In München fand sich nahezu niemand im schwarzgelben Trikot, der sich den Bayern nach dem Rückstand zum 0:1 energisch entgegenstellte, der die Ärmel aufkrempelte und die Mitspieler mitriss. Es war allerdings keine ganz neue Erkenntnis. Auch die Offensive lahmte bedenklich: Der Borussia gelang in 90 Minuten nur ein Torschuss, so wenige wie nie in der Bundesliga seit Beginn der Datenerfassung. Wir diskutieren: Ist der BVB-Kader stimmig zusammengesetzt?
Pro: Dünne Suppe (Von Tobias Jöhren)
Über 100 Millionen Euro hat Borussia Dortmund vor dieser Saison für neue Spieler ausgegeben, um seinen ohnehin schon guten Kader weiter zu veredeln. Die Namen, die Spieltag für Spieltag beim BVB auf dem Aufstellungsbogen auftauchen, versprechen Gourmet-Fußball, liefern aber in grausamer Häufigkeit ungenießbare Kost ab. Stückwerk, Alibi-Fußball, blutleere Auftritte: Die Geduld der Fans ist nicht ohne Grund längst am Ende angelangt.
Beim BVB steht zu selten ein Team auf dem Rasen
Die Gründe dafür in der Kader-Zusammenstellung zu suchen, ist der falsche Ansatz und greift deutlich zu kurz. Denn dieser Kader, diese Ansammlung an namhaften und hochtalentierten Fußballern, ruft sein Potenzial schlichtweg nicht ab, investiert nicht genug auf dem Feld.
Das liegt aber nicht an einem vermeintlich fehlenden Stürmer, es liegt auch nicht an vermeintlich fehlenden Mentalitätsspielern, sondern es liegt in erster Linie einfach daran, dass dieser Kader eben nur eine Ansammlung an hochtalentierten Fußballern, aber keine funktionierende Fußballmannschaft ist. Beim BVB steht entschieden zu selten ein Team auf dem Rasen, das neben seinem Talent auch das Qualitätsmerkmal der mannschaftlichen Geschlossenheit in die Waagschale wirft.
Beim BVB werden elf kleine Süppchen gekocht
Sobald es richtig ernst wird, werden lieber elf kleine Süppchen als ein gemeinsamer Eintopf gekocht. Ob der Nebenmann auch satt wird, ist nicht so wichtig - und dann reicht es eben nicht. Nicht gegen Freiburg, nicht gegen Frankfurt, schon gar nicht gegen München.
Contra: Mentalität gesucht (Dirk Krampe)
Der „beste Kader aller Zeiten“ wurde dem BVB nach der aus Dortmunder Sicht spektakulären Sommer-Transferperiode attestiert. In Christian Pulisic und Abdou Diallo verließen nur zwei Stammspieler den Klub, vier Neuzugänge mit Stammplatzanspruch kamen hinzu, Mats Hummels als Bonus-Verpflichtung inklusive.
An einigen Stellen drückt es beim BVB noch
Dazu das Gerüst aus einem guten Torhüter, einem Sechser, der am Ball extreme Ruhe ausstrahlt und einer Offensive, um die den BVB schon in der vergangenen Saison viele beneideten: Die Mixtur schien passend. Die bisherige Saison zeigt jedoch, dass es an einigen Stellen noch drückt. Sowohl ein durchsetzungsstarker Stürmer als auch ein Mentalitätsspieler fürs defensive Mittelfeld würden dem Kader gut tun.
Auf beiden defensiven Außenpositionen geht die Suche nach der Ideal-Lösung zudem weiter, Hakimi zeigt defensiv zu viele Schwächen, Schulz hat die Erwartungen bislang nicht erfüllt, Piszczek ist in die Jahre gekommen und benötigt regelmäßige Pausen.
Erfahren die BVB-Spieler Widerstand, geben sie viel zu schnell auf
Wenn man ihn lässt, kann dieser Kader wunderschönen Fußball spielen. So wie gegen Barcelona, wie gegen Leverkusen, wie in der zweiten Hälfte gegen Mailand. Erfahren die Spieler Widerstand, geben sie viel zu schnell auf. Dass es dazu in unschöner Regelmäßigkeit nicht gelingt, in Drucksituationen das eigene Leistungs-Limit zu erreichen, lässt die Zweifel an der grundsätzlichen Qualität weiter wachsen. Und verschärft die Diskussion um die Zusammensetzung.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.

Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
