
Kurz vor Weihnachten konnte das Richtfest gefeiert werden, im derzeit üblichen keinen Rahmen. Und doch war die Freude bei den Verantwortlichen und Entscheidungsträgern der Villa Möcking groß, immerhin ist das Bauprojekt ein ideales Beispiel dafür, wie ehemalige Industrie- oder Gewerbeflächen eine neue Nutzung finden.
Einst stand an der Nordstraße das Einrichtungshaus Möcking, im Frühjahr 2017 endete jedoch die 105-jährige Geschichte des Unternehmens. Schnell stand fest, am Ort der ehemaligen Gewerbeeinheit sollte Wohnraum entstehen. Doch bevor Menschen in den 21 neuen Wohneinheiten heimisch werden können, mussten das alte Gebäude zunächst abgerissen und der Neubau errichtet werden. Und im Zuge dieser Arbeiten gab es einen Einblick in die Historie des Bauplatzes.
Im Oktober 2019 sollte eigentlich die Baugrube für das neue Gebäude ausgehoben werden. Doch statt neuer Mauern standen plötzlich Mauern aus alten Zeiten im Mittelpunkt. Denn diese wurden im Zuge der Arbeiten sichtbar, schnell zog man daher die Experten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hinzu. Für die Experten der Abteilung „Mittelalter-Archäologie“ war der Fund keine große Überraschung. Bei vergleichbaren Arbeiten in Innenstadtbereichen treten häufig Spuren aus früheren Jahrhunderten zutage, die in späteren Zeiten einfach überbaut wurden.
Und so schlummerten auch unter dem ehemaligen Möbelhaus Grundstücksmauern, Pfostengruben und Brunnen, wie man sie im Mittelalter im Hinterhofbereich hatte. Bis in das 13. Jahrhundert wurden die Funde zurückdatiert und sorgten zugleich für einen Baustopp. Denn die Geschichte Kamens, die an diesem Ort sichtbar wurde, sollte zunächst näher betrachtet werden.
Mehrere Wochen machten sich Mitarbeiter*innen einer Fachfirma vorsichtig an ihr Werk. Wo zuvor noch der Bagger das Erdreich ausgehoben hatte, wurde der Boden nun vorsichtig mit Schaufeln abgetragen. Und dabei wurden weitere Funde sichtbar, die Einblicke in das Leben der Menschen geben, die hier einst wohnten. Was seinerzeit Abfall war, ermöglicht Forschern heute Rückschlüsse auf den Alltag vor mehreren Jahrhunderten: Tierknochen oder Keramikscherben beispielsweise. Und auch alte Schuhe überdauerten die Zeiten, die Feuchtigkeit in einem alten Brunnenschacht konservierte sie auf eine ähnliche Weise, wie man es von Moorfunden kennt.
Die Fundstücke sind längst an die Restaurierungswerkstatt des LWL überführt worden, die Bauarbeiten in den vergangenen Monaten so weit fortgeschritten, dass voraussichtlich Ende des Jahres heutige Kamener an der historischen Stelle heimisch werden können.