
Vier Tore von Erling Haaland, ein Rekord von Youssoufa Moukoko und ein am Ende völlig verdienter 5:2-Erfolg gegen die Hertha aus Berlin: Was sich in der Kurz-Zusammenfassung liest wie ein romantischer Wochenend-Trip des BVB in die Hauptstadt, versprühte zumindest vor der Halbzeit eher den Charme einer Radtour im Nieselregen mit Gegenwind. Denn Borussia Dortmund benötigte 45 Minuten, um im Olympiastadion Fahrt aufzunehmen, überrollte die „Alte Dame“ dann aber mit voller Wucht. Viermal Haaland und Raphael Guerreiro schossen die Schwarzgelben in der Tabelle auf Platz zwei und auf einen Punkt an den FC Bayern München heran.
BVB-Trainer Favre setzt in Berlin auf die Dreierkette
An dem Ort, an dem sich Lucien Favre vor fast genau einem Jahr zu einer Dreierkette in der Defensive durchgerungen hatte, setzte der BVB-Trainer auch dieses Mal wieder auf drei Abwehrspieler in der hintersten Reihe – und veränderte nach zuletzt fünf Spielen mit Viererkette, vier davon zu Null, das taktische Korsett. Emre Can kehrte zurück in Borussia Dortmunds Startelf an die Seite von Mats Hummels und Manuel Akanji. Im Mittelfeldzentrum spielte Mahmoud Dahoud neben Axel Witsel, weiter vorne erhielt Julian Brandt den Vorzug gegenüber Jadon Sancho und Thorgan Hazard. Der seit Freitag 16 Jahre alte Youssoufa Moukoko nahm erstmals auf der Dortmunder Bank Platz.
Bundesliga, 8. Spieltag: Hertha BSC – BVB 2:5 (1:0)





























Auf dem Platz hatte der BVB Mühe, so wirkte es, die zurückliegende Länderspielpause aus den Fußballstiefeln zu schütteln. Die erste Chance im leeren Olympiastadion gehörte der Berliner Hertha: Dodi Lukebakio hatte im Zentrum zu viel Platz, um Anlauf zu nehmen, doch sein Abschluss rauschte über Roman Bürkis Tor hinweg (8. Minute). Eine Viertelstunde später löschte Manuel Akanji in höchster Not gegen Matheus Cunha (22.). Nach einer guten halben Stunde zappelte die Kugel dann im Dortmunder Tor. Wieder war es Cunha, wieder war das Dortmunder Zentrum zu offen, nur dieses Mal flog der Ball nicht drüber, sondern rein – die zu diesem Zeitpunkt verdiente Führung für die Hausherren.
Die Berliner Führung ist ein Weckruf für Borussia Dortmund
Denn Borussia Dortmund war bis dato nur zweimal vor dem Hertha-Tor vorstellig geworden. Erling Haalands und Marco Reus‘ Abschlüsse waren abgeblockt worden (17.), Mats Hummels und Axel Witsel hatten eine scharfe Freistoßflanke von Reus haarscharf verpasst (32.).

Die Berliner Führung wirkte wie ein Weckruf, der BVB war plötzlich wach. Erst übersah Haaland bei seinem Abschluss den besser postierten Reus (35.), dann blieb Bastian Dankerts Schiedsrichter-Pfeife stumm, als Omar Alderete gegen Haaland im Berliner Strafraum im Zweikampf volles Risiko und mindestens bis an die Grenze des Erlaubten ging (37.). Bibiana Steinhaus im Kölner Keller funkte nicht in die Hauptstadt. Ein Elfmeter für den BVB wäre durchaus vertretbar gewesen.
Schneller Ausgleich durch Haaland beflügelt den BVB
So oder so hätte Borussia Dortmund mit einem Unentschieden in die Halbzeitpause gehen müssen. Nach der besten BVB-Kombination des ersten Durchgangs, der Ball wanderte über Reus, Brandt und Raphael Guerreiro traumhaft zu Haaland, bekamm der Norweger den Ball aus fünf Metern nicht über die Torlinie gedrückt (45.+1).

Was vor dem Pausentee in die Hose ging, ging gleich zu Beginn der zweiten Spielhälfte ins Tor. Reus setzte den aufgerückten Can perfekt in Szene, die scharfe Hereingabe fand Haaland, dieses Mal war der Fuß des Norwegers richtig eingestellt – 1:1 (47.). Der schnelle Ausgleich beflügelte den BVB. Und Haaland. Nur zwei Minuten später war der Dortmunder Torgarant wieder zur Stelle und Schwarzgelb in Führung. Brandt schickte Haaland genau im richtigen Zeitpunkt auf die Reise, der Abschluss schlug trocken und flach hinter Alexander Schwolow ein.
Die „Alte Dame“ knickt vor dem BVB ein
Noch stand die Führung auf wackeligen Füßen. Peter Pekarik vergab für die Hertha die Riesenchance zum Ausgleich, als er aus vier Metern knapp über das Dortmunder Tor köpfte (52.). Erst als Haaland seinen dritten Treffer und seinen neunten dieser Bundesliga-Saison erzielte, weil er Marvin Plattenhardts schlimmen Fehlpass ersprintete und frei vor Schwolow erneut eiskalt vollendete, war endgültig klar, wer an diesem Abend als Sieger vom Platz gehen würde. Die „Alte Dame“ knickte vor dem BVB ein, und Borussia Dortmund entwickelte nachträglich Spaß an dieser Partie. Über Reus und Meunier landete der Ball bei Guerreiro, der im zweiten Versuch traf – 4:1 (70.).

Damit war das Spiel durch. Tore fielen trotzdem noch. Erst zeigte Dankert plötzlich auf den Punkt, weil er ein Foul Akanjis gegen Matteo Guendouzi gesehen hatte, das sichtbar keines gewesen war. Bibiana Steinhaus intervenierte wie schon im ersten Durchgang nicht, was die Frage aufwarf, warum der Kölner Keller am Samstagabend überhaupt geöffnet und beheizt worden war. Cunha verwandelte sicher zum 4:2 (79.).
Moukoko schreibt Bundesliga-Geschichte für Borussia Dortmund
Zum Glück für den BVB spielte der Ärger über den Elfmeter und den Video-Assistenten nur eine unbedeutende Nebenrolle. Die Hauptrollen nahmen andere ein. Haaland erzielte nach Zuspiel des eingewechselten Bellinghams postwendend seinen ersten Viererpack im BVB-Trikot (80.). Und nach 85 Minuten wurde dann noch ein wenig Bundesliga-Geschichte geschrieben. Haaland machte Platz für Youssoufa Moukoko, der nun mit 16 Jahren und einem Tag der jüngste Spieler der Liga-Historie ist.