Sorge über Impfreihenfolge: Werden Ärzte von Lehrern überholt?
Manfred Michael Nickertz führt in der Gemeinschaftspraxis an der Westicker Straße zahlreiche Corona-Tests durch. Der Tagesablauf in der Praxis wurde mit der Pandemie umgeworfen und neu sortiert, um den neuen Aufgaben gerecht zu werden und die Patienten zu schützen.
Diesen Schutz können sich Nickertz und sein Team selbst freilich nicht bieten. Sie haben zu allen Patienten Kontakt. Zwar trägt das Team am „Medizinischen Kompetenzkollegium – Kamen“ (MKK) stets eine Schutzausrüstung, doch ein gewisses Risiko besteht immer.
Deshalb hofft Nickertz, dass das MKK-Team sich bald impfen lassen darf, eine Anmeldung für einen Impftermin ist bereits raus. Nun heißt es Warten. Während Ärzte in der öffentlichen Diskussion um die Impfreihenfolge kaum vorkommen, wurde heiß darüber diskutiert, ob Lehrer und Erzieherinnen in die Impfgruppe zwei hochrutschen sollen.
Dafür hat Nickertz vollstes Verständnis. Es sei wichtig, dass die Schulen wieder öffnen. „Es kann nicht sein, dass einer Generation ein ganzes Schuljahr geklaut wird. Das hätte auch psychische Konsequenzen.“ Es habe deshalb Priorität, dass Lehrer und Erzieher schnell geimpft würden.
Werden Lehrer bald vor Hausärzten geimpft?
Und doch: Die aktuelle Diskussion, die durchaus manchmal so klingt, als ob Lehrer und Erzieherinnen bei einer Veränderung der Verordnung nicht mehr lange warten müssten, hat für den Mediziner einen leicht bitteren Beigeschmack. Noch sei zwar nicht klar, wann genau die Lehrer innerhalb der Impfgruppe überhaupt an der Reihe sein würden.
Aber für Nickertz hat es den Anschein, dass eine Veränderung der Verordnung dazu führen könnte, dass Hausarztpraxen noch länger auf die ersehnte Impfung warten müssen. „Wenn eine Gruppe vorgezogen wird, muss das erstmal koordiniert werden“, wünscht er sich.
Der Mediziner sagt ehrlich, dass er nicht in der Haut der Entscheider stecken möchte, die diese Reihenfolge festlegen müssen. Er erinnert aber daran, dass es die Hausärzte sind, die engen Kontakt zu Menschen haben und dass sie es sind, die gebraucht werden, wenn es zu Erkrankungen durch eine Infektion kommt. Würde sich die Reihenfolge jetzt zum Nachteil für die Hausärzte ändern, dann fände er das „schräg.“
Kamener Arztpraxis schreibt Brief an das Gesundheitsministerium NRW
Dass es dem Mediziner nicht um die Priorisierung der Lehrer oder Erzieher geht, sondern schlicht um die Gesundheit des Praxispersonals, zeigt ein Brief, den die Praxis unter anderem an das Gesundheitsministerium geschrieben hat – und zwar bevor die Rufe nach einer Priorisierung für Lehrerinnen und Erzieherinnen lauter wurden.
Darin bitten Nickertz und die Ärzte Dr. med. Kerstin König und Mattias E. Barella um die Prüfung, den Impfstatus der Praxis höher einzustufen. Das Personal führe sowohl Testungen zur Verhütung der Verbreitung des Coronavirus bei Kontaktpersonen, als auch durch das Gesundheitsamt veranlasste Tests bei regionalen Häufungen durch.
Doch die Tests sind nicht alles: „An Covid-19 erkrankte Patienten sehen wir nicht nur zum Zeitpunkt der Diagnosestellung, sondern behandeln sie in der Infektionssprechstunde oder bei Hausbesuchen u.a. auch in stationären Pflegeeinrichtungen weiter.“
KVWL: Einige Ärzte wurden bereits geimpft
Die Mitarbeiter von Hausarztpraxen sind aktuell in Impfgruppe zwei, die als nächstes geimpft wird und in die auch Lehrer und Erzieher aufrücken sollen. Es gibt jedoch auch Ärzte, die bereits geimpft wurden, wie Andreas Daniel von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) erklärt.
Laut dem aktuellen Impf-Erlass vom 5. Februar wurden und werden schon Ärzte geimpft. Zum Beispiel jene, die mit besonders vulnerablen Gruppen zu tun haben, wie Daniel erklärt.
Im Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW steht, dass mit der Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffs mehr Impfdosen zur Verfügung stehen, woraus sich veränderte Vorgaben für die Impfzentren ergeben – unter anderem, dass für bestimmte Beschäftigte schon Impfangebote vorzubereiten sind.
Dazu gehört zum Beispiel das Personal in Zahnarztpraxen, „die regelmäßig in vollstationären Pflegeeinrichtungen tätig werden oder in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung tätig sind“ oder auch Arztpraxen, die in onkologischen Praxen sowie Dialysepraxen tätig sind. Die Impfungen sind am 10. Februar gestartet.
Stand heute wurden 7,5 Mio Impfdosen an die Länder ausgeliefert, weitere 2 Mio folgen kommende Woche. Knapp 5 Mio. wurden bisher verimpft. Unsere Impfkampagne kann also deutlich an Fahrt gewinnen. Alle Bundesländer sind im fließenden Übergang von der 1. zur 2. Prio-Gruppe. (1/3)
— Jens Spahn (@jensspahn) February 21, 2021
Von „normalen“ Hausarztpraxen, die trotzdem mit Corona-Fällen zu tun haben, ist nicht explizit die Rede. Wann genau das MKK und andere Hausarztpraxen geimpft werden und ob die Entscheidung zum Thema Lehrer und Erzieher einen Einfluss darauf haben wird, steht also noch in der Schwebe.
Doch zumindest macht Gesundheitsminister Jens Spahn Hoffnung: Aktuell befänden sich alle Bundesländer im fließenden Übergang von Prio-Gruppe 1 zu 2. und begännen damit auch, Beschäftigte des Gesundheitswesens zu impfen. Lange sollte es also nicht mehr dauern.