzau, Pulheim, Ratingen, Roetgen, Siegburg und Solingen. Zudem liefen Durchsuchungen in Berlin, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, Hoppstädten-Weiersbach, Hüttlingen, Landau in der Pfalz, Mainz, München, Oberursel, Quickborn, Überlingen und Wilhelmsdorf.
Durchsuchungsobjekte waren laut Polizei neben der Kanzlei und den Wohnräumen der Hauptbeschuldigten auch die angeblichen Geschäftssitze der Scheinfirmen und vermeintliche Wohnsitze – darunter zwei Burgen in der Eifel. Die Räumlichkeiten der betroffenen Ausländerämter sind demnach ebenfalls Gegenstand der Untersuchungsmaßnahmen.
Auch Banknoten-Spürhunde im Einsatz
Neben mehreren Einsatzhundertschaften der Bundespolizei waren den Angaben zufolge auch Banknoten-Spürhunde an dem Großeinsatz beteiligt. Weitere Details wollte am Nachmittag (14 Uhr) die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bekannt geben – unter anderem zur Zahl der vollstreckten Haftbefehle.
Unter Einschleusen versteht man die Hilfe zur unerlaubten Einreise nach Deutschland, zumeist gegen Geld. Dabei geht es um Fahrdienste, falsche Dokumente, Reiseorganisation oder die Unterbringung.

Die unerlaubte Einreise und der unerlaubte Aufenthalt sind nach Aufenthaltsgesetz strafbar. Wer sich hierzulande ohne Aufenthaltstitel aufhält, hat das Bundesgebiet zu verlassen. Für gewerbsmäßiges Einschleusen drohen Freiheitsstrafen zwischen einem und 15 Jahren.
Im Jahr 2022 haben Bundeskriminalamt und Bundespolizei deutschlandweit 4936 Fälle von Schleusungen registriert – ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hintergrund ist der starke Anstieg irregulärer Migration nach Europa. Im aktuellen Lagebild Schleusungskriminalität von 2022 heißt es, die Täter agierten „sehr professionell und flexibel“, auch gebe es eine zunehmende Risikobereitschaft.
dpa