11.11. – Karnevalsauftakt in Köln und Düsseldorf im Regen „Welt geht vor die Hunde“

Jecken mit Regenschutz feiern den Auftakt der Karnevalssession auf dem Heumarkt.
Der Karnevalsauftakt fand diesmal bei strömendem Regen statt. © Rolf Vennenbernd/dpa
Lesezeit

Stimmungsaufheller an einem regnerischen Vormittag: In Köln, Düsseldorf und anderen Hochburgen des närrischen Frohsinns wird derzeit die neue Karnevalssession eingeläutet. Tausende Kostümierte haben sich vom schlechten Wetter nicht abhalten lassen. An den Kiosken waren diesmal Müllsäcke besonders gefragt – als Überzieh-Jacke gegen den Regen.

Köln hat erstmals ein queeres Dreigestirn

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sagte, der Karneval komme zur rechten Zeit: „Ich bin überzeugt, wir alle können ein bisschen Energie bei diesen vielen Krisen, die wir erleben, gebrauchen.“ Man feiere durchaus mit dem Bewusstsein, was in der Welt vor sich gehe, „aber wir sind nicht gelähmt“.

In Köln ist das Dreigestirn aus Prinz, Bauer und Jungfrau dieses Jahr erstmals queer: Es kommt aus der „StattGarde Colonia Ahoj“, einem der jüngsten Kölner Karnevalsvereine – die Mehrheit seiner Mitglieder ist homosexuell. „Köln ist erwachsen, Köln redet da gar nicht groß drüber“, sagte Prinz René I. im WDR Fernsehen zu Entertainer Guido Cantz. „Es ist einfach normal – ob man Mann, Frau liebt, spielt in Köln keine Rolle.“ Er wünsche sich, dass das auch überregional ausstrahle.

Die Massen strömen ins „Kwartier Latäng“

Besonders in Köln hatten sich wieder Zehntausende Feiernde versammelt. Schon am frühen Morgen waren überall in der Stadt Kostümierte unterwegs, vor allem junge Leute. Sie zieht es traditionell ins Studentenviertel „Kwartier Latäng“ rund um die Zülpicher Straße. Dieser Bereich war wie in den vergangenen Jahren abgesperrt und der Zugang reguliert. 1.400 Beamtinnen und Beamte waren auf der Straße, gut 200 mehr als im Vorjahr. Im Auftrag der Stadt Köln waren auch 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes und mehr als 1.000 Kräfte von privaten Sicherheitsunternehmen unterwegs.

Karnevalspräsident Christoph Kuckelkorn kritisierte im WDR Fernsehen, die Sicherheitsanforderungen an den Karneval, insbesondere auch an den Rosenmontagszug, würden immer strenger, und das führe zu einer kaum noch beherrschbaren Kostenspirale.

„Wir brauchen den Karneval, weil die Welt geht vor die Hunde“

Gianlucca (21), verkleidet als Footballspieler, denkt bei Großveranstaltungen wie dem Karnevalsauftakt schon hin und wieder mal an den Messerangriff von Solingen oder andere Gewalttaten: „Da macht man sich schon ´n Kopf drum, man hofft aber das Beste.“

Berkay (21) aus Düren, verkleidet als Sicherheitseinheit SWAT, sagte: „Wir brauchen den Karneval, weil die Welt geht vor die Hunde.“ In dieser Situation sei der Karneval wichtiger denn je: „Um sich zu berauschen oder klarzukommen aufs Leben, auf die Welt.“

Zuhause denkt Loreta an Lindner und Scholz

Für Cowgirl Loreta (21) ist der große Vorteil am Karneval, dass man den schlimmen Zustand der Welt kurz mal vergessen kann: „Ich denke jetzt grad nicht an Trump. Wenn ich zu Hause im Bett liege und sehe, dass Lindner von Olaf Scholz gefeuert wurde und jetzt bald Neuwahlen sind und die AfD dann bestimmt gut abschneiden wird, das denke ich an normalen Tagen, aber heute blendest du das eher aus, heute denkst du an deine Freunde, an Musik, an Feiern, an Alkohol.“

Für die große Party im Rheinland am 11.11. sind einige Jecken besonders früh aufgestanden: Zum Karnevalsauftakt trafen am Kölner Hauptbahnhof bereits gegen sieben Uhr die ersten kostümierten Närrinnen und Narren ein. Gut gelaunt aber durchaus noch etwas verschlafen zogen hart gesottene Clowns, Plüschhasen und Hippie-Mädchen in Richtung der Partymeilen – darunter auch eine Gruppe besonders weit gereister Astronauten. Die Jecken in glitzernden Raumanzügen sind bereits am Vorabend in Freiburg aufgebrochen, um heute dabei zu sein. Allein in Köln werden heute wieder Zehntausende Feiernde erwartet.

Eine Gruppe von Karnevalisten aus Freiburg steht am frühen Morgen auf dem Weg zu den Feiern anlässlich des Beginns der Karnevalssession vor dem Hauptbahnhof.
Besonders weit gereist: Für diese Jecken aus Freiburg begann die Reise in den Karneval bereits vor Stunden.© Henning Kaiser/dpa

Besonders in der Altstadt und im Studentenviertel dürfte es voll werden. Der Bereich rund um die Zülpicher Straße wird wie in den vergangenen Jahren abgesperrt und der Zugang reguliert. Für die Polizei ist der Tag ein Großeinsatz: 1.400 Beamtinnen und Beamte sollen auf der Straße sein, gut 200 mehr als im Vorjahr. Sie sollen für die Sicherheit der Feiernden sorgen und vor allem das weithin geltende Messerverbot kontrollieren.

Auch in Düsseldorf, Bonn und anderen Städten vor allem im Rheinland feiern Jecken den offiziellen Start in die neue Karnevalssession. Am elften Elften um elf Uhr elf beginnt die neue Karnevalssession – die Karnevalisten sagen Session, nicht Saison. Warum genau dann? Das weiß man nicht. Es gibt nur Vermutungen: Es ist eine Schnapszahl, eine Narrenzahl, wie man im Mittelalter gesagt hätte. Einer mehr als die zehn Finger und einer weniger als die zwölf Apostel. Nichts Halbes und nichts Ganzes.

Außerdem markierte der 11. November, der Martinstag, früher das Ende der Erntezeit. Man feierte dies mit einem Braten, der Martinsgans. Dabei trank man dann auch gern ein Glas zu viel. Nach getaner Arbeit ließ man es sich gut gehen – zumal anschließend eine Fastenzeit bis Weihnachten begann.

Heute hat in den Karnevalshochburgen sehr vieles mit der Zahl elf zu tun. Sitzungen beginnen nicht zur vollen Stunde, sondern elf Minuten später, und geleitet werden sie vom Elferrat.

Für Karnevalsunerfahrene ist es überraschend, dass am 11.11. für einen Tag die Hölle losbricht, und dann tun die Narren erstmal wieder so, als wäre nix gewesen. Erst im neuen Jahr beginnt die Session mit dem Sitzungskarneval so richtig.

dpa

Mehr Jobs

Sie sind bereits registriert?
Hier einloggen