Kunden ohne Angst vor Corona – aber davor, dass die Läden dicht machen müssen
Den Mund-Nasen-Schutz immer vor dem Gesicht, die Beratung auf Abstand. Mehr als ein Kunde ist auf der kleinen Bibendum-Ladenfläche in Corona-Zeiten oftmals nicht zu finden. Und dennoch gehen die Kunden nur physisch auf Distanz, wenn sie in dem kleinen Laden an der Weststraße 88 einkaufen gehen – menschlich kommt man sich dort näher.
„Wenn nicht alle auf einmal da sind, kommt man auch ins Gespräch“, sagt Inhaberin Sigrid Lewerentz. Deswegen weiß sie: In Zeiten der Corona-Pandemie sind die Kunden zwar vorsichtig. „Aber Angst haben sie vor allem davor, dass die Geschäfte dicht machen müssen.“ Und Leerstände gibt es auf dem Weststraßen-Abschnitt schon reichlich. Mit einem neuen Förderprogramm des Landes, das jetzt für Kamen bewilligt wurde, soll etwas dagegen getan werden.
Weit davon entfernt, dicht machen zu müssen
Zumindest Lewerentz ist weit davon entfernt, dicht machen zu müssen. Mit pfiffigen Gegenständen hat sie den Laden dekorativ ausstaffiert. Sie bezeichnet das als „Schönes für Zuhause“, es gibt außergewöhnlichen Schmuck, individuelle Geschenkideen und kleine Kunst-Artikel.
Seit 27 Jahren ist sie vor Ort, nur mit zweijähriger Unterbrechung, als sie schwer unter der Schließung des Kamener Karstadt-Hauses litt und nach Düsseldorf auswanderte. „Ab 2010 ist es in Kamen allgemein rückläufig geworden, vor allem hier oben an der Weststraße“, sagt sie. „Die Kunden biegen unten an der Eisdiele ab und bemerken gar nicht, dass es uns noch gibt.“
Händlerin kann Entwicklung der Innenstadt gut nachvollziehen
Dafür gibt es die vielen Stammkunden, auf die Lewerentz zählen kann. Die freundliche Einzelhändlerin, die sich ihren jugendlichen Charme bewahrt hat, ist mittlerweile 72 Jahre alt und denkt lange noch nicht ans Aufhören. „Bis 75 möchte ich mindestens noch tätig sein. Ich kann es mir nicht vorstellen, einfach zuhause rumzusitzen.“
Durch die fast drei Jahrzehnte, in denen sie den Einzelhandel in Kamen erlebt hat, kann sie die Entwicklung in der Innenstadt gut nachvollziehen.
Der große Bruch, so sagt sie, sei mit der Schließung von Karstadt im Jahr 2009 gekommen, als dort 50 Mitarbeiter ihren Job verloren – und ganz Kamen seinen Shopping-Mittelpunkt.
Lewerentz, die ihren Laden damals direkt gegenüber des Karstadt-Eingangs hatte, hielt noch ein paar Jahre durch, bevor sie in Kamen aufgab und Bibendum nach Düsseldorf verlagerte. „Da ging gar nichts mehr, erst der Leerstand, dann die fürchterliche Baustelle.“ 2016 kehrte sie schließlich zurück in die Heimat. Sie wollte es hier noch einmal wissen.
Frühere 1a-Lage kein Garant für hohe Frequenz
Aber die frühere 1a-Lage in der Fußgängerzone ist längst nicht mehr ein Garant für hohe Frequenz. Als gegenüber die Dresdner Bank ihr Türen schloss, hatte Lewerentz Hoffnung, dass das Haus schnell wieder mit Leben gefüllt sein würde. „So ein Haus mit seinen zwei Etagen wäre doch ideal für C&A, so war die Hoffnung damals“, sagt sie „Doch da tut sich nichts.“
Jetzt gibt es neue Hoffnung, dass das neue Förderprogramm des Landes greift und manch Leerstand sich mit Leben füllt. Lewerentz würde sich freuen. Für sie beginnt das Weihnachtsgeschäft in der Regel nach Totensonntag, der in diesem Jahr am 22. November ist. „Ich werde hier weiter machen, weil ich das gern mache und das weiterhin vertreten will, was sich tue. Und die Kunden freuen sich, dass sie die Sachen noch anfassen können“, sagt sie mit Blick auf die Konkurrenz aus dem Internet.